Entertainment in Corona-Zeiten: Das kann ja heiter werden
Maskierte Akrobaten und Dinnertische ohne Essen? Wie sich private Berliner Showbühnen den Spielbetrieb ab August vorstellen.
Masken auf der Bühne? Das geht laut Holger Klotzbach gar nicht. „Wenn Theater nichts mehr mit Theater zu hat, lasse ich lieber zu.“ Der Impresario der Showzelte Bar jeder Vernunft und Tipi am Kanzleramt ist als Alt-Anarcho ein Freund klarer Worte. „Ich will die Künstler schwitzen sehen und vorne an der Bühne muss auch mal eine Schweißperle ins Prosecco-Glas fallen dürfen.“
Dass sich das mit den zukünftigen Hygieneregeln für die einstweilen bis 31. Juli geschlossenen Berliner Bühnen schwerlich vereinbaren lässt, ist ihm klar. Gewiss sei man bereit, alle nötigen Auflagen zu erfüllen, und mache sich Gedanken über reduzierte Sitzplätze, Leitsysteme zu Tischen und Toiletten. Doch bei Um-Inszenierungen, beispielsweise des Musicals „Cabaret“, das im August im Tipi läuft, sei die Grenze erreicht. „Die setzt auch das Urheberrecht.“
Vor Corona galt Enge im Saal als atmosphärisch
Private Show- und Kleinkunstbühnen wie Bar, Tipi, Chamäleon, Wintergarten, BKA-Theater und Quatsch Comedy Club haben mit ihrer in Vor-Corona-Zeiten als atmosphärisch empfundenen Enge aus Dinnertischen, winzigen Backstagebereichen und wuseligen Foyers nach der Wiederaufnahme des Spielbetriebs noch komplexere Schwierigkeiten zu meistern als große staatliche Häuser. Von der künstlerischen Unmöglichkeit, eine Varieté-, Zirkus- oder Musicalshow ohne nahen Kontakt zu spielen, ganz zu schweigen.
Klotzbach, der das Kurzarbeitergeld für 110 seiner Mitarbeiter nach einem guten Wintergeschäft derzeit noch aus Eigenmitteln aufstocken kann, will am kommenden Montag Mittel aus dem „Soforthilfeprogramm IV“ der Senatskulturverwaltung beantragen. Es verheißt bis zu 25.000 Euro für relevante Kultureinrichtungen, in Einzelfällen auch mehr.
Im Mai müssen die Bühnen erfahren, ob der 1. August steht
Die Unterstützung wäre für eine Bühne wie das auf Neuen Zirkus abonnierte Chamäleon Theater in den Hackeschen Höfen, das laut Geschäftsführer Hendrik Frobel bis zum Jahresende rund 750 000 Euro Miese kompensieren muss, ein Tropfen auf den heißen Stein. Und gerade deswegen überlebenswichtig.
Zwei bis drei Monate Vermarktungsvorlauf seien nötig, um den Vorverkauf zum 1. August zu starten. Deswegen warte man noch im Mai auf ein verbindliches Wiedereröffnungssignal der Kulturverwaltung. Anders als die staatlichen Bühnen, die im August Theaterferien machen, spielen die privaten ja auch im Sommer. Sonst häufig für Touristen, die diesmal fehlen, doch kommen genug Berliner? Eine weitere Planungsunsicherheit, mit der das oft von auswärtigen Gästen angesteuerte Chamäleon rechnen muss.
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Die Abstandsregeln vor, hinter und auf der Bühne treiben dem Leitungsteam bei aller Vorfreude auf die Wiedereröffnung Sorgenfalten auf die Stirn. „Mit 1,50 Meter Mindestabstand geht nicht mal Bälle werfen“, sagt Anke Politz, die Künstlerische Leiterin. Finanzmann Frobel rechnet vor, was die Auflage für den Saal bedeuten würde. „Wir könnten 70 bis 80 Personen unterbringen statt der üblichen 270.“
Kostendeckend sieht anders aus. Also hofft Frobel auf österreichische Regeln. Ein Meter Abstand, wie dort jetzt vorgeschrieben, bedeute eine Riesenunterschied: „Dann sind wir wieder bei 200 Plätzen.“
Eine Maskenpflicht auf der Bühne, die zudem die Mimik der Artisten versteckt, nennt er einen „faulen Kompromiss“. Hygienisch sinnvoller für das Publikum sei es, die erste Tischreihe aus dem Saal zu räumen, um einen Sicherheitsabstand herzustellen. Zumal die Ensembles des Chamäleon sowieso in WGs zusammenleben und damit eine eigene kontaktreduzierte Quarantänegruppe bilden könnten.
