Laszlo Moholy-Nagy: Das Bauhaus und die Lichter der Moderne
Das Berliner Bauhaus-Archiv widmet Laszlo Moholy-Nagy, dem umtriebigsten Künstler der berühmten Schule, eine große Ausstellung. "Sensing the Future" heißt die Schau. Sie macht auch die Dringlichkeit eines Neubaus für das Archiv offensichtlich.
„Sensing the Future“ ist die neue Ausstellung im Bauhaus-Archiv überschrieben. Das klingt nach Versprechen für die Zukunft und fühlt sich gut an. Der Titel weckt Hoffnungen für ein Haus, das nichts so sehr braucht wie bessere Aussichten. Nach all den Rückschlägen muss es endlich etwas werden mit dem Anbau, denn der von Walter Gropius entworfene Bau platzt aus allen Nähten. Ende des Jahres wird der Wettbewerb ausgeschrieben, nachdem der Vorschlag des japanischen Architekturbüros Sanaa endgültig vom Tisch ist, das Public-Private-PartnershipModell scheiterte. Welch Erleichterung, dass Johannes Kahrs in seiner Funktion als Berichterstatter für Kultur und Medien im Haushaltsausschuss des Bundes bei der Ausstellungseröffnung nun verkünden konnte, der Bund werde seinen Anteil am 44 Millionen Euro teuren Bauvorhaben bereitstellen.
Moholy-Nagy war ein Alleskönner, ein freier Geist
Das kleine Institut mit der weltweit größten Sammlung von Dokumenten zum Bauhaus erhält damit den lang ersehnten Aufwind. Direktorin Annemarie Jaeggi darf durchatmen, die Blamage ist abgewendet. Zum 100. Geburtstag des Bauhauses in fünf Jahren erhält das Berliner Museum für Gestaltung doch noch seinen Neubau. Laszlo Moholy-Nagy (1895 – 1946), der wohl umtriebigste Bauhaus-Künstler, gibt für diesen entscheidenden Moment den passenden Paten ab. Ihm und seinem Weiterwirken in den Medien und Künsten ist die neue Ausstellung gewidmet. Auch für den gebürtigen Ungarn schien immer alles noch möglich, bis zuletzt blieb er Optimist – egal ob in Budapest, Wien oder Berlin, in der Emigration in Amsterdam und London, zuletzt in Chicago, wo er das New Bauhaus und schließlich die School of Design gründete. Immer wieder hat er sich und seine Kunst neu erfunden – und ganz nebenbei die Grundlagen einer Medientheorie geschaffen, das Expanded Cinema vorbereitet. Eine wahre Lichtgestalt.
Als studierter Jurist war Moholy-Nagy ein Alleskönner in der Kunst, ein freier Geist. Wie so viele andere talentierte junge Ungarn geriet er nach dem Scheitern der Räterepublik über Wien nach Berlin, wo er auf den Dadaisten Raoul Haussmann traf und seine künftige Frau Lucia kennenlernte, die ihn in Kontakt mit der Lebensreformbewegung brachte. Moholy-Nagy dachte immer beides: Kunst und Leben, Alltag und Kultur. Den Wahnsinn der Großstadt suchte er umzuwandeln in neue Erfahrung, seine Kunst verstand er als Instrument zur Bewältigung der auf den Menschen einstürmenden Eindrücke: Geräusche, Farben, Gerüche, Lichtreflexe.
Wer sich Moholy-Nagys Kunst nähert, bekommt eben jene Fülle zurückgespiegelt, doch ästhetisch sublimiert. Der Künstler wollte der Reizüberflutung Herr werden, indem er deren Effekte als eigene Ausdrucksform nutzte. Wie Ray Man malte er mit Licht auf Fotopapier, schuf Fotogramme. Genial auch seine Idee, direkt auf Film zu malen oder in Wachsplatten zu ritzen, um nie gehörte Töne einzufangen. Auch wenn ihm dieses Experiment nicht gelingen sollte, in der Fachwelt gilt Moholy-Nagy damit als Vorläufer der Elektromusik.
Es ist eng im Bauhaus-Archiv, zum Glück ist endlich ein Erweiterungsbau in Aussicht
Die Flüchtigkeit der Ausdrucksmittel, Licht und Klang, macht es nicht einfach, den Kosmos Moholy-Nagy zu erfassen. Häufig sind nur Dokumente erhalten wie die Fotografien seines Bühnenbildes für „Hoffmanns Erzählungen“ an der Kroll-Oper oder seine Publikationen, die in zehn hintereinander aufgereihten Vitrinen ausgelegt sind. Die von Oliver A. I. Botar eingerichtete Ausstellung, die zuvor am Plug In Institute of Contemporary Art im kanadischen Winnipeg zu sehen war, versucht trotzdem opulent aufzufahren. Erstmals seit sieben Jahren sind die Räume der Dauerausstellung freigeräumt, 500 Quadratmeter insgesamt. Dafür müssen sich die Highlights der Sammlung mit den 150 Quadratmetern der bisherigen Wechselausstellungshalle begnügen. Einen deutlicheren Hinweis auf die Enge – es fehlen auch Veranstaltungsräume! – gibt es kaum.
So bekommt Moholy-Nagy das große Parkett und wirkt doch bescheiden. Seine Arbeiten eignen sich nicht zum Auftrumpfen, sie waren Mittel zum Zweck. Als Denker, Lehrer, Utopist stellen die von ihm überlieferten Werke zumeist Vorschläge für den Neuen Menschen dar. Zu den schönsten gehört sein „Kinetisches konstruktives System“ von 1928, ein Entwurf für einen Bau mit Bewegungsbahnen für Spiel und Beförderung, in dem die Nutzer wie auf einer Feuerwehrrutsche zwölf Stockwerke hinuntergleiten können. Moholy-Nagy verstand Raum als Erfahrungskörper, der mit Sound, Licht, Bewegung zu aktivieren sei.
Natürlich ist auch sein berühmter Licht-Raum-Modulator zu sehen, in dem Kugeln auf Bahnen gleiten, gelochte Platten sich im Kreise drehen. Mittels Licht werfen die rotierenden Elemente immer neue Schatten und Reflexe an die Wand: In diesem flüchtigen Moment sah Moholy-Nagy seine Kunst. Zugleich malte das Multitalent in konstruktivistischer Manier, auch wenn er mit dieser konservativen Methode haderte. Seine legendären Telefonbilder, die per Anruf in einer Emaille-Werkstatt auf Grundlage der durchtelefonierten Angaben entstanden, gelten als Vorläufer digitaler Kunst.
Mit einem solchen Heros der Moderne, einem solchen Erfindergeist Schritt zu halten, fällt erwartbar schwer. Die eingestreuten zeitgenössischen Werke wirken dagegen brav-verhalten, im besten Fall spielerisch wie Olafur Eliassons „Bauhaus-Sonnenfolger“. Geradezu banal erscheint Eduardo Kacs Duftpoesie, bei der die Besucher seitenweise Gerüche erschnuppern dürfen. Moholy-Nagy selber würde sich heute wohl bei den Post-Internet-Künstlern tummeln.
Bauhaus-Archiv, Klingelhöferstr. 14, bis 12.1.; Mi bis Mo 10–17 Uhr. Katalog 35 €.
Nicola Kuhn
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