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Old school. Emily Blunt ist die Titelheldin im Disney-Remake
© Jay Maidment/Disney

„Mary Poppins’ Rückkehr“ im Kino: Das zauberhafte Kindermädchen ist wieder da

Seelenfutter für die Babyboomer: „Mary Poppins’ Rückkehr“ mit Emily Blunt in der Hauptrolle ist eine stilsichere Hommage.

Es ist, als sei die Zeit stehen geblieben. Krawumms! Wieder wackeln in der Cherry Tree Lane 17 in London die Wände, wenn der alte Admiral die Nachbarschaft mit dem täglichen Donnerschlag aus seiner auf dem Dach installierten Kanone aufschreckt. Huiiih! Wieder tanzen die Blätter in ahnungsvollem Wirbel, als das Kindermädchen am Schirm vom Himmel herunterschwebt. Prompt regt sich im musikalischen Gedächtnis der Ohrwurm „Chim chiminey, chim chiminey, chim chim cheroo“.

Doch halt, dies ist nicht London vor dem Ersten Weltkrieg, sondern vor dem Zweiten. Und die Geschwister Michael und Jane Banks sind keine Kinder mehr, sondern ein Witwer und eine Streiterin für Arbeiterrechte, gebeutelt von der Großen Depression. Viel Zeit ist verflossen, seit Mary Poppins in Robert Stevens’ beschwingtem Technicolor-Traum den Alltag der von ihrer Suffragetten-Mutter und dem Banker-Vater genervten Kinder mit Gesang, Tanz und Magie versüßte.

Nun macht das Rob Marshalls Disney-Musical „Mary Poppins’ Rückkehr“ genau da weiter, wo Julie Andrews als Nanny und Dick van Dyke als ihr Schornsteinfeger-Freund Bert 1964 aufhörten. Nur dass der mit dem Oscar für den besten Song prämierte Walzer diesmal weniger Hitpotenzial aufweist und „Underneath the lovely London sky“ heißt. Und der Laternenanzünder Jack (Lin-Manuel Miranda) nun als bester Freund von Mary Poppins firmiert.

Mischung aus Strenge, Eitelkeit und britischer Blasiertheit

Zusammen mit den drei Kindern von Michael Banks, den Ben Wishaw mit trauerumflorten Blick und ebensolcher Singstimme spielt, erleben sie zauberische Abenteuer. Das abendliche Kinderbad gerät mittels Animation zur Tiefseetaucherei, und in einer hinreißenden Zeichentricksequenz verlebendigt sich erst das Dekor eines Porzellantopfs, um schließlich weitere Welten im Topf zu offenbaren, inklusive einer wilden Kutschen-Verfolgungsjagd zwischen Menschen und Zeichentrick-Wölfen.

Ansonsten ist die diesmal von Emily Blunt in einer bezwingenden Mischung aus Strenge, Eitelkeit und britischer Blasiertheit gespielte Mary Poppins eine in jeder Hinsicht stilsichere Hommage – an die Fantasy-Geschichten der australischen Schriftstellerin P. L. Travers, an Technicolor-Filmmusicals und die hauseigene Ästhetik. Der Oldschool-Zeichentrick, die gebauten Kulissen, die detailverliebten Kostüme, die gemalten Bildhintergründe, der tänzelnde, illustrative, alle Musikstile zitierende Score – das hätte es so auch in den sechziger und fünfziger Jahren geben können. Ohne die heutigen digitalen Finessen nur viel weniger perfekt.

Wie es sich für einen zum Weihnachtsfest startenden Familienfilm gehört, badet „Mary Poppins’ Rückkehr“ nur so in Sentiment und Nostalgie. Und obwohl man das Sequel eigentlich nur versteht, wenn man den ersten Film kennt, was sich vor allem im englischsprachigen Raum von selbst versteht, wo der Film wegen der ewigen TV-Wiederholungen zum Kulturerbe zählt, kann man ihre „Rückkehr“ nur rundum reizend gemacht finden.

Genau das ist aber auch das Problem. Bei seinem letzten Kinomärchen „Into the Woods“ hatte Regisseur und Choreograf Rob Marshall 2015 ein ironisches Augenzwinkern in die Verfilmung des gleichnamigen Broadway-Musicals eingebaut. Mary Poppins lässt er nun eins zu eins aus dem unschuldigen Geist entstehen, mit dem er sie selbst in seligen Kindertagen erstmals im Kino gesehen hat. Die Londoner Bankmanager sind im Original sogar differenzierter dargestellt als im Sequel, in dem Colin Firth den hundsgemeinen Direktor mimt. Und Meryl Streeps Gastspiel als Mary Poppins’ Kusine Topsy, deren Atelier sich regelmäßig rumpelnd auf den Kopf dreht, fällt weniger schräg aus als ihr Vorgänger, der schwebende Homunkulus Onkel Albert.

Was ist die Zielgruppe dieses Films?

Marshall, der 2002 eine knackige Kinoadaption von „Chicago“ inszenierte, ist Jahrgang 1960. Ein Alter, das er mit vielen Kinogängerinnen und -gängern teilt. Und so fällt einem beim Grübeln darüber, für welche Zielgruppe diese bruchlose, inhaltlich kein bisschen modernisierte Packung alten Disney-Glanzes wohl bestimmt sein soll, nur eines ein: Die Rückkehr des auch in den „Zauberhafte Nanny“-Filmen mit Emma Thompson variierten Kinderzimmerstoffs ist Seelenfutter für die Generation der Babyboomer.

Genauso wie die beiden Winnie-thePooh-Filme in diesem Jahr. Und womöglich auch wie das von Tim Burton (Jahrgang 1958) gestaltete Realfilm-Remake von Disneys Elefantiade „Dumbo“, das im März 2019 herauskommen soll. Für (größere) Kinder von heute sind sowohl der Zeichenstrich als auch die hübschen Songs einfach zu uncool. Die kleinen Kinder aber können Mary Poppins nun zusammen mit ihren Eltern oder eher schon Großeltern lieben lernen. Ihr so gar nicht feenhaftes Weiblichkeitsmuster einer alleinstehenden, unabhängigen, kein bisschen devoten, ziemlich autoritären und trotzdem kinderlieben Domestikin ist schließlich immer noch revolutionär.

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