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Funken schlagen: Dieses Bild von Jens Harder gehört zu der Siebdruck-Reihe, die Carlsen mit Crowdfunding finanzieren will.
© Harder/Carlsen

Comic-Markt: Crowd und Rügen

Carlsen publiziert einige der umsatzträchtigsten Buch- und Comicreihen. Nun versucht der Verlag, zusätzlich Veröffentlichungen online mit Hilfe seiner Leser zu finanzieren. Das provoziert Kritik. Zu Recht? Ein Kommentar von Oliver Ristau.

Der in Hamburg ansässige Carlsen-Verlag, seit 1953 in Deutschland verlegerisch mit den Bildergeschichten um den Bären „Petzi“ tätig und im Kinderbuchsegment vor allem durch seine Pixi-Bücher bekannt, ist eines der publizistischen Schwergewichte im Kinder- und Jugendbuchbereich. Zusätzlich ist man auf dem Gebiet der Comics allein durch Selbstläufer wie „Tim und Struppi“ oder „Spirou“ gut aufgestellt; von Dauersellern wie dem das Manga-Label von Carlsen und japanische Comics in Deutschland breitenwirksam überhaupt erst etablierenden „Dragonball“ ganz zu schweigen.

Dagegen versucht das Prinzip Crowdfunding, wie es zum Beispiel eine der bekanntesten Finanzierungsplattformen Kickstarter anbietet, Projekten von wesentlich kleineren Ausmaßen einen monetären Rückhalt zu ermöglichen. Sei es, weil das von den Initiatoren angestrebte Projekt von arrivierten Veröffentlichungskanälen abgelehnt werden würde oder weil man sich nicht in die Abhängigkeit von dort vorherrschenden Hierarchien und den daraus resultierenden systemimmanenten Mechanismen begeben will.

So finanzierte sich beispielsweise die von bereits etablierten und Nachwuchskünstlerinnen gemeinsam produzierte Anthologie „Womanthology“ über einen 2011 eingerichteten Kickstarter. Ein derartiges Unterfangen wäre bei einem größeren Verlag nur unter konzeptuellen Einschränkungen machbar gewesen. Ähnlich gelagerte Vorhaben bei amerikanischen Großverlagen wie Marvel belegen das: deren „Girl Comics“ von 2010 griff ausschließlich auf die dem Verlag gehörenden Figuren zurück; zudem hätten hier Nachwuchstalente nur schwerlich eine Chance gehabt.

Sauercrowd macht unlustig

Doch nicht immer stoßen alle diese Projekte auf Gegenliebe. Die in Nordamerika weit verbreiteten Archie-Comics mussten für die Einrichtung eines Kickstarters harsche Kritik einstecken und gaben ihr Vorhaben, auf diesem Weg neue Serien innerhalb des regulären Programms zu finanzieren, letztendlich auf. Selbst der unabhängige Verlag Fantagraphics, in Deutschland von der Größenordnung in etwa vergleichbar mit Reprodukt, sah sich zumindest ambivalenten Gefühlen ausgesetzt, als er sein saisonales Veröffentlichungsprogramm über Kickstarter absichern ließ.

In seinem Artikel zum Thema Crowdfunding für das Magazin „Comicgate“ nennt Thomas Kögel weitere Beispiele für Kickstarter-Projekte, die nicht alle wohlwollende Akzeptanz fanden.

Es ist allerdings ein gewaltiger Unterschied, ob ein erfolgreicher Großverlag wie beispielsweise Archie-Comics einen Kickstarter initiiert, oder ob ein kleiner Mitbewerber wie Landfill Editions dieses versucht; denn Letzterer geht bei seinen Veröffentlichungen ein nicht unerhebliches existenzielles Risiko auf Grund des nicht massenkompatiblen Programms ein.

