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Trolle füttern strengstens verboten! Eine von vielen – ikonografisch meist ähnlich – gestalteten Ermahnungen, sich auf den Datenhighways des Internet nur mit größter Vorsicht zu bewegen.
© Abbildung: Pixabay

Einem Phänomen auf der Spur: Der Internet-Troll und seine obskure Vorgeschichte

Rechte Medienguerillas destabilisieren gezielt den Diskurs im Netz. Dabei bedienen sie sich Strategien, die bis zurück zu den dadaistischen Partisanen des Ersten Weltkriegs reichen. Eine Spurensuche.

Der Internet-Troll hat Konjunktur, nicht erst seit der Aufdeckung des rechtsextremen Netzwerks „Reconquista Germanica“, das der AfD Auftrieb verschaffen wollte. Die Gruppe hatte im vergangenen Bundeswahlkampf zu gezielten Angriffen auf soziale Medien aufgerufen. Das erklärte Ziel dieser Einsätze war es, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Wahlergebnisse und die zu regelrechten Müllhalden gewordenen Kommentarspalten von Zeitungen und sozialen Medien zeugen vom andauernden Erfolg der Trolle.

Anfangs galten die Trolle noch als Phänomen, das ebenso schnell verschwinden würde, wie es aufgetaucht war. Inzwischen ist wohl oder übel von der Vermehrung anti-liberaler Player und ihrer Strategien auszugehen. Woher kommen ihre Strategien der Provokation, der Verzerrung, des Schocks? Und welche Rolle übernimmt dabei die ominöse, aus dem Usenet der Neunzigerjahre geborene Figur des Trolls? Geht es um fanatische Außenseiter oder automatisierte Bots, um Social-Media-Profis oder Demokratie-Hacker?

Fake-News verbreiten sich schneller als wahre Geschichten

In den USA hat die alternative Blogosphäre mehr Einfluss auf das politische Alltagsgeschehen als anderswo, deshalb hilft ein Blick über den Atlantik. Dass Russland die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten mit beeinflusst hat, gilt als halbwegs gesichert. Darüberhinaus ist es einer neuen Gattung digitaler Influencer aber auch gelungen, den Meinungsbildungsprozess von Grund auf zu erneuern.

Der Kalifornier Mike Cernovich ist einer dieser „Trolls for Trump“, wie der „New Yorker“ die aufstrebende Medienelite kürzlich genannt hat. Der 40-jährige Verschwörungstheoretiker mit kurzem Haar und gebräuntem Gesicht entspricht nicht dem Klischee des Trolls als nerdigem Stubenhocker. Und doch tut er täglich und in aller Öffentlichkeit das, was Trolle meist im Anonymen tun: Beleidigen, Verleumden, Lügen.

Cernovich war maßgeblich an der Hetzkampagne gegen Hillary Clinton beteiligt – das brachte ihm Respekt ein. Der Streit um „#Hillaryshealth“, der mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs die körperliche Leistungsfähigkeit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin infrage stellte, war seine Idee. Sie wurde von fast allen großen Medien im Land aufgegriffen. Cernovich brüstet sich gern damit, wie viele seiner Posts viral werden: Er hat über 400 000 Follower auf Twitter. Eine seiner Maximen lautet „Konflikt ist Aufmerksamkeit“. Der Erfolg von solchen Akteuren wie Cernovich zeigt, auf welch fruchtbaren Boden diese Strategien fallen. Studien haben außerdem nachgewiesen, dass sich Falschmeldungen auf Twitter schneller verbreiten als wahre Geschichten. Das liegt nicht zuletzt am Neuigkeitseffekt: Fake-News stehen für das Aufregende und Besondere.

Auch Menschen lassen sich programmieren

Auch mit der Schleppangeltechnik des trolling wird die Kommunikation von Internet-Trolls verglichen. Hierbei wird der Köder so lange durchs Wasser gezogen, bis ein Fisch anbeißt. Ähnlich verhalte es sich beim Trolling im Netz: Ein möglichst auffälliger Köder führt die Beobachter so lange an der Nase herum, bis schließlich jemand zubeißt und gefangen ist.

