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Aufbruch nach Indiana. James Dean (Dane DeHaan) nimmt den Fotografen Dennis Stock (Robert Pattinson) im Winter 1954 auf eine Reise mit.
© Square One/Universum Film

Im Kino: "Life" von Anton Corbijn: Das Bild, mit dem James Dean zu James Dean wurde

Anton Corbijns stiller Film „Life“ über die Legende James Dean – und den von Robert Pattinson gespielten Fotografen Dennis Stock, der den Star zum Posterboy machte.

Es ist noch gar nicht so lange her, da kauften die Menschen massenhaft Filme – und damit war nicht gemeint, dass sie ihre DVD-Sammlung vergrößerten oder dass sie via Streamingdienst-Abo Zugang zu riesigen Datenbanken voller Bewegtbildmaterial erlangten. Ihre Filme hatten zwar 24 Bilder oder auch 36, aber nicht pro Sekunde, sondern für die private Ewigkeit. Standbilder waren sie, eine Kollektion von Einzelstücken, fixiert auf Kleinbildfilmen mit Lochstreifen, die in veritable Kameras eingelegt wurden. So war jeder Fotoknipser, der lexikalischen Mehrdeutigkeit sei Dank, auch ein Filme-Macher.

Auch umgekehrt spielt die Sprache mit der Nähe zwischen dem bewegten Bild und seinem historischen Vorgänger, der Fotografie. Noch immer heißt es im Fachjargon, Kameraleute „fotografieren“ Spiel- oder Dokumentarfilme; was ähnlich fein tönt wie jene Vokabel für Schauspieler, die am Theater nicht etwa proben, sondern „probieren“. Ein schönes linguistisches Überbleibsel wohl: Wer eine Kamera gleich welcher Art mit tatsächlich filmischem Blick bedient, sieht zuerst den Rahmen – und gestaltet darin seine Komposition. Ob aus dem Gesehenen ein Einzelbild oder eine bewegte Szene entsteht: erst mal nebensächlich.

Der Niederländer Anton Corbijn, Jahrgang 1955, ist in beiden Welten zu Hause. Er hat fotografiert (und tut dies noch heute, analog), er hat Dutzende Musikvideos gedreht, Und seit einigen Jahren wechselt er, so unauffällig wie nachdrücklich, immer wieder in die Rolle des Filmregisseurs. In „Control“ (2007) verfilmte er, in betörendem Schwarz-Weiß, das unglückliche Leben des Joy-Division-Sängers Ian Curtis, In „The American“ (2010) gab George Clooney den ausstiegsbedürftigen Auftragskiller in Italien, und Philip Seymour Hoffman glänzte, als einzelgängerischer Chef einer Antiterror-Einheit, in „A Most Wanted Man“ (2014) in einer seiner letzten Rollen.

Robert Pattinson spielt den Fotografen Dennis Stock

Eher stille Filme waren das, nicht zuletzt aus der berufsbedingten Lust des Fotografen am Festhalten der Zeit geboren, aber auch – kein Wunder bei den prominenten Stars – ordentliche Kinoerfolge: So anders also, staunte das Publikum, kann man die Ikonen der Gegenwart auch inszenieren! Da lag es nahe, mit James Dean zu einer unvergänglichen Ikone der Vergangenheit zurückzukehren. Und das doppelt radikal reduziert: Keinerlei Rolle etwa spielt das dramatische Ende des 24-jährigen „Live fast“-Schauspielers mit dem fatalen Crash auf dem kalifornischen Highway 466, das sich noch dazu im fiktionalen Tod nach dem Autorennen in „Rebel Without a Cause“ widerspiegelt. Und überhaupt geht es weniger um James Dean als um den Jetset-Fotografen Dennis Stock, der für die Zeitschrift „Life“ jene Bilder schoss, die den eigentlichen Nachruhm des Rebellen begründeten – bis hin zum Promi-Endlagerungszustand als Postcard- und Posterboy.

