zum Hauptinhalt
Rey (Daisy Ridley) ist die neue Hoffnung der Jedi.
© Lucasfilm Ltd.

Letztes Kapitel der „Star Wars“-Saga im Kino: „Der Aufstieg Skywalkers“ ist ein würdiges Finale

Alle „Star Wars“-Filme handeln von Söhnen und Töchtern. J.J. Abrams treibt die Frage nach der richtigen oder falschen Herkunft zum Abschluss auf die Spitze.

Kinder, Väter, Mütter. Die zentralen Konflikte der 42-jährigen „Star Wars“-Saga drehen sich um Fragen der Herkunft – ob die nächste Generation dem Vermächtnis der Eltern gewachsen ist oder sie dem Fluch des Blutes, ihrer Vorbestimmung, entkommen können.

Kleine Rückblende: In „Episode II: Angriff der Klonkrieger“ (1999) dem Mittelstück der Prequel-Trilogie, mit der George Lucas 16 Jahre nach Abschluss der originalen Skywalker-Erzählung gewissermaßen selbst in den Bann seines Vermächtnisses geriet, begibt sich Anakin Skywalker auf seinen Heimatplaneten Tatooine, um hilflos die Ermordung seiner Mutter Shmi mitanzusehen. Ihr Tod wird zum Schlüsselereignis für seine spätere Verwandlung in Darth Vader.

Und nun die neunte und finale Episode der Skywalker-Saga: Es ist eine schöne Geste, wenn Rey (Daisy Ridley) am Ende von „Der Aufstieg Skywalkers“ ebenfalls an das Grab ihrer Eltern zurückkehrt. Reys Herkunft ist in der dritten Trilogie, die J.J. Abrams 2015 mit „Das Erwachen der Macht“ begann, das zentrale Mysterium, und gewissermaßen auch der Schlüssel in ihrem Verhältnis zu Kylo Ren (Adam Driver), der wieder und wieder das Raum/Zeit-Kontinuum durchbricht, um mit Rey in Kontakt zu treten.

Adam Driver fühlt sich in der Rolle Kylo Rens endlich wohl

Die unsichtbare Bande zwischen Rey und Kylo – beziehungsweise „Reylo“, wie das neue „Star Wars“–Celebritypärchen unter Fans nur noch heißt – besitzt den stärksten human touch in „Der Aufstieg Skywalkers“. Das kommt vor allem Adam Driver zugute, der sich als neuer Darth-Vader-Charakter nie so richtig wohl in seinem Helm gefühlt zu haben schien. Sondern eher wie ein, um einmal Mel Brooks und dessen Parodie „Spaceballs“ zu zitieren, Lord Helmchen.

Kylo Ren (Adam Drive) versucht, Rey auf die dunkel Seite der macht zu locken.
Kylo Ren (Adam Drive) versucht, Rey auf die dunkel Seite der macht zu locken.
© Jonathan Olley /Lucasfilm Ltd.

Mit seinen Auftritten in „Der Aufstieg Skywalkers“ – im Angesicht seines toten Vaters Han Solo (natürlich darf auch Harrison Ford beim großen Finale nicht fehlen) und Nasenspitze an Nasenspitze mit Rey auf den wellenumtosten Trümmern eines ausgebrannten Todessterns – vollzieht Adam Driver endgültig die Wandlung vom besten Darsteller seiner Generation zum Filmstar, der auch ein Milliarden-Franchise stemmen kann. Abrams und sein Ko-Autor Chris Terrio, mit Hilfe des geschassten Colin Trevorrow, haben ganze Arbeit geleistet.

Vorsicht! Star-Wars-Fans sind konservativ

Man könnte die größte Geschichte der modernen Populärkultur auch einfach solide zu Ende erzählen; Star-Wars-Fans sind konservativ. Doch „Der Aufstieg Skywalkers“ ist – anders als Abrams’ erster Versuch mit „Das Erwachen der Macht“ vor vier Jahren, den selbst George Lucas für zu retro befand – mehr als bloßer Fanservice. Abrams nimmt die epische Dimension des Mythenpotpourris, das Lucas vor über 40 Jahren ausbaldowerte, tatsächlich ernst. Sein Film markiert das würdige Ende einer Kino-Ära.

Dabei braucht Abrams fast eine Stunde, um endlich bei der zentralen Geschichte anzukommen. Zunächst muss ein kleiner Zeitsprung zwischen „Die letzten Jedi“ und „Der Aufstieg Skywalkers“ etabliert werden. Die verlorene Zeit versucht der Film in einer zermürbenden Weltraumschlacht zwischen Rebellen und den Sith-Truppen aufzuholen, die eher an die Materialschlachten in den „Avengers“-Filmen erinnern, Disneys anderem Franchise mit der Lizenz zum Gelddrucken. Die Konzentration von so viel geballter Markenmacht birgt zwangsläufig die Gefahr, dass sich die Produkte und ihre Designs immer ähnlicher werden.

