Neues Album von Kollegah: Der Boss ist müde
Nach dem Echoskandal: Rapper Kollegah spielt auf dem Album „Monument“ seine alten Posen durch. Aber Jüdinnen und Juden beleidigt er diesmal nicht.
Zwei orthodoxe Juden in weißen Hemden stehen vor einem New Yorker Geschäft und lächeln in die Kamera. Einer von ihnen hat den Arm um einen vollbärtigen Deutschen gelegt, der den rechten Daumen nach oben reckt. Die Männer mit den Schläfenlocken dürften nur eine vage Ahnung davon haben, wer dieser Typ ist. Sonst hätten sie sich das vielleicht noch einmal überlegt mit der Umarmung.
Denn Felix Blume alias Kollegah, den sie im Abspann seines knapp einstündigen Films „Monument – Eine New York Hip-Hop Doku“ herzen, hat in diesem Jahr an der Seite seines Rap-Kollegen Farid Bang mit einer schrecklichen, von vielen als antisemitisch empfundenen Songzeile über KZ-Opfer nicht zuletzt zahlreiche jüdische Verbände gegen sich aufgebracht – der Echoskandal, der mit der Abschaffung des Musikpreises endete.
Inzwischen gibt der Düsseldorfer sich geläutert. „Special thanks to the jewish people“ steht im Abspann der besagten Doku, dazu grüßt Kollegah mit einem offenbar ernst gemeinten „Shalom“ in die Kamera. Im Sommer hatte er auf Einladung des Internationalen Auschwitz Komitees zusammen mit Farid Bang das einstige Lager besucht.
Kollegah verspricht mehr Rücksicht in seinen Raps
Kürzlich sagte er dazu in einem dpa-Interview: „Als wir vor Ort waren, haben wir diesen Schrecken und diese Tötungsmaschinerie nochmal ganz anders wahrgenommen.“ Und weiter: „Insofern ist meine grundsätzliche Sensibilität gegenüber dem Holocaust, aber auch vergleichbaren Ereignissen in der Geschichte gewachsen, und das wird sich auch auf meine Raps auswirken, insofern dass ich hier und da mehr Rücksicht nehme.“ Nur gibt es keine vergleichbaren Ereignisse und auch dass Kollegah im Zusammenhang mit der Shoa auf das Leiden der Palästinenser hingewiesen hat, verdeutlicht, dass sein Umdenken noch am Anfang steht.
Davon zeugt sein gerade erschienenes siebtes Soloalbum „Monument“ (Alpha Music Empire). In „Realtalk“, dem Song mit dem deutlichsten Bezug auf den Echoskandal, rappt er: „Ich war in Auschwitz und pisse auf das Grab von jedem Nazi-General / Doch dass man hier kein’ Nationalstolz haben darf / Führt dazu, dass Kids heut’ Zusammenhalt fehlt wegen dem, was war vor siebzig Jahrn“.
Indem er auf eine Herabwürdigung der Nationalsozialisten ein Argument folgen lässt, dass auch von Rechtsextremen stammen könnte, relativiert er die vorherige Zeile sofort wieder. Dass er den Holocaust und den angeblich daraus resultierenden fehlenden Nationalstolz für die Vereinzelung der heutigen Jugend verantwortlich macht, ist perfide und überdies von armseliger Logik: Nationalstolz als wichtigste Bindekraft zwischen den Menschen – die AfD lässt grüßen.
Für Frauen hat Kollegah ausschließlich herabwürdigende Begriffe übrig
In den nächsten Zeilen springt der in seiner Jugend zum Islam konvertierte Kollegah in den Nahen Osten und stilisiert sich selbst zum Opfer: „Macht man sich dann noch für den Gazastreifen stark (woah)/ Gilt das als größere Skandal-Verbrechenstat als das Bin-Laden-Attentat.“
Damit ist er wieder zurück in seinem alten Koordinatensystem. Letztlich bleibt auch auf den restlichen 16 Tracks sowie dem sich anschließenden „Hoodtape 3“ mit 26 Tracks alles beim Alten. Einmal mehr dekliniert Felix Blume die Geschichten seines Gangsterrap-Alter-Egos Kollegah durch: Der Boss feiert seinen unter anderem durch Drogenhandel erworbenen Reichtum und seine Stärke. Er droht Gegnern, ist ungebrochen misogyn. Frauen werden nur mit herabwürdigenden Begriffen bezeichnet – ausgenommen ist allein seine Mutter, bei der er sich sogar für seine frühen Texte entschuldigt.
Die vom US-Produzenten AraabMuzik mit soliden Beats unterlegten Raps des ersten Albumteils sind allerdings von einer gewissen Müdigkeit durchzogen, das Aggressionslevel ist niedriger als früher, und anders als auf dem inzwischen indizierten Skandalalbum „Jung brutal gutaussehend 3“ (mit Farid Bang) gibt es weniger Gewaltfantasien. In „Donlife“ heißt etwa: „Business läuft im Hintergrund wie ’ne Sinatra- Schallplatte/ Ich trink die Tränen von Feinden aus ner Kristallglas-Karaffe“. Sinatra? Ok, der war auch ein bisschen Gangster, aber auf welchem Schulhof kennt man den noch? Ähnlich sieht es mit dem New Yorker Rapper Nas aus, dessen Debüt „Illmatic“ von 1994 legendär ist und der als Gast auf dem Kollegah-Album zu hören ist.
Nur ein lahmer Diss gegen RAF Camora
Der Düsseldorfer wendet sich von der ganz jungen Zielgruppe ab, die inzwischen ohnehin schon neue Helden wie Capital Bra oder Bonez MC und RAF Camora hat. Kollegah hat keine rechte Lust auf Streit mit der Konkurrenz. Er motzt ein bisschen gegen das von ihr viel verwendete Autotune, um es dann selber immer mal einzusetzen. Und er rafft sich zu einem lahmen Diss gegen RAF Camora auf. Doch statt eine neue Fehde zu beginnen, hackt er lieber noch mal auf dem alten Lieblingsfeind Laas herum. Seinen Respekt erweist er hingegen Savas und sogar Marteria, auf den er zweimal anspielt. Altersmilde? Vielleicht. Kollegah hat angedeutet, dass „Monument“ erstmal sein letztes Soloalbum sein wird. Gute Entscheidung.
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