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„Le Roi David“ getanzt und gesungen. Szene aus Christian Winklers Inszenierung von Arthur Honeggers Oratorium.
© Matthias Heyde

„Le Roi David“ im Neuköllner Vollglutlager: Der Kampf, er höret nimmer auf

62 Chorsänger des Berliner Cantus Domus und zwei Tänzer führen im Vollglutlager Arthur Honeggers Oratorium „Le Roi David“ auf.

Dialoge von Musikern und Tänzern sind gerade sehr angesagt. Doch bei einer biblischen Geschichte die Bewegungskunst einzubeziehen ist durchaus ein Wagnis. Der Berliner Chor Cantus Domus beschreitet in seinem zehnten „Konzeptkonzert“ neue Wege. Die Aufführung von Arthur Honeggers Oratorium „Le Roi David“ im Neuköllner „Vollgutlager“ der Alten Kindl Brauerei entstand in Zusammenarbeit mit dem Berliner Choreografen Christoph Winkler und den beiden Tänzern Ahmed Soura und Aloalii Naughton Tapu. Herausgefordert sind hier nicht nur die Chorsänger, die sich durch den Raum bewegen müssen und denen neben der stimmlichen also auch eine körperliche Expressivität abverlangt wird. Ein Experiment ist es auch für den Choreografen, denn Winkler hat noch nie mit Chören gearbeitet und kommt eigentlich von der elektronischen Musikszene.

Eine neue Perspektive kommt durch die Tänzer ins Spiel. Ahmed Soura stammt aus Burkina Faso, Aloalii Naughton Tapu aus Neuseeland ist samoanischer Abstammung. Die beiden sind im zeitgenössischen Tanz zu Hause, der abstrakt und analytisch ist, doch sie bringen auch noch andere Ausdrucksfarben ein. Anfangs mischen sie sich unter die 62 Chorsänger, die in Reihen in die ehemalige Produktionshalle der Brauerei strömen.

Tänzer und Sänger geben rivalisierende Erzählungen, die sich am Ende angleichen

Wenn es heißt „Vive David!“, knien einige der Choristen nieder, der Fokus liegt nun auf den beiden Tänzern. Honeggers „sinfonischer Psalm“ von 1921 schildert das Leben des biblischen Königs. Winkler will aber keinen mythologischen Bilderbogen illustrieren, die Inszenierung verzichtet auch auf die in der Partitur vorgesehenen Sprecher. Er will das archetypische Prinzip der Rivalität verkörpern. Soura und Tapu messen nicht nur ihre Kräfte, sondern geben mit ihren Körpern auch rivalisierende Erzählungen. Am Ende gleichen sie sich jedoch immer mehr an.

Die Raum-Konstellationen sind einfach, aber wirkungsvoll. Die Choristen umkreisen als Menge die Auserwählten – und rücken dabei zusammen. Anfangs wirkt es etwas ausgedacht, wenn die Sänger ihrem Nachbarn die Hand auf die Schulter legen, doch sie gehen immer mehr aus sich heraus. Hinreißend ist es, wenn eine der Sängerinnen zu den Tänzern tritt, deren Bewegungen aufgreift und einen beredten Tanz mit den Händen vollführt. Zwischendurch stellt der Chor sich ganz klassisch auf, was der Konzentration sehr förderlich ist. Unter dem Dirigenten Ralf Sochaczewsky erklingt das Werk präzise und kontrastreich, auch dank der überzeugenden Solisten Sophie Klußmann (Sopran), Ulrike Mayer (Alt) und Michael Zabanoff (Tenor).

Manchmal wirken die Tänzer freilich etwas abgekoppelt von den musikalischen Stimmungen. Von dem religiösen Inhalt haben sie sich sowieso gelöst. Ihr Ringen bleibt ganz profan, sie kombinieren das Eruptive mit der Innenschau. Die wirklich erhebenden Momente aber an diesem Abend gehören dem famosen Chor und den Solisten.

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