Ingeborg- Bachmann-Wettbewerb: Da kann Faust einpacken!
Erster Tag: Die österreichische Autorin Stefanie Sargnagel begeistert die Klagenfurt-Jury mit einer Erzählung aus dem Kneipenmilieu.
Es wirkt an diesem ersten Tag des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs so, als habe sich die Jury viel vorgenommen. Als wolle sie wirklich, wie das ihr Vorsitzender Hubert Winkels am Abend vorher verkündet hatte, mit den Autoren und Autorinnen kooperieren, mit ihnen gemeinsam am Text arbeiten.
Das hat vielleicht auch mit der österreichischen Facebook-Autorin Stefanie Sargnagel und ihren Texten über das Leben des White Trash, an den Rändern der Gesellschaft zu tun. Ausgerechnet Sargnagel war als erste Vorleserin ausgelost worden, und mit der Subkultur, dem popistisch Hingeworfenen, dem Anarchisch-Humorigen haben sich die Klagenfurter Jurys immer schwer getan. Aber wie sehr wird Sargnagels Text gefeiert, wie schnell vertauscht die Jury die „Hochkulturschreibhölle“ mit der „Subkulturschreibhölle“ (Winkels)!
Rainald Goetz muss Pate stehen mit seinem „Subito“-Text aus den frühen achtziger Jahren, Roland Barthes, Hugo von Hofmannsthal und der Philosoph Hermann Lübbe werden zitiert und ins argumentative Spiel gebracht, und Sandra Kegel versteigt sich angesichts des dunklen Kneipenmilieus in Sargnagels Text gar zu der Formulierung: „Da kann Faust einpacken“. Womöglich reicht ja ein Heinz Strunk mit seinem Siebzigerjahre-Frauenmörder-und Kneipenroman „Zum Goldenen Handschuh“.
Bewusst unterwandert Sargnagel die Erwartungen
Aber Sargnagel suggeriert zum einen durchaus geschickt, dass ihre (Ich-)Erzählung über eine durch Wien stromernde Autorin ein Text über das Schreiben eines Bachmannpreis-Textes ist: „Du bist lieb. Hast Du den Bachmanntext schon?“, fragt eine andere Protagonistin und bekommt die Antwort: „Nein, ich scheiß drauf, mir fällt nix ein“. Und sie unterwandert andererseits an diversen Stellen bewusst intellektuelle Erwartungen: „Ich möchte lieber Gelehrte sein, nur ohne die anstrengende Leserei, oder ich möchte Asketin sein, aber ohne den ganzen Verzicht.“ Aber da fällt die Jury nicht drauf rein! Auf ein Stück Literatur, das genau das nicht sein will, also Literatur sein muss und keineswegs banal sein kann. Das aber eben doch vor allem von seinen Milieus, seiner Scheißegalhaltung, seinem sinistren Ich lebt, nicht von großem literarischen Stil -und Formwillen.
Die anderen Autoren des Tages überzeugen weniger
Nach Sargnagel haben es die nachfolgenden Autoren nicht leicht. Sascha Macht mit einer seltsam leeren, dezent an den magischen Realismus erinnernden, in einem ungenannten lateinamerikanischen Land spielenden Dystopie überzeugt die Jury ebenso wenig wie Bastian Schneider mit seinen unverbundenen, „Stücke“ genannten Miniaturen. Und auch nicht Selim Özdogan mit seinem thematisch wirren Text „Ein geheimer Akkord“, der im Jahr 2037 spielt und mit dem Satz beginnt: „Nach zwölf Jahren ist der Hase verschwunden.“ Nur Marko Dinić findet noch einmal Anklang, allerdings sehr übertriebenen, für eine bieder-realistische Erinnerung an eine jugoslawische Kindheit zur Zeit des Milošević-Regimes. So bleibt ein etwas diffuser Eindruck von diesem ersten Tag, an dem sich weder Sargnagel noch ihre vier männlichen Konkurrenten in eine ultimative Favoritenposition bringen können. An dem die Jury aber tatsächlich, trotz der Mäkeleien, gegenüber den Autoren nach dem Motto verfährt: Hallo Partner! Danke schön.
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