Auf welchem Denken basieren solche Methoden? Die Netzgemeinde der neunziger Jahre sah im anonymen Surfen einen Raum der Autonomie, der positiven Anarchie. In den Manifesten der damaligen Pioniere stößt man auf ein starkes Bewusstsein für die Tatsache, dass Software von Menschen geschrieben, also konstruiert ist. Sie ist – zumindest theoretisch – ein beliebig veränderbarer Text. Schon Mitte des 20. Jahrhunderts war man dazu übergegangen, menschliche Gene mit verschlüsselten Codes zu vergleichen. Die Ausweitung des Hackingbegriffs auf außerdigitale Bereiche war also nur folgerichtig.

Wenn Menschen letztlich nichts als Bündel codierter Informationen sind, lassen sich auch ihre Ideen programmieren. Den Anstoß zu solchen Spekulationen lieferte bereits der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, als er in den siebziger Jahren den Begriff des Mems als Äquivalent zum biologischen Gen prägte. Für Dawkins sind Religionen oder politische Systeme auf eine Art memetischen Code reduzierbar und von daher, so folgerten die Informatiker unter seinen Lesern, auch manipulierbar. Heutzutage werden Meme vornehmlich als lustige Bilder aus dem Internet verstanden. Weiter gefasst können sie jedoch Hashtags, Schlagzeilen oder ganze Narrative enthalten, wie das von der „Lügenpresse“ oder der „Überfremdung“.

Nach diesem Bild vom Troll als Kultur-Hacker ist es der Zweck, der die Mittel heiligt. Findet sich eine Schwachstelle, wird sie schamlos ausgenutzt. Das spiegelt sich auch in der Aussage von Polit-Blogger Cernovich, der sich selbst nicht als „reinen Troll“ beschreiben möchte. „Trolle sind unmoralisch“, sagt er. „Ich nutze Troll-Strategien, um meine Marke aufzubauen.“

Der Troll stammt aus der nordischen Mythologie, dort erscheint er weniger als berechnendes Genie denn als langhaariger Waldbewohner, der mit seinen Streichen sich selbst und andere belustigt. Ob von Teilen der Netzgemeinde durchgeführte Scherzanrufe bei Scientology, Jan Böhmermanns Undercover-Einsätze beim Privatfernsehen oder die Identitären als stereotypisierte Hippies bei der Willkommenskultur-Demo: Im Netz wimmelt es von Geschichten der Verballhornung. Es ist dies eine anarchische Politik des Karnevals, die sich lange zurückverfolgen lässt. So schrieb etwa der Dadaist Raoul Hausmann 1919: „Wir wollen lachen, lachen, und tun, was unsere Instinkte heißen. Wir wollen nicht Demokratie, Liberalität.“ Von dort führt der Weg über linke Anarchie bis zum Internet-Troll von heute.

Der Troll im Spannungsfeld einer Politik des Karneval und der Manipulation

Während des Ersten Weltkriegs nutzten die Dadaisten zumindest ihrer Programmatik nach eine Partisanentaktik: Sie agierten mit Tarnung und List. Heute entdeckt man Elemente dieser Verschleierung bei Gruppen wie „Reconquista Germanica“, die in ihrem „Handbuch für Medienguerillas“ in militärischer Rhetorik auch ästhetische Strategien der „Verfremdung“ und „Überidentifikation“ angeben.

Der Troll von heute bewegt sich im Spannungsfeld einer Politik des Karnevals und einer Politik der Manipulation. Inwiefern seiner Rhetorik eine ideologische Motivation zugrunde liegt, ist nicht immer leicht zu erkennen. Auch deshalb tut sich die liberale Öffentlichkeit im Umgang mit ihm so schwer. Wirklich erfolgreiche politische Influencer – hier darf man auch an die Tweets von Donald Trump denken – bedienen übrigens stets beide Register.

Frederic Jage-Bowler

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