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Schwejks Silhouette vor einer Prager Kneipe.
© Wikepedia

Hundert Jahre Erster Weltkrieg: Das Draufloslabern war seine Rettung

Der brave Soldat Schwejk überlebte bauernschlau den Ersten Weltkrieg. Vor hundert Jahren war er im "Kelch" verabredet, seiner Prager Stammkneipe.

Wahrscheinlich ist es die berühmteste Verabredung der Weltliteratur. „Wenn der Krieg vorbei sein wird, so komm mich besuchen. Du findest mich jeden Abend ab sechs Uhr im Kelch!“, ruft der brave Soldat Schwejk seinem Freund, dem alten Sappeur Woditschka zu, als sie sich 1915 irgendwo in Ungarn, im Hinterland der Front trennen. Der Kelch, das ist Schwejks Stammlokal in der Prager Altstadt, das auf Tschechisch „U Kalicha“ heißt und für sein Smichower Starkbier bekannt ist. Es existiert immer noch und hat sich inzwischen laut seiner Website von der ordinären k.u.k. Eckkneipe zur „gastronomische Oase, gar einem „Treffpunkt der Feinschmecker“ entwickelt. Heute Abend kurz nach sechs sollte man dort, Na Bojišti 12-14, unbedingt mindestens einen Humpen trinken, auf Schwejk, seinen Schöpfer Jaroslav Hašek und den Frieden. Denn in Wien, Prag und Budapest endete der Erste Weltkrieg bereits am 3. November 1918, neun Tage früher als in Berlin.

Vom Hundefänger zum Putzfleck

Vierzig Millionen Menschen starben in dem bis dahin fürchterlichsten aller Kriege, aber Josef Schwejk, im Zivilberuf Hundefänger und in Uniform nie über den Rang eines „Putzflecks“, Offiziersdieners, hinausgekommen, überlebte. Was er schon geahnt haben muss, als der Schlamassel begann, denn sonst hätte er ja nicht wissen können, dass er nachher wieder dort sitzen würde, wo er vorher schon immer saß, nämlich im Kelch.

Jaroslav Hašek
Jaroslav Hašek
© Ярослав Гашек/Wikipedia

Schwejks gusseiserner Optimismus wird nur noch von einer Schlauheit übertroffen, die von Dummheit kaum zu unterscheiden ist. „Melde gehorsamst“, so beginnen seine Einlassungen gegenüber Vorgesetzten, die sich in endlosen Anekdoten verlieren und jeden Offizier in den Wahnsinn treiben. Schwejk kann sich buchstäblich immer wieder herausreden, statt in der Schlacht landet er im Militärgefängnis, im Irrenhaus oder in der Strafkompanie. Er ist ein Seelenverwandter von Herman Melvilles Verweigerungskünstler Bartleby („Ich möchte lieber nicht“), nur dass Schwejk anders als der Schreiber nicht schmollt, sondern schwadroniert. Wenn Schüsse fallen, sollte man sich wegducken, das hat er von seinem Erfinder Hašek gelernt, der sich 1915 ohne Gegenwehr von den Russen gefangen nehmen ließ.

Schwadronierender Verweigerungskünstler

Was ist Krieg? Eine Veranstaltung, erzählt Schwejk, in der sich „Leute gegenseitig erschießen und erschlagen, die sich überhaupt nicht kennen“, und zwar auf Befehl von Kaisern, Präsidenten, Diplomaten und Generälen, „die sich alle sehr gut kennen und gar nicht daran denken, aufeinander zu schießen oder sich ermorden zu wollen“. Immer wieder lassen sich die Völker aufeinander hetzen, am Ende haben sie nichts davon, außer Witwen, Waisen, Hunger und Elend. Das gilt auch hundert Jahre später noch. Was hilft? Ein Prosit auf den Pazifismus!

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