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Zubin Mehta auf der Bühne
© Dieter Nagel/AFP

Zubin Mehta wird 80: Der Grenzenlose

Ein Dirigent, der auf das Orchester hört: Zubin Mehta wird 80 Jahre alt.

Zu einem „Happy Birthday“-Konzert ist Zubin Mehta im Vorfrühling nach Mumbai zurückgekehrt, die Heimatstadt, in der er am 29. April 1936 geboren wurde. Er hält sich immer wieder gern dort auf, wo er eine glückliche Kindheit verlebt hat – zwischen frühem Zugang zur Musik durch seinen Vater, einen Geiger parsischen Glaubens, und Lehrjahre an einer Jesuitenschule. „Ich begreife mich bis heute als Inder“, beteuert der Weltbürger und große Dirigent. Mit ihm gereist ist das Israel Philharmonic Orchestra, um in Mumbais neuem National Center of the Performing Arts unter seiner Leitung das Festkonzert zu spielen.

Die Liebe zu diesem Orchester, das ihn als seinen Chefdirigenten auf Lebenszeit ausersehen hat, bedeutet für Mehta, „gefühlsmäßig ein Teil von Israel“ zu sein. Naturgemäß weiß er um die arabisch-jüdische Problematik und hegt den Traum, dass auch arabische Israelis bei den Philharmonikern mitspielen können. Die früh begründete Freundschaft mit Daniel Barenboim vertieft sich durch die Arbeit in Israel.

Da Mehta 18-jährig nach Wien gelangt ist, alle erreichbaren Proben der dortigen Philharmoniker besucht und in sich aufgesogen hat, was die Stadt an Klängen erfüllt, stammt seine Orchestererziehung, „alles, was ich als musikalisches Erbe in mir trage“, aus Wien.

Zubin Mehta bleibt ein Lernender

Als noch junger „Inder aus Österreich“ beginnt er, Amerika zu erobern: sechzehn Jahre Chef bei den Philharmonikern von Los Angeles, ab 1978 bei den New Yorkern als Nachfolger von Pierre Boulez. Schließlich ist er Operndirigent in Florenz, San Francisco, New York, London, Wien, Salzburg, Mailand, Berlin und Bayerischer Generalmusikdirektor am Nationaltheater in München ab 1998.

Zwei Begriffe spielen in seiner Autobiografie „Partitur meines Lebens“ eine sehr bemerkenswerte Rolle: Dankbarkeit und Lernen. Seine tiefe Beziehung zu den Eltern erfüllt ihn mit Dankbarkeit. Nicht minder, dass er Schüler des berühmten Dirigierlehrers Hans Swarowsky sein durfte, dass Vorbilder wie Bruno Walter mit ihm die erste Symphonie Gustav Mahlers, Karl Böhm die ganze „Fledermaus“, Karajan „Tristan“ und „Otello“ durchgearbeitet haben. Analytische Erfahrungen über ihre Stücke verdankt er dem Austausch mit Komponisten wie Messiaen, Boulez und Aribert Reimann.

Wer als Dirigiereleve in Wien mit einem reinen Schönberg-Abend startet und sein Amt an der Bayerischen Staatsoper 2006 mit „Moses und Aron“ verlässt, dem ist die Zweite Wiener Schule eine Herzenssache. Auch im Zusammenspiel mit den Münchner Musikern sieht Zubin Mehta sich noch immer als Lernender.

Denn er erobert die Klangkörper der Weltelite mit seiner Überzeugung, dass man als Dirigent stets bereit sein sollte, die Hilfestellung seitens des Orchesters anzunehmen. Hinhören!

Musiker ohne Grenzen

So geht es auch in Berlin mit der Staatskapelle und nicht zuletzt mit den Philharmonikern in Scharouns Philharmonie, als deren getreuer Gastdirigent er das Jubiläum eines halben Jahrhunderts künstlerischer Gemeinsamkeit längst überschritten hat. Ein Musiker des Füllhorns, gewaltiger Bruckner’scher Crescendi, der Natürlichkeit, der die Freude an der Musik mehr thematisiert als ihr „Misterioso“. Seine Interpretationen romantischer Partituren können ins Pastose gleiten, aber auch Spannung aus der Nuance gewinnen. Ein Mozart-Verehrer, der dem Publikum „die unglaubliche Jupiter-Symphonie“ ans Herz legt.

Handwerker ist er im besten Sinn, Musiker ohne Grenzen, der auch den Spaß versteht, die „Drei Tenöre“ José Carreras, Placido Domingo und Luciano Pavarotti bei ihrem römischen Jahrhundert-Hit in den Caracalla-Thermen anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft zu begleiten.

Als die Berliner Philharmoniker 1990 nach Herbert von Karajans Tod mit Barenboim erstmals Israel besuchen, begrüßt Mehta sie in Tel Aviv. Dann dirigiert der Kosmopolit aus Indien dort die Berliner mit Israels Philharmonikern zusammen, die in leidenschaftlicher Überbesetzung Beethoven spielen. Dieses „Joint Concert“, ein politisch-kultureller Höhepunkt im Leben Zubin Mehtas, der Orchestermusiker wie des begeisterten Publikums geht in die Geschichte der beiden Länder ein.

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