Imperator Palpatine kehrt von den Toten zurück

Abrams hat „Star Wars“ den rustikalen Bolzen-und-Nieten-Charme von Lucas’ Science Fiction ausgetrieben; auch wenn in „Der Aufstieg Skywalkers“ gelegentlich noch mit Schraubenschlüssel und Schweißbrenner hantiert wird. Darum fühlt sich auch die Rückkehr von Imperator Palpatine (Ian McDiarmid) aka Lord Sidious – im Trailer vergangene Woche zur Empörung vieler Fans gespoilert und im crawl text gleich zu Beginn des Films nur noch en passant erwähnt (im Marketing macht Disney niemand was vor) – zunächst weniger wie ein Anflug von Nostalgie an, sondern wie Kalkül: eine Konzession ans Studio, in die „Star Wars“-Saga einen ebenbürtigen Superschurken zu Thanos aus dem „Marvel Cinematic Universe“ einzuführen.

Lange wirkt Abrams unschlüssig, zu welchem Zweck er die Figur überhaupt reaktiviert hat. Das erweist sich später als gute Finte. Palpatine gibt sich früh als Strippenzieher der „Reylo“-Trilogie zu erkennen. Seit seinem vermeintlichen Tod durch die Hand Darth Vaders in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983) hält er sich auf einem unbekannten, auf keiner Karte verzeichneten Planeten am Rande der Galaxie versteckt, wo bereits eine neue Sternenkreuzer-Flotte auf ihren Einsatz gegen die Rebellen wartet. Auch Palpatine sucht einen würdigen Erbfolger, er will sein Kriegsgerät aber in guten Händen wissen. Als letzten Test beauftragt er Kylo, den neuen Imperator der Ersten Ordnung, Rey zu töten, deren Jedi-Kräfte immer stärker werden.

Der einzige Kuss ist ein Todeskuss

Die Stärke der Abschlussfilme in allen drei Trilogien war, dass sich die Chemie der Figuren untereinander endlich entfalten kann. „Der Aufstieg Skywalkers“ gehört dem Heldenquartett um Rey, Poe (Oscar Isaac), Finn (John Boyega) und Chewbacca, dem letzten Überbleibsel der Original-Trilogie – wenn auch mit neuem Darsteller (Joonas Suotamo). Rose (Kelly Marie Tran) muss nach ihrer halsbrecherischen Rettungsaktion für Finn am Ende von „Die letzten Jedi“ wieder in die zweite Reihe zurücktreten, was vor dem Hintergrund der rassistischen Kommentare in den sozialen Netzwerken gegen Tran etwas feige von Disney anmutet.

Endlich vereint: Chewbacca (Joonas Suotamo), Poe (Oscar Isaac), Finn (John Boyega) und Rey (Daisy Ridley) an Bord des "Falken".
Endlich vereint: Chewbacca (Joonas Suotamo), Poe (Oscar Isaac), Finn (John Boyega) und Rey (Daisy Ridley) an Bord des "Falken".
© Jonathan Olley /Lucasfilm Ltd.

Überhaupt kommen amouröse Anbandelungen diesmal viel zu kurz, „Der Aufstieg Skywalkers“ unterläuft alle Erwartungen, die der Vorgänger in Aussicht gestellt hat. Er ist in jeder Hinsicht ein Ensemblefilm, in der Solidarität über das persönliche Glück des Individuums gestellt wird. Der einzige Kuss des Films, auf den die Fans zu diesem Zeitpunkt fast sieben Stunden warten mussten, ist darum passenderweise auch ein Todeskuss. Die Liebe wird für die Freiheit der Galaxie und die Zukunft des Jedi-Ordens geopfert: Mutter und Sohn lösen sich im Augenblick des Triumphes in Luft auf. Ein Star-Wars-Moment für die Ewigkeit.

Regisseur Abrams geht nicht auf Nummer sicher

Für ein gigantisches Unterfangen wie „Star Wars“ ein angemessenes Ende zu finden, stellt im Zeitalter des seriellen Erzählens, das die Streamingdienste längst besser beherrschen als die Studios mit ihren Franchises (der Medienkonzern Disney befindet sich mit seiner Streamingplattform Disney+ gerade in einer Umbruchphase) die größte Herausforderung dar. Gerade hat die Kritik an der finalen Staffel von „Game of Thrones“ wieder gezeigt, wie imageschädigend ein schlechtes Ende für das Gesamtwerk sein kann. Auch Disney hatte zuletzt von Fans viel Feuer für seine „Star Wars“-Filme bekommen. Abrams hätte nach den heftigen Reaktionen auf den Vorgänger – wie schon mit „Das Erwachen der Macht“– auf Nummer sicher gehen können.

Mit „Der Aufstieg Skywalkers“ gelingt ihm ein schwieriger Balanceakt. Ikonografisch bewegt sich sein Film in vertrauten Welten, inhaltlich hat sich die „Star Wars“-Mythologie jedoch von ihren Ursprüngen entfernt. (Auch Lucas musste seinerzeit Prügel einstecken, weil er in den Prequels die „Jedi-Macht“ mit einer genetischen Veranlagung erklärte) Am Ende von „Der Aufstieg Skywalkers“ übergibt Rey das Laserschwert Leias der Wüste.

Eine neue Zeitrechnung beginnt. Blut ist dicker als Wasser, lautete ein ungeschriebenes Gesetz der alten „Star Wars“-Filme. Doch die Saga endet mit der tröstlichen Erkenntnis, dass man sich seine Familie auch aussuchen kann.
Ab Mittwoch in 24 Berliner Kinos

Zur Startseite