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Vorgeschmack. Die Festakt-Gäste testen die Akustik des Saals. Das erste offizielle Konzert findet im März statt.
© Agentur Raum11/Jan Zappner

Konzert im Pierre Boulez Saal: Den Künstlern ganz nah

Die Barenboim-Said-Akademie ist eröffnet. Und Daniel Barenboim gab mit dem West Eastern Divan Orchestra ein spontanes Konzert im neuen Pierre Boulez Saal.

Beim abendlichen Festakt zur Eröffnung der Barenboim-Said-Akademie wächst sich die Begrüßungsrede des Spiritus Rector zur großen Erzählung über die Entstehung seines West Eastern Diwan Orchestra aus. Ausführlich schildert er – auf Englisch, wegen der vielen internationalen Gäste, die ihm in der Eingangshalle stehend lauschen – seine erste Begegnung mit Bernd Kaufmann, dem Intendanten der europäischen Kulturhauptstadt 1999, der ihn unbedingt für ein Projekt in Weimar gewinnen wollte. Der vielbeschäftigte Maestro („Ich suche immer nach einem 13. Monat“) antwortete, wenn es Kaufmann gelänge, einen Workshop zu organisieren, bei dem sich ein Dutzend Israelis und Palästinenser auf Augenhöhe begegnen können, wäre er dabei. Er würde dann sogar seinen Freund, den Literaturwissenschaftler Edward Said mitbringen.

Kaufmann setzte alle Hebel in Bewegung, Barenboims damaliger Assistent Sebastian Weigle reiste als Talentscout durch die Metropolen des Nahen Ostens – und fand so viele Hochbegabte, dass Barenboim beschloss: Wir machen ein Orchester daraus! Keine acht Jahre später trat das West Eastern Diwan bereits bei den Top-Festivals in Salzburg und Luzern auf. Und hat jetzt sein eigenes Ausbildungszentrum in Berlin, gebaut mit 14 Millionen Euro aus privaten Spenden, die Barenboim in seinem Freundes- und Verehrerkreis einwarb, bevor er den Staat um die Restfinanzierung bat.

„Deutschland“, fügt der sichtlich gerührte Weltstar hinzu, „ist das einzige Land, wo so etwas möglich ist.“ Und, sekundiert Michael Naumann, der Gründungsdirektor der Barenboim-Said-Akademie, es ist das einzige Land, wo sich der zuständige Sachbearbeiter aus dem Kulturstaatsministerium sein sechs Tage altes Baby vor die Brust schnallt, um das frohe Ereignis mitfeiern zu können.

Das Orchester war sowieso gerade in der Stadt

„Ich war mir nicht sicher, ob im Pierre Boulez Saal vor der Eröffnung im März 2017 öffentlich Musik erklingen soll“, fährt der Maestro fort. Doch da nun einmal gerade das West Eastern Diwan Orchestra in Berlin weile, für Proben zu einem Konzert vor den Vereinten Nationen in Genf am Samstag, hat er seine eigenen Bedenken beiseite geschoben. Die Türen der 600- Plätze-Konzerthalle öffnen sich also, die Leute nehmen Platz auf den gewöhnungsbedürftig gemusterten Sesseln, raunen sich staunend zu, wie intim der Raum doch wirke, wie nah die Zuschauer hier den Künstlern kommen, und dann hebt Barenboim auch schon den Taktstock für den Kopfsatz aus Haydns 1. Cellokonzert.

Solist Kian Soltani gewinnt sofort alle Sympathien durch die tänzerische Eleganz, mit der er seinen Bogen zu führen weiß. Und manches Bravo durch die vor raffinierten Details nur so funkelnde Kadenz. Der erste akustische Eindruck des Saals allerdings fällt zwiespältig aus. Sehr präsent sind die Musiker, ihre Töne springen das Publikum geradezu an, ohne dabei aber Wärme zu entfalten. Fast scheint es, als sei der Weg der Schallwellen zwischen Instrumenten und Hörerohren zu kurz, um sich richtig mischen zu können.

Wahrscheinlich muss der Saal akustisch nachjustiert werden

Beim Finale aus Mozarts Sinfonia Concertante kommen die solistischen Bläser gut zur Geltung, entfalten in ihren Kantilenen durchaus Glanz, während bei den Streichern weiterhin auffällt, dass sie extrem exakt artikulieren müssen, um eine angemessene Präsenz zu entwickeln.

Es mag an den gewählten Werken der Wiener Klassik liegen, die in puncto Klangbalance viel heikler sind als spätromantische Stücke. Es mag sein, dass die Staatskapelle mit ihrem dunklen, zu samtiger Üppigkeit neigenden Sound hier einen ganz anderen Eindruck hinterlassen wird. Vielleicht aber muss im Pierre Boulez Saal bis zum kommenden Frühjahr akustisch nachjustiert werden. Was wahrlich keine Schande wäre, denn selbst die Philharmonie hatte ja nicht sofort jenen fein abschattierten, dabei ungemein klaren Klang, den alle heute so lieben. Erst nach mancherlei Experimenten und dem Einbau der Klangsegel war Herbert von Karajan schließlich zufrieden – und mit ihm der Rest der Klassikwelt.

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