Lizenz zum Gelddrucken: Bei Carlsen erscheint unter anderem "Harry Potter".
Lizenz zum Gelddrucken: Bei Carlsen erscheint unter anderem "Harry Potter".
© Promo

Man könnte nun argumentieren, dass ein ähnlich aufgestelltes Unternehmen wie der lettländische Kleinverlag kuš! im Jahr 2015 dreizehn Veröffentlichungen völlig ohne Hilfe einer Vorfinanzierung gestemmt hat, allerdings genießt das Unternehmen Förderung durch staatliche Zuwendungen. Oder, um ein Beispiel aus dem deutschen Sprachraum zu nennen: die Schweizer Edition Moderne betreibt seit Jahren einen mit Belohnungen und Würdigungen seine Mäzene lockenden und somit dem Kickstarter-Prinzip verwandten ‚Fanclub’ zur Abfederung kaufmännischer Risiken, um sich so seine programmatische Freiheit zu erhalten, die sich von der des Carlsen-Verlages grundlegend unterscheidet.

Innovation durch Mischkalkulation oder Wozu braucht Gott ein Raumschiff?

Bleibt also die Frage, wer darf sein Vorhaben über Vorfinanzierung absichern? Nur die wagemutigen und Neuland betretenden Initiatoren, oder auch Carlsen, Teil des schwedischen Medienkonglomerats Bonnier mit einem Jahresumsatz von über zwei Milliarden Euro allein im Jahr 2014?

Es lohnt sich daher, einen Blick auf den ersten Crowdfunding-Versuch Carlsens, damals noch auf der Plattform Startnext, zu werfen. Verlegerisches Risiko auf Grund innovativer Inhalte mag man hier angesichts von Namen wie „Alisik“ oder „Blake und Mortimer“ kaum attestieren, vielleicht eher „der Masse nicht unbedingt verkäufliches Material, allerdings mit solider Anhängerschaft“. Der Versuch endete als Bruchlandung, nicht eines der zur Veröffentlichung angestrebten Projekte konnte verwirklicht werden.

Versuch Nummer zwei dagegen ist eine Mappe mit Drucken von für Carlsen tätigen Künstlern, darunter Zugpferde wie Flix oder Reinhard Kleist. Mal abgesehen davon, dass es hier nicht mal um das eigentliche Geschäft Carlsens, also die Veröffentlichung von Büchern oder Comics geht, hat man zusätzlich eine signierte Edition der Mappe gegen Aufpreis angeboten, selbstverständlich streng limitiert. Angesichts des Erfolges und der Nachfrage wurden die Bestände dieses künstlich verknappten Wertobjekts kurzerhand einfach nachträglich aufgestockt. Nun, Freunde macht man sich so vermutlich nicht unbedingt.

Der berechtigte Einwand, dass nicht jedes kleinere Kickstarter-Projekt hehre Ziele wie das Streben nach Kunst verfolgt, übersieht allerdings den Faktor von umfassender publizistischer Unabhängigkeit des Produzierenden. Zudem ist ein Großverlag allein von seinen ökonomischen Ressourcen klar im Vorteil, denn während sich kleinere Mitbewerber unter Verzicht auf Freizeit und der Inkaufnahme des Liegenbleibens anderer geschäftswichtiger Tätigkeiten zum Wohle des Vorhabens einbringen, kann ein bereits etablierter Verlag seine Angestellten für ein derartiges Projekt vorübergehend freistellen. Bei Nichterfolg winkt dem Ersten der Verlust des Arbeitsplatzes, Letzterer geht eben einfach seiner vorherigen Tätigkeit nach.

Für einige stellen sich also existenzielle Fragen und nicht lediglich die nach einer risikoarmen Profitmaximierung. Und wenn selbst ein Verlag in der Größenordnung Carlsens sich anschickt, verlegerische Experimente von mittlerem Wert risikoarm auszulagern, trotz eines milliardenschweren Konzerns im Rücken, was ist dann noch der Sinn seiner Existenz, beziehungsweise, worin besteht seine Kernkompetenz im Sinne von Entdeckung und Förderung neuer Talente? Eine verlegerische Institution, die einst unter Verlust im Comicentwicklungsland BRD weltbekannte Zeichenserien, „Li’l Abner“ und „Doonesbury“ nach Deutschland brachte sowie den Manga salonfähig machte, sollte innovativer wirken können. Im Bereich Marketing hat man das ja ebenfalls vollbracht. Go fund yourself, Carlsen!

Wandschmuck für Sammler: Zwei der Poster, für die Carlsen jetzt Geld sammelt.
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© Carlsen

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