Kunstmesse Contemporary Istanbul (ci): Dem Kunstmarkt fehlt das Fundament
Istanbuls große Messe bleibt unter den Erwartungen der Galerien. Mittlerweile wird klar, dass sich die schnell wachsende türkische Kunstszene als Ganzes noch finden muss.
Ein rauschendes Fest war die Vernissage der Contemporary Istanbul (ci). Alle, alle waren da, selbst der Kulturminister der nicht gerade unter Avantgarde-Verdacht stehenden AKP. Geholfen hat das allerdings nicht, hört man von vielen Ausstellern. Einige der größeren einheimischen unter den insgesamt 109 Galeristen haben wohl wirklich gut verkauft. Aber angesichts der Andersartigkeit des Angebotenen und Nachgefragten wird deutlich, dass sich die türkische Kunstszene als Ganzes noch finden muss. Die großen türkischen Sammler mit Zweit- oder Fünftwohnung in London, Paris oder New York kaufen vielleicht aus Repräsentationszwecken eine interessante einheimische Position. Finanziell engagieren sie sich im internationalen Kunstdiskurs aber wohl eher im Ausland. Und die lokalen Sammler halten sich offensichtlich zurück.
Bei den internationalen Teilnehmern scheint Ratlosigkeit das vorherrschende Sentiment. Ob ein Potpourri großer Namen wie Alex Katz, Francesco Clemente und Liam Gillick bei Javier Lopez (Madrid) oder Werke von Joan Mirò aus dem Programm der Pariser Galerie Lelong: Die Aussteller sahen am Eröffnungsabend ausgesprochenen Reichtum durch die Gänge flanieren, aber irgendwie blieb in den ersten Tagen kaum etwas davon hängen. Michael Schultz aus Berlin hat sich ebenfalls angepasst. Vergangenes Jahr hatte er noch mehrere Gemälde von Gerhard Richter dabei. Nun schwenkt er ganz auf sein jüngeres Programm um, das bei SEO endet: Von der koreanischen Künstlerin verkaufte er drei kleinere Arbeiten zu Preisen von 7500 bis 9500 Euro zur Vernissage.
Inhaltliche Arbeit steht hinter dem Druck, Geld zu verdienen
Die Galerie Edition Purrmann (Grefrath) hat ein großes „Soldatenbild“ von Markus Lüpertz aus den späten 90er Jahren für 98 000 Euro dabei. Inhaltliche Arbeit steht deutlich zurück hinter dem Druck, Geld verdienen zu müssen. Experimente wagt kaum einer der Auswärtigen, und wenn, dann wirken sie wenig geglückt. Die Berliner Galerie Kornfeld kann unmittelbar vergleichen, sie war 2013 ebenso dabei wie vor wenigen Wochen auf der konkurrierenden Istanbuler Messe Art International. Dort, so das Fazit, seien Aussteller wie auch Sammler von höherer Qualität gewesen. Jetzt hofft man auf das Wochenende.
Doch das könnte ebenfalls mau ausfallen. Marktkenner sehen ein generelles Problem. Die regional aufgestellten Sammler hätten vor allem aus Investitionsgründen gekauft. Mittlerweile dämmere allen, dass dieses Kalkül mit einer bestimmten, hier beliebten plakativen Kunst nicht aufgehe. Nun rächt sich, dass der türkische Kunstmarkt zwar schnell gewachsen ist, doch inhaltlich vieles schuldig bleibt: Es gibt kein staatliches Museum für zeitgenössische Kunst, kaum ausgebildete Kuratoren vor Ort, keine Kritiker und damit keinen öffentlichen Diskurs.
Moving Museum: das Wandermuseum
Wie sehr dieser fehlt, zeigt der enorme Erfolg des privaten Moving Museum, das nach London und Dubai jetzt in Istanbul Station macht. Das mit bescheidenen Mitteln aufgezogene Wandermuseum lädt internationale Künstler zu Projekten mit lokalen Künstlern ein: Zur Eröffnung der Ausstellung auf zwei Etagen einer noch nicht ganz fertigen Tiefgarage kamen über 3000 Menschen.
Contemporary Istanbul, bis 16. 11., www.contemporaryistanbul.com
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