Kultur: "Schwejk it easy": Der brave Soldat als Held der Spaßgesellschaft
Josef Schwejk, der tschechische Säufer, Hundehändler und Lebenskünstler, ist ein braver Mann. Er befolgt die Befehle der Vorgesetzten, er fügt sich der öffentlichen Ordnung, Eigennutz kennt er nicht und auch sonst tut er alles, um nicht sonderlich aufzufallen.
Josef Schwejk, der tschechische Säufer, Hundehändler und Lebenskünstler, ist ein braver Mann. Er befolgt die Befehle der Vorgesetzten, er fügt sich der öffentlichen Ordnung, Eigennutz kennt er nicht und auch sonst tut er alles, um nicht sonderlich aufzufallen. Dass wir ihn als durchtriebenen Querulanten kennen, liegt daran, dass er es manchmal zu gut meint. Dann verführt ihn sein lockeres Mundwerk und er sagt Sätze, die er für selbstverständliche hält - alle anderen aber nicht auszusprechen wagen. Schwejk ist auch einer, der sich nicht mehr auskennt in diesem Irrenhaus von Welt. Wie ein Odysseus der Neuzeit zieht er es vor, sich den Zumutungen des Obrigkeitsstaats durch listige Vernunft zu entziehen. Ein "Niemand", der seine Haut retten will.
Zurück zum Entwurzeln
Leider weiß Elmar Ottenthal, Intendant des Theaters des Westens, mit Jaroslav Haseks Roman vom "braven Soldaten Schwejk" wenig anzufangen. "Schwejk it easy", lautet die von Konstantin Wecker komponierte Nummern-Revue, die am Sonnabend unter großem Puiblikumsandrang in Berlin seine Uraufführung erlebte. Sie setzt nach "Falco meets Amadeus" die Auseinandersetzung Ottenthals mit dem österreichischen Erbe fort - mit ähnlich unbefriedigendem Ergebnis. Denn unter der Regie des gebürtigen Insbruckers, der sich kürzlich erst von Rechtspopulist Jörg Haider in Kärnten als Retter des Musicals feiern ließ, verkommt der Stoff zu einer schwülstig-pubertären Freak-Show. Von Peter Fröhlich als Schwejk sieht man kaum mehr, als unbeholfene Verlegenheitsgesten, während er von einer bunt-hektischen Tänzertruppe durch diverse Zivilisationsepochen gejagt wird.
Schwejks Abenteuer, die zunächst in Form von Groschenromanen erschienen, zählen zur meistübersetzten tschechischen Literatur. Viele Überarbeitungen hat der Stoff seither erfahren: Brecht machte den K. u. K.-Soldaten zum Gegenspieler Hitlers. Am Theater des Westens wird Schwejk seiner historischen Wurzeln vollends enthoben, zum Universal-Anarchisten gemacht und auf eine Zeitreise geschickt.
Sie nimmt in der Prager Kneipe "Zum Kelch" ihren Anfang, springt ins Jahr des Fenstersturzes 1618 zurück und setzt sich über den "Prager Frühling" bis in die Gegenwart fort - eine unzusammenhängende Szenenfolge, die mal den Finanzkapitalismus, mal den Kommunismus geißelt. Das von Studenten der Technischen Universität erdachte Bühnenbild, eine entfernt an expressionistische Filmkulissen erinnernde, schiefe Winkelkonstruktion, gibt diesem Parforce-Ritt die nötige Abstrusität. Am Ende kulminiert das Schwejk-Prinzip in der Formel: "The Show must go on."
Keine Ahnung, was das noch mit einer Figur zu tun haben soll, die neben Don Quijote zu den großen Verweigerern des Stumpfsinns zählt. In seiner schwarzen, mit Spiegelaufsätzen verzierten Uniform-Attrappe ist Schwejk nur noch ein lächerliches Abbild der Spaßgesellschaft, ein Narr und moralisierender Geschichten-Onkel, dessen simpel-gewitzte Pionten ins Leere laufen.
Für Konstantin Wecker hätte das Thema des ewigen Außenseiters wie gemacht sein können. Warum der Liedermacher und gefeierte "Jim Knopf"-Komponist der Aufgabe in diesem Fall nicht gewachsen war, wird wohl sein Geheimnis bleiben.
Stilblüten zu Refrainzeilen!
Die Songs jedenfalls wechseln zwischen romantischer Ballade und Disco-Stomper, ohne dass Weckers charakteristische Handschrift erkennbar wäre. Die von Peter Blaikner und Michael Korth geschriebenen Liedtexte, die über weite Strecken akustisch gar nicht zu verstehen sind, darf man getrost als Beleidigung empfinden: "Schwejk and I, we are the same", ist nur eine von zahllosen Stilblüten, die hier die Weihen des Refrains erhalten - und darüberhinaus vollkommen an der Sache vorbei gehen.
Was die missglückte Inszenierung so besonders ärgerlich macht, ist nicht die stümperhafte Lichtregie und auch nicht die auf Landestheater-Niveau sich bewegenden Tanzeinlagen. Sondern die Tendenz, die einzige staatlich subventionierte Musical-Bühne in Berlin zu einem zweiten Revue-Theater zu machen.
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