Kunstmarkt: Knallhart und kalkuliert: Das schlechte Geschäft mit Andy Warhol
Sobald sich Kunst zu Geld machen lässt, sitzen die Werke locker. Auch oder vor allem in Deutschland. Die jüngste Andy-Warhol-Rekord-Auktion ist das beste Beispiel dafür. Warum die Versteigerung trotzdem kein gutes Geschäft ist.
Der Finanzminister von NRW kennt sich aus. Norbert Walter-Borjans hat „Triple Elvis“ und „Four Marlons“ von Andy Warhol seelenruhig ziehen lassen, obwohl die Proteste unüberhörbar waren. Doch der Kunstmarkt übt eine magische Wirkung aus. Seine Renditen sind mitunter so aberwitzig, dass immer noch mehr sogenannte Sammler ihr Geld lieber in Bildern statt in Aktien parken.
Wer Geld braucht, den müssen Margen von bis zu 800 Prozent elektrisieren. Deshalb hat auch die klamme Spielbank ihre (einst aus Steuermitteln erworbenen) Spitzenwerke in den Auktionsmarkt eingespeist. Ihr Einsatz, zusammen knapp 390 000 Euro in den siebziger Jahren, schien gering, der Gewinn mit rund 120 Millionen Euro (151 Millionen Dollar) atemberaubend. Kein Besucher des hauseigenen Casinos, in dem die Bilder bis vor fünf Jahren ungeschützt hingen, hätte jemals so eine Gewinnchance gehabt. Vor allem aber ist kein Spieler derart abgesichert wie der Einlieferer aus Aachen: Er hatte Christie’s nämlich eine Garantie abgerungen
80 Millionen Dollar, so viel soll das Auktionshaus für den Fall versprochen haben, dass in New York niemand bietet. Eine Garantie, wie sie während einer Hausse am Kunstmarkt immer wieder gegeben wird. Nützlich, wenn sich Christie’s und Sotheby’s eine Schlacht um die größten Namen liefern – und den Kunstbesitzern deshalb feste Zusagen machen: Wenn Käufer ausbleiben, weil beispielsweise der Einlieferer zuviel erwartet, springt das Auktionshaus mit eigenem Geld ein. Und stellt das erworbene Werk bis zum nächsten Mal in den Keller. Ein Risiko, das Kapital bindet. Das man sich aber auch belohnen lässt: Sobald ein Gebot die Garantie übertrifft, teilen sich Einlieferer und Auktionshaus für gewöhnlich die Summe. Christie’s hätte somit in New York neben dem Aufgeld en passant noch einmal 35 Millionen Dollar eingenommen.
Andy Warhol ist eine verlässliche Auktions-Größe. Weshalb Christie's Garantie?
Ein Deal, der ratlos macht. 2013 wurde Warhols „Silver Car Crash (Double Disaster)“ für 105 Millionen Dollar versteigert. Diesen Rekord hat danach zwar kein Los des Künstlers mehr knacken können. Dafür sind Werke von Warhol eine verlässliche Größe und kratzen bei jeder Auktion erneut am Spitzenpreis vom vergangenen Jahr. Weshalb also eine Garantie? Es drängt sich der Verdacht auf, dass Spielbank und Auktionshaus nach unterschiedlichen Regeln agieren.
Den Kürzeren hat dabei die Landesregierung als Einlieferer gezogen, weil sie nicht nur auf eine stattliche Summe verzichten muss. Sondern auch einen Prozess in Gang gesetzt hat, dessen Wirkung noch gar nicht abzusehen ist. Schon jetzt gilt Deutschland als Quelle für Kunstschätze, die sich relativ leicht ausführen und anschließend zu Geld machen lassen. Der Export der Warhols verstärkt diesen Eindruck: Sobald sich Kunst zu Geld machen lässt, sitzen die Werke hierzulande locker. Das war 2006 so, als die WestLB ein Gemälde von Max Beckmann verkaufte, das später auf der Tefaf in Maastricht im Angebot war. Und es könnte bald wieder geschehen, wenn die Bremer Spielbank zwei Gemälde von Paula Modersohn-Becker aus dem der Malerin gewidmeten Museum abzieht, das sie seit drei Jahrzehnten als Dauerleihgabe zeigt.
Der Kunstmarkt ist kalkulierend und knallhart
Gut geparkt, könnte man meinen. Dank der Institution war das Werk sicher aufgehoben, klimatisiert und nobilitiert. Der Kunstmarkt wird es honorieren, so das Kalkül. Dabei vergisst man augenscheinlich, wie kalkulierend und knallhart der Markt selbst ist. Nur was international begehrt wird, erzielt Spitzenpreise. Alles andere fällt unter den Tisch und landet als Los höchstens in der zweiten Reihe. Wenn sich Auktionshäuser und Kunsthändler nun also um bestimmte Werke reißen, dann handelt es sich garantiert um Arbeiten von höchster Qualität, die alle haben wollen. Weil sie Jahrzehnte lang nicht auf dem Markt waren und mit jedem nächsten Verkauf noch ein bisschen mehr Gewinn versprechen.
Wer da mitspielt, um Finanzlöcher zu stopfen, der betreibt einen unwiederbringlichen Ausverkauf. Nichts davon werden deutsche Museen mit ihren kümmerlichen Ankaufsetats je wieder erwerben können. Und damit nicht genug: Im Fall der Warhols sieht es so aus, als hätten Spielbank und damit auch Norbert Walter-Borjans am Ende ein schlechtes Geschäft gemacht.
Christiane Meixner
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