Zum Tod der Berliner Galeristin Barbara Weiss: Contenance wie eine Königin
Sie setzte Maßstäbe, sie veränderte die Szene, und hielt sich selbst doch stehts im Hintergrund. Die Berliner Galeristin Barbara Weiss starb mit 56 Jahren.
Als vor wenigen Wochen erst das zwanzigjährige Bestehen des Hamburger Bahnhofs, dann das Silberjubiläum der Kunst-Werke gefeiert wurde, da waren die berühmten 90er Jahre Berlins plötzlich wieder präsent – und mit ihnen ein prägender Name, der zur Gründerzeit der damals erwachenden Kunststadt gehörte. Barbara Weiss war eine Zentralfigur der sich damals formierenden Galeristenszene. Die Strenge und Klarheit ihres Programms wurde zum Maßstab für viele Neueinsteiger, gab es doch bislang nur eine Handvoll ernst zu nehmender Repräsentanten. Die hohen Ansprüche an sich selbst ließen sich auch an der Intellektualität, Präzision und kraftvollen Kunst ihrer Ausstellungen ablesen.
Im Jahr nach dem Mauerfall gründete die ursprünglich für ein Kunstgeschichtsstudium nach Berlin gezogene Fränkin zusammen mit Michael J. Wewerka ihre erste Galerie in der Pariser Straße. Dort, im Wendelöffel, im letzten Haus vor der querenden Spichernstraße bekam man eine Ahnung davon, wie es werden könnte in Berlin, wie es tatsächlich wurde. Mit der Gruppenausstellung „Heimat“ gab Barbara Weiß internationalen Künstlern wie David Hammons, Guillaume Bijl und Ilya Kabakov ein Forum in der Stadt, mit Martin Kippenbergers Gastspiel einen Vorgeschmack auf den sich erst sehr viel später in der Auguststraße abspielenden Hype, und wie ausufernde Vernissagen sich bis auf das Trottoir vor der Tür ausbreiten können.
Barbara Weiss aber blieb der ruhende Pol, bewahrte die Contenance wie eine Königin. Nur so war es möglich, dass sie ihr privates Domizil in der Potsdamer Straße ab 1992 zur eigenen Galerie machen konnte. Vorne, in den stuckverzierten Räumen zur Straße, im Berliner Zimmer herrschte die Kunst, hinten hatte die Galeristen ihr Reich, wohin sie bisweilen zum Frühstück mit Linzer Torte lud.
Der Tagesspiegel lag damals nur wenige Hausnummern entfernt. Auf der Straße tobte derweil das raue Leben, war der Strich, in den hohen Galerieräumen mit gutbürgerlicher Grandezza setzte es sich zur Kunst geronnen fort. Hier zeigte Barbara Weiss gleich zur Eröffnung ihrer Räume den in Deutschland noch kaum bekannten US-Filmemacher und Fotografen Larry Clark mit seinen schonungslosen Aufnahmen von Jugendlichen bei Sex und Drogenkonsum. Dass Boris Mikhailov mit den ergreifenden Sozialstudien vom Niedergang seiner ukrainischen Heimat dazu stieß, war nur folgerichtig.
Ihre Ausstellung mit Maria Eichhorn nennte Barbara Weiss das große Glück
Lässt man die Ausstellungen bei Barbara Weiss Revue passieren, so war die Galeristin vieles: empathisch, kritisch, engagiert mit Clark und Mikhailov, aber auch intellektuell, kühl, konzeptuell orientiert, betrachtet man das Werk von Maria Eichhorn, das sie von Anfang an begleitete und mit der sie programmatisch jeden weiteren Schritt ging. Ihren zweiten und letzten Umzug in neue Räume, diesmal von der Zimmerstraße in Mitte in die Kohlfurter Straße in Kreuzberg, beschenkte die Künstlerin mit einem Kehraus, ein Besen à la Beuys lehnte an der Wand. Ein Foto zeigte Eichhorn und Weiss, die in entgegengesetzte Richtungen gehen und doch einen Moment des Gleichschritts erleben – wie es den unterschiedlichen Partnern in ihren besten Momenten widerfährt. Weiss nannte es ein großes Glück. Die Galeristin besaß ebenso eine weiche Seite, war fürsorglich, verspielt, denkt man an den ersten Auftritt der Kanadierin Janet Cardiff in Deutschland, die mit ihrem Partner George Bures Miller in der Potsdamer Straße ein kleines Opernhaus mit Surround-Akustik installierte. Heute ist das Duo auf allen großen Biennalen, der Documenta präsent – wie so viele Weiss-Künstler.
Stiller wurde es hingegen um Christine & Irene Hohenbüchler, doch die Galeristin hielt weiter zu ihnen. Vielleicht weil das Schwesternpaar das Gemeinschaftliche und Handwerklichkeit zu seinem Programm erhoben hat. Für ihre Ausstellung bei Weiss durften sich die Zwillinge der Kleidung der Galeristin bedienen, die plötzlich statt hinten im Schrank nun in den vorderen Räumen in Vitrinen hingen. Barbara Weiss hatte aber auch einen Sinn für abstrakte Malerei, der Belgier Raoul de Kayser gehörte fest zu ihrer Truppe. Sie liebte es zugleich politisch, klar, konkret mit Andreas Siekmann, dessen Statistiken zur Arbeitswelt in Piktogrammen Ausdruck finden. Für das anarchische Moment bei aller Diszipliniertheit und Akkuratesse stand Roman Signer mit seinen absurden Experimenten, den Knalleffekten.
Zwei Drittel ihrer Riege waren Künstlerinnen
Sie selbst hielt sich still im Hintergrund. Ihre Künstler aber hat sie beharrlich, ohne Aufhebens um ihre eigene Person zu machen, nach vorne gebracht. Viele von ihnen markieren heute wichtige Positionen, vor allem Künstlerinnen. Auch darin war die Galeristin konsequent; fast zwei Drittel der von ihr vertretenen Riege ist weiblich besetzt. Ihr Programm stand für Aufbruch gepaart mit Qualität. Kein Wunder, dass sie 2000 ins Sprechergremium der Art Forum berufen wurde, als sich die Kunstmesse neu zu orientieren suchte. „Wenn die Kommunikation, der Austausch und die Kooperation endlich richtig in Gang kommen, werden viele Energien freigesetzt, die auch den Kunsthandel aufblühen lassen,“ sagte sie damals. Das gilt nach wie vor.
Die Ehefrau Kasper Königs, zuletzt Direktor des Kölner Ludwig-Museums, zog sich selbst jedoch zunehmend vom kulturpolitischen Engagement zurück. Zuletzt musste sie die tägliche Arbeit ihrem Direktoren-Duo Bärbel Trautwein und Daniel Herleth übergeben, mit dem sie noch das Programm für 2017 festlegen konnte. Am 31. Dezember ist Barbara Weiss nach schwerer Krankheit im Alter von 56 Jahren verstorben.
Nicola Kuhn
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