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Christo in Berlin.
© Britta Pedersen/dpa

Konrad-Adenauer-Stiftung ehrt Christo: Der enthüllte Irrtum

Die Konrad-Adenauer-Stiftung ehrt Christo für seine künstlerische Lebensleistung. Auch Wolfgang Schäuble, der sein Werk einst kritisierte, hielt eine Laudatio.

Natürlich war das der leicht pikante Clou. Wolfgang Schäuble hatte einst im fernen Bonn, als dort noch der Bundestag residierte, gegen eines der spektakulärsten Projekte der politischen Kunstgeschichte vehement Stellung bezogen. In einer leidenschaftlichen Debatte im Februar 1994 hielt der damalige Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion die geplante Verhüllung des Berliner Reichstagsgebäudes durch das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude für einen „Frevel“. Dieser Ort der deutschen Geschichte, der alsbald wieder zum Sitz des gesamtdeutschen Parlaments werden sollte, dürfe nicht zum Spielplatz werden.

Er wurde es bekanntlich doch. Und nun hat der heute 83-jährige Christo in Berlin die alljährliche Hommage der Konrad-Adenauer-Stiftung für eine herausragende künstlerische Lebensleistung erfahren (frühere Hommage-Empfänger waren unter anderem Volker Schlöndorff, Kurt Masur, Gert Voss, Anne-Sophie-Mutter und zuletzt Jürgen Flimm). Laudator der Veranstaltung: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Dessen Vorredner bei der Begrüßung war freilich auch sein Vorgänger im Bundestagspräsidium, der jetzige Adenauer-Stiftungspräsident Norbert Lammert. So gab es eigentlich zwei Laudationes, weil der kulturbegeisterte Lammert gar nicht umhinkam, den „lieben Christo“ als einen Künstler zu rühmen, dessen Reichstagsverhüllung zwischen dem 24. Juni und 7. Juli 1995 statt der erwarteten 500 000 Besucher tatsächlich „fünf Millionen Menschen aus aller Welt nach Berlin“ gelockt habe. Worauf Lammert dem still lächelnden, aus Bulgarien stammenden Christo nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Aussprache des vollen Originalnamens Christo Wladimirow Jawaschew so viele Komplimente machte, dass diese zugleich als ständige ironische Anspielung auf Schäubles frühere Anti-Haltung zu verstehen waren. Was Lammert im Angesicht seines Counterparts auch offen eingestand.

Der Hauptlaudator nickte dazu seinerseits mit kollegial amüsiertem Sarkasmus, rollte dann ans Rednerpult und schnaubte kurz: „Wo ist mein Manuskript?! Ich hatte doch eine Tüte ...“ Worauf dienstbare Geister in die Kulisse eilten, jemand etwas in Schäubles Ohr flüsterte und alsbald Manuskript und Feierlaune wieder zueinanderfanden. Wolfgang Schäuble, dessen Präsidialetage im Reichstag an den Wänden übrigens ausschließlich Christos Zeichnungen und Collagen zur einstigen Verhüllung dekorieren, er zitierte Herta Müller. Die Berliner Literaturnobelpreisträgerin hatte vormals schon zu den Geehrten der Adenauer-Stiftung gehört und gesagt: „Schönheit ist politisch.“ Für Müller, in Christos Nachbarland Rumänien geboren, war die nicht allein bauliche Hässlichkeit von Diktaturen immer auch ein Instrument der geistigen Unterdrückung gewesen.

Wahrzeichen für Kunst und Demokratie

Es dauerte eine Weile. Aber so auf das Feld der politisch deutbaren Ästhetik geleitet gestand Wolfgang Schäuble dann wie erwartet ein: „Ich habe mich damals geirrt.“ Christo, der ein Vierteljahrhundert mit seiner 2009 verstorbenen Frau und Mitschöpferin Jeanne-Claude für das immense Reichstagsprojekt gekämpft hatte, habe mit der Verhüllung aufmerksam gemacht auf das Dahinterliegende und ein Wahrzeichen für „Geschichte, Kunst und Demokratie“ geschaffen.

Das Problem, zwei Bundestagspräsidenten hintereinander reden zu lassen, war freilich das: Kultivierte Politiker können die Bedeutung eines Künstlers zwar eloquent benennen, aber ihre Kunst selten genuin beschreiben. So blieb es Hans-Jörg Clement, dem Leiter der Kulturabteilung der Stiftung, belassen, im Nachwort zu der mit virtuosen kurzen Einlagen von Bläsern des Mahler Chamber Orchestras und von vier Tänzerinnen und Tänzern des Berliner Staatsballetts umrahmten Feier wenigstens zu streifen: wie Christos Kunst der lichtschimmernden Verkleidung von Bauten, Landschaften und Gewässern Grazie und Größe, Monumentalität und Minimalismus im gleichsam harmonischen Widerspruch spiegeln.

Und der Meister selbst? Er war von der am Vorabend im überfüllten Delphi-Kino stattgehabten Premiere einer Filmdoku über sein 2016 am norditalienischen Iseo-See realisiertes Projekt der „Floating Piers“ frisch beschwingt (Kinofilmstart am 11. April). Also lächelte Christo, gedachte seiner Jeanne-Claude, dankte einstigen Mitstreitern wie dem Berliner US-Historiker Michael Cullen und der ebenfalls anwesenden früheren Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth – und küsste Wolfgang Schäuble zweimal die linke Wange.

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