Die Gastronomie ist eine wichtige Einnahmequelle
Genauso wie Bar und Tipi würde auch das Chamäleon Theater gern beim kommenden Hygienekatalog von Kulturverwaltung und Gesundheitsämtern mitreden. Im Gegensatz zu den Zelten, wo – allein der Gala-Vermietungen wegen, die den Theaterbetrieb querfinanzieren – die Gastronomie zwingend dazugehört, kann man sich in den Hackeschen Höfen in der wohl bis weit ins Jahr 2021 hineinreichenden Corona-Zeit vorstellen, aufs Catering zu verzichten. Die Haupterlöse erzielen die Kartenverkäufe.
Ein Aussetzen der Gastronomie kann sich Kollege Georg Strecker vom Wintergarten Varieté nur als Notlösung denken. In dem Bereich seiner in Kurzarbeit befindlichen Belegschaft sind allein 30 Mitarbeiter beschäftigt. Auch im Wintergarten liegt der Ticketvorverkauf derzeit auf Eis, weil man unsicher ist, ob das Wiedereröffnungsdatum 1. August steht. Ein Theater könne man nicht einfach aufsperren und am nächsten Tag sei es voll, sagt er.
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„Deswegen brauchen wir ein Zieldatum von der Politik.“ Am 2. August soll die Zwanziger-Jahre-Revue „Golden Years“ im Wintergarten starten. Sie würde in Sachen Distanz unter Akrobaten sogar funktionieren, glaubt Strecker. „Bei zwei Acts müsste man Masken tragen, aber das könnte man ja humoristisch verarbeiten.“
Schwieriger wird es im knappen Backstagebereich. Dass dort der Mindestabstand nicht immer gewährleistet sei, könnte ein Zugeständnis der Politik sein. „Da dürfen uns Privattheatern keine strengeren Auflagen gemacht werden als der BVG“, sagt Strecker.
Bei halbleeren Sälen reduziert sich die Gage der Künstler
Amüsierbetriebe unter Corona-Bedingungen. So richtig können sich die Betreiber das noch nicht vorstellen. Bis zum Impfstoff zusperren will jedoch keiner. „Wir sind zu allen Schandtaten bereit“, sagt Uwe Berger, Chef des BKA-Theaters, und betont die Verantwortung gegenüber dem Publikum. „Keiner will, dass sich bei ihm die Leute anstecken.“
Das BKA hat vor acht Wochen Knall auf Fall den Treck der Live-Darbietungen ins Internet angeführt und stemmt seither ein staunenswert reges Streamingangebot – von René Marik über Bodo Wartke bis Edith Schröder. Zwar weiß Berger – ebenso wie die anderen Häuser – nicht, ob das BKA einen Zuschlag für die neue Corona-Hilfe bekommt. Trotzdem verströmt er Zweckoptimismus. Den müssen dann allerdings auch die Künstler aufbringen, die prozentual an den Einnahmen beteiligt sind. Sprich, wenn statt 240 nur 50 Leute in den Saal dürfen, reduziert sich deren Gage dramatisch.
Wie wäre es mit einer Sitzplatz-Subvention?
Letztlich liefe es auf eine Grundsatzfrage hinaus, sagt Berger. Die nämlich, ob Berlin und vielleicht auch der Bund bereit seien, die unrentable Bespielung der Privatbühnen, die so viel zum Image der Kulturstadt beitragen, zu bezuschussen. Etwa in Form einer Corona-Sitzplatz-Subvention. Ein Vorschlag, den er schon Monika Grütters und Klaus Lederer unterbreitet hat.
Thomas Hermanns’ Quatsch Comedy Club geht einen Schritt weiter. Statt zu bitten, wollen die Komiker danken. Natürlich den Corona-Alltagsheldinnen. Einige Tausend Kassiererinnen, Pfleger und Medizinerinnen dürfen per Geschenkgutschein die Show im Souterrain des Friedrichstadt-Palastes besuchen. Im September „wenn es die Situation erlaubt“. Der Slogan der Aktion lautet: All you need is laugh.
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