Robert Pattinson spielt den jungen, ehrgeizigen Freelancer, der auf Partys und Premierenteppichen herumlungert, immer auf der Suche nach dem schnell verkäuflichen Bild. Es ist der Winter 1954/55 – Elia Kazans „East of Eden“, der Deans Durchbruch als Moviestar besiegeln wird, ist bereits abgedreht, und Nicholas Ray stellt gerade die Besetzung für „Rebels Without a Cause“ zusammen. Dennis Stock, von Frau und kleinem Sohn getrennt lebend, lauert auf den lukrativen Auftrag, James Dean, etwas milchgesichtig gegeben von Dane Dehaan, lässt sich länglich bitten, bevor beide in Deans Heimat Indiana aufbrechen, zur Farm seiner Großeltern. Dort schießt Stock die meisten der intim familiären Fotos jener Serie, die „Life“ im März 1955 veröffentlicht, ein halbes Jahr vor James Deans frühem Tod.

Entscheidend für die gemeinsame Winterreise aber ist jener Zufallsmoment kurz zuvor am verregneten New Yorker Times Square, als der heute legendäre Schnappschuss des Schauspielers mit hochgeschlagenem Mantelkragen entsteht. Corbijn sieht den Augenblick als Schlüsselsituation, in dem ein profitorientiertes Projekt in ein gemeinsames Abenteuer umschlägt. Beim Gespräch in Berlin stellt er sich vor, wie er – an Dennis Stocks Stelle – damals den zögernden Star lange erfolglos umgarnt und auch die Karte gemeinsamer fragiler Familienverhältnisse gezogen hätte, „und dann, nach einer Reihe von Scheißtagen, lächelt der Typ da plötzlich im Regen“. Und schenkt dem Fotografen, der geistesgegenwärtig ein paarmal den Auslöser betätigt, das ultimative Foto.

Vergrübelt. Eine undatierte Aufnahme von James Dean (1931–1955).
Vergrübelt. Eine undatierte Aufnahme von James Dean (1931–1955).
© picture-alliance/ dpa/dpaweb

James Dean als Standbild für die Ewigkeit

Eine Filmstunde vergeht bis zu jenem Standbild für die Ewigkeit, das hier nur ein flüchtiger Moment ist vor einer höchst agilen Filmkamera (Charlotte Bruus Christensen). Vorsichtig habe er sich von seinem „Sicherheitsnetz“ befreit, sagt Corbijn, vom bloßen Blick für die Bildkomposition; tatsächlich ist die Kamera in seinen Filmen längst ebenso in Bewegung wie die Figuren. Wie zum Ausgleich aber für diese technische Lockerung verengt Corbijn das dramatische Geschehen total.

So ist der schillernde Titel „Life“ in erster Linie technisch zu verstehen, als Name der legendären Foto- und Newszeitschrift, an der sich viele illustrierte Magazine orientierten. Der Film „Life“ ist nicht leblos, bezieht seinen Reiz aber vor allem aus der minimalistischen Skizze eines durch Arbeit zusammengespannten Duos, das nur manchmal die Fühler zur Freundschaft ausstreckt. Prototypische Situationen bleiben angedeutet: das autoritäre Auftreten des Hollywood-Moguls Jack Warner (arg edel zurückgenommen: Ben Kingsley), James Deans Liebelei mit der Schauspielerin Pier Angeli (Alessandra Mastronardi) und auch die gelegentlichen Interventionen des Magnum-Managers John Morris (Joel Edgerton). Selbst „A Most Wanted Man“, Corbijns jüngste, ziemlich leise Studie im Geheimdienstmilieu, ist dagegen ein brüllend bunter Actionfilm.

In seinem nächsten – amerikanischen – Kinoprojekt wird es, Corbijn sagt das fast entschuldigend, um „relevante Themen“ gehen, um Migration, um Flucht, darum, wie die Menschen entsprechend ihrer Hautfarbe kategorisiert werden. Einstweilen hat es seinen meditativen Zauber, einer Geschichte in bewegten Bildern zuzusehen, die sich, sehr unzeitgemäß, nach Langsamkeit sehnt, ja, nach dem film still. An ihrem Ende steht dann wieder, was ihr Anfang war: die Fotografie.

„Life“ ist ab Donnerstag in acht Berliner Kinos zu sehen; OmU: Babylon Kreuzberg, Central und Filmtheater Friedrichshain.

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