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Fotograf Harald Hauswald: Der echte Osten

Depression und Gegenkultur. Ein neuer Band mit Bildern von Harald Hauswald zeigt Fotos aus den "letzten Jahren der DDR". Und auch eine Ausstellung würdigt den Fotografen.

Von Jan Oberlaender

Die Tram hält auf der Schönhauser Allee, Ecke Kastanienallee, ein junger Mann mit Vollbart und Lederjacke wartet am Straßenrand. Zwei andere Typen stützen einen Dritten, wohl zu viel gefeiert. Nun zeigt dieses Bild aber eben keine Partytouristen im coolen Prenzlberg. Harald Hauswalds Foto porträtiert Ost-Berlin, kurz vor der Wende. Die Tram ist blassgelb, die Klamotten hängen an den Leuten, im Hintergrund tuckert ein Trabi vorbei. Es liegt ein Grauschleier über dieser Stadt.

Der Fotograf Harald Hauswald, der dieses Bild in einem neuen Band zeigt – er ist ein Realist. Das Buch „Ferner Osten“ (Lehmstedt Verlag, 176 Seiten, 29,90 Euro) versammelt Aufnahmen von 1986 bis 1990, die sich als Chronik der „letzten Jahre der DDR“ verstehen lassen. Und als Erinnerungsschatz. Hauswald dokumentiert Verfall und Improvisation, Depression und fröhliche Gegenkultur, alles in einer zurückhaltenden, aber umso unmittelbarer wirkenden Farbigkeit. Das allererste Bild des Buches zeigt ganzseitig eine Wandmalerei, das Emblem der SED an einer Hausfassade am Helmholtzplatz. Der Putz platzt ab, die Farbe ist verwittert, da ist kein sozialistisch leuchtendes Rot mehr, kein Himmelblau. Nur schwarzbräunliche Risse. So sieht das Ende aus.

Harald Hauswalds Fotos waren in der DDR verboten - zu realistisch

„Hauswalds Motive waren in der ganzen DDR zu sehen“, schreibt Christoph Dieckmann im Vorwort. „Hauswalds Fotos sah man nicht. Keine Zeitung druckte sie.“ Zu realistisch. Der Künstler interessierte sich für die ganz normalen Leute, für das echte Leben in diesem untergehenden Staat. „Menschenseher“ nennt ihn Dieckmann. Das macht Harald Hauswald, wenn er auch nicht der einzige Protagonist der DDR-Fotografie ist, doch immer noch zu einem der wichtigsten zeitgenössischen Fotografen.

Hauswald, 1954 im sächsischen Radebeul geboren, kam nach einer Lehre im väterlichen Fotogeschäft 1977 nach Berlin. Er arbeitete in verschiedenen Jobs, als Telegrammbote, Heizer und Restaurator – und natürlich als Fotograf. Er war sein eigener Auftraggeber, Hauswald machte keine Propagandabilder von glücklichen Werktätigen, wie sie aktuell in der erhellenden Schau „Farbe für die Republik“ im Deutschen Historischen Museum gezeigt werden. Weil er in West-Zeitschriften veröffentlicht hatte, in „Stern“, „taz“, „Geo“ etwa, kam Hauswald in Ost-Publikationen nicht vor. Nur Kirchenzeitungen druckten ihn noch, größtenteils fotografierte er für die Schublade. Zeitweilig ließ die Stasi ihn durch 35 Inoffizielle Mitarbeiter bespitzeln, es gab Druck, aber Hauswald hielt ihn aus. Irgendwie ging es. Und nach der Wende machte er einfach weiter, 1990 war Hauswald Mitgründer der Agentur Ostkreuz, 1997 erhielt er das Bundesverdienstkreuz, 2006 den Bürgerpreis zur Deutschen Einheit (Hier ein ausführliches Tagesspiegel-Porträt des Künstlers).

Und damit nicht genug der Ehrungen. Aus Anlass seines 60. Geburtstages am vergangenen Sonnabend bietet die Fotogalerie Friedrichshain nun einen Überblick auf Harald Hauswalds Schaffen. Unter dem Titel „Queerbeet“ werden Berliner Aufnahmen von 1976 bis 2014 gezeigt. Eine gute Gelegenheit, sich dem – bisherigen! – Lebenswerk dieses Erinnerungskünstlers zu nähern.

Fotogalerie Friedrichshain, Helsingforser Pl. 1, 9. 5. bis 20. 6.; Di bis Sa 14 – 18 Uhr, Do 10 – 18 Uhr. Zur Eröffnung am 8. Mai um 19 Uhr spricht Marianne Birthler.

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