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Die Bar jeder Vernunft hofft, dass ihr das Publikum auch über die Coronakrise hinaus treu bleibt.
© XAMAX

Kabarettisten und Artisten in der Coronakrise: Weiterlachen, und wenn’s per Livestream ist

Wie die privaten Berliner Kleinkunst- und Showbühnen mit der zeitweiligen Schließung klarkommen.

Gelassene Zuversicht, Durchhaltewillen, existenzielle Panik – bei den privaten Berliner Kleinkunst- und Showbühnen ruft die flächendeckende Schließung bis zum 19. April alles an Reaktionen hervor. So sie sich denn überhaupt sprechen lassen. Angesichts der in dieser Woche erst so richtig greifenden Konsequenzen rauchen vom kleinen BKA-Theater bis zum großen Wintergarten in den Theaterleitungen gewaltig die Köpfe. Die Belange von Künstlern, Publikum, Mitarbeitern hätten derzeit leider Vorrang, lassen sich Theaterchefs entschuldigen.

Ihre Sorgen sind erheblich: Was geschieht mit den Angestellten? Wie lässt sich durch Verlegen, Verschieben und Solidaritätsappelle an das Publikum verhindern, dass massenhaft Tickets erstattet werden müssen? In kleinen Häusern, die oft genug von der Hand in den Mund leben und keine nennenswerten Rücklagen zum einnahmenlosen Überwintern, aber dafür reichlich fortlaufende Kosten haben?

Auch die Wühlmäuse mussten sich fügen

Trotziges Beharren aufs Weiterspielen hilft jedenfalls nicht, wie am Wochenende aufgrund politischen Drucks auch die letzten privaten Bühnen eingesehen haben. Das Kabaretttheater Die Wühlmäuse hatte sich Ende vergangener Woche noch widerständig gezeigt. Auch auf Wunsch der in dem Gastspielhaus auftretenden Künstler, wie es hieß. Prompt ernteten die Wühlmäuse einen Shitstorm. Nun sind sie seit Montag auch am Theodor-Heuss-Platz nur noch mit dem Verlegen von Gastspielen beschäftigt.

So wie im Quatsch Comedy Club, den Intendant Thomas Hermanns frei nach dem Motto „Lachen ist die beste Medizin“ Ende vergangener Woche noch offenhielt. Nun will der im Untergeschoss des Friedrichstadt-Palastes gelegene Club den Gürtel wirtschaftlich enger schnallen. Betriebsbedingte Kündigungen schließe er aus, teilt Thomas Hermanns mit. Er plane, staatliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, und freue sich auf die zugesagte schnelle und unbürokratische Hilfe und Solidarität der Politik mit der Kultur.

Touristengruppen sagen für Oktober ab

Das unterschreibt auch Hendrik Frobel, Geschäftsführer des Chamäleon Theaters in den Hackeschen Höfen. Frobel ist einer, der bei jeder Premierenansprache durch ein sonniges Gemüt auffällt. Zwischen den Gesprächen, die er seit Montag mit Mitarbeitern, Künstlern und dem um Mietzahlungsstundung gebetenen Vermieter führt, wird er am Telefon ungewohnt ernst: „Wir haben kein Rücklagenpolster, hatten bereits vor der Schließung einen deutlichen Buchungsrückgang von Gruppen zu verzeichnen und erwarten bis zum 19. April Umsatzeinbußen von mehr als 500 000 Euro.“ Und selbst wenn danach weitergespielt werden kann, gehen in der Bühne für Neuen Zirkus und Varieté, deren Premiere „Le Coup“ gerade ins Wasser fiel, die Einbußen weiter. Besucher überregionaler Schulklassen oder ausländische Touristengruppen sagten bereits für September und Oktober ab. „Wir brauchen sofort Geld“, sagt Frobel und ist deswegen bereits bei der Kultur- und Wirtschaftsverwaltung vorstellig geworden. Gut 60 Köpfe beschäftigt sein Haus.

Auch die privaten Spiegelzelte Bar jeder Vernunft und Tipi am Kanzleramt haben sich bereits hilfesuchend an die Kulturverwaltung gewandt, sagt Pressesprecherin Sabine Wenger. Vom Direktor bis zur 450-Euro-Kraft stehen dort rund 150 Leute auf der Lohnliste. Sie sollen durch Kurzarbeitsregelungen und interne Gehaltsabstriche so lange wie möglich gehalten werden. Ausfallhonorare für Künstler zahlen Bar und Tipi keine. Die behördliche Schließungsanordnung gelte als höhere Gewalt. Und in der Kleinkunst werden Gagen sowieso meist in Form einer prozentualen Aufteilung der Einnahmen gezahlt.

Hoffen auf die Solidarität des Publikums

Ohne Eintrittsgelder gehen Veranstalter wie Künstlerinnen gleichermaßen leer aus. Weswegen seit letzter Woche sowohl Bühnen wie auch Künstler dazu auffordern, Tickets aus Solidarität nicht zurückzugeben. Zumal der Vorverkauf für die Nach-Corona-Wochen nur gebremst verläuft. Die Proben für die vom 9. April auf ein noch nicht feststehendes Datum verschobene Premiere der Frankie-Valli-Show „Oh, what a night!“ gehen trotzdem weiter, „soweit unter den Präventivmaßnahmen verantwortbar“.

Relative Gelassenheit strahlen das Kulturzentrum Ufa-Fabrik und das Mehringhoftheater aus. Bei Ersterer werden zumindest die Betriebskosten durch eine Freie-Szene-Förderung der Senatskulturverwaltung unterstützt. Das sichert einen reduzierten Personalstab. Folglich sei die Lage nicht ganz so dramatisch wie bei den hundertprozentigen Privatbühnen, sagt Geschäftsführer Frido Hinde. „Wir suchen mit allen Künstlern nach Ersatzterminen.“

Senatsförderung nur für wenige Häuser

„Zum Glück haben wir die Horst-Evers-Shows noch geschafft, das ist schon mal die halbe Miete“, freut sich Christian Luschtinetz, der mit Andreas Wahl das Kreuzberger Mehringhoftheater betreibt. Außer den Inhabern gibt es noch zwei Festangestellte. „Und die bleiben, egal wie lang das dauert.“ Die Absage des Improfestivals diese Woche sei zwar bitter, aber die auch hier durchgeführten Terminverschiebungen mit Stammkünstlern wie Marc-Uwe Kling funktionieren. „Das sind ja alles unsere Freunde.“

Auch hier gibt es Umsatzbeteiligungen als Gage. „So verdienen bekannte Kleinkünstler mehr als beispielsweise Schauspieler und schaffen ihr privates Polster.“ Im um die Ecke gelegenen BKA-Theater weiten sie derweil digital die Möglichkeiten zum Weiterlachen aus. Die hauseigene Neue-Musik-Reihe „Unerhörte Musik“ lief Montagabend als Livestream. Und an diesem Mittwoch um 20.30 Uhr ist Comedian Stefan Danziger ebenfalls im Stream aus dem „BKA Theater Hauptstadtstudio“ zu sehen. Das Motto in Sachen Entertainment ist klar: „The show will go on.“

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