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Neue Pracht mit einem alten Star. Das Festivalplakat 2015 mit Ingrid Bergman.
© Festival de Cannes

Programm für das Filmfestival 2015: Cannes entdeckt die Frauen

Vor dem Start in Cannes am 13. Mai: Filmfestchef Thierry Frémaux verkündet das Programm und überrascht nicht nur mit dem Eröffnungsfilm. Der einstige Quotenkritiker entdeckt plötzlich die Filme von Frauen.

Drei Jahre ist es her, da steckte der selbstbewusste Festivalchef Thierry Frémaux plötzlich in ungewohnter Defensive. Kurz vorm Start von Cannes protestierten 50 Regisseurinnen lautstark dagegen, dass im 21 Filme fassenden Wettbewerb kein einziger Beitrag von Frauen zu finden sei. Den Vorwurf, Frauen zeigten in Cannes „nur ihren Busen, Männer ihre Filme“, konterte Frémaux damals recht robust: Niemals werde er einen miesen Film nur deshalb einladen, weil er von einer Frau gedreht worden sei.

Entweder drehen Frauen seitdem wundersamerweise bessere Filme, oder in der Festivalspitze hat ein zartes Umdenken eingesetzt. 2013 schmückte Valeria Bruni Tedeschi – als Regisseurin! – den Wettbewerb, letztes Jahr waren es, mit der Italienerin Alice Rohrwacher und Naomi Kawase aus Japan sogar zwei. Im nun 68. Jahrgang kommt es zu einer festivalgeschichtlichen Revolution. Stolz verkündet Frémaux, erstmals eröffne, mit Emmanuelle Bercot, eine Regisseurin den Riesenrummel von Cannes.

Mit dieser Wahl scheint zudem gar ein thematischer Paradigmenwechsel verbunden. Hatte man sich 2014 noch mit dem Glamour-Biopic „Grace of Monaco“, dem Nicole Kidman faden femininen Glanz verlieh, reichlich Verrisse eingehandelt, geht es diesmal sozialpolitisch hart zur Sache. Bercots „La tête haute“ mit Catherine Deneuve, Rod Paradot und Sara Forestier erzählt von einem jungen Straftäter, um dessen Besserung sich eine Jugendrichterin und eine Erzieherin gleichermaßen bemühen. Unüblicher Stoff für die Eröffnungsgala, findet auch Frémaux, aber der Film sei mit seinem „universellen Thema ideal für das in Cannes versammelte Weltpublikum“.

Frauen sind in Cannes präsent

Nun wurde das nahezu vollständige Programm für die Tage von 13. bis zum 24. Mai verkündet – und der einstige Quotenkritiker Frémaux überrascht mit einer weiteren Wendung. Exakt zwei der üppigen vier französischen Wettbewerbsbeiträge stammen von Frauen: „Marguerite et Julien“ von Valérie Donzelli (mit Anaïs Demoustier und Jérôme Elkaïm) und „Mon roi“ von Maiwenn (mit Emmanuelle Bercot und Vincent Cassel) – beide Filme erzählen leidenschaftliche Liebes- und Familiengeschichten. Männlicherseits konkurrieren Jacques Audiard und Stéphane Brizé mit gesellschaftlichen und politischen Stoffen um die Goldene Palme. Audiard schildert in „Dheepan“ die Kollision eines tamilischen Bürgerkriegsflüchtlings mit der Gewalt in der Banlieue, Brizé macht in „La loi du marché“ Vincent Lindon zum Security-Angestellten, der die Kollegen im Supermarkt ausspionieren soll. Womit die numerische Quote erfüllte wäre, aber dann doch das Klischee weiblicher und männlicher Themen.

Zählt man nicht nach Geschlecht, sondern, ganz altmodisch, nach Nationalität, sind auch die Italiener in Cannes sehr präsent. Nanni Moretti zeigt „Mia madre“, und Matteo Garrone erzählt, nach literarischer Vorlage von Giambattista Basile, ein schrilles Märchen mit Salma Hayek und John C. Reilly in den Hauptrollen. Paolo Sorrentino („La grande bellezza“) führt in „Youth“ in einem Voralpenhotel Michael Caine und Harvey Keitel als altgewordene Künstler-Celebrities zusammen, die ihren eigenen Blick auf Jugend und Vergänglichkeit werfen.

Matthew McConaughey im Selbstmörderwald

Eher globalisiert als italienisch geht es hier zu; auch der Grieche Yorgos Lanthimos („Alpen“) versammelt einen internationalen Cast: „The Lobster“ mit Colin Farrell und Rachel Weisz führt in eine Sci-Fi-Welt, in der Ledige, die partout keinen Partner finden, sich in ein Tier ihrer Wahl verwandeln müssen. Auch der Norweger Joachim Trier verlässt für „Louder Than Bombs“, mit Isabelle Huppert und Jesse Eisenberg, in seinem dritten Film erstmals seine Heimat. Der Amerikaner Gus van Sant lässt Matthew McConaughey und Ken Watanabe in „Sea of Trees“ durch einen japanischen „Selbstmörderwald“ vagabundieren, und Todd Haynes’ Roadmovie „Carol“ führt Cate Blanchett und Rooney Mara durch das winterliche Amerika der frühen fünfziger Jahre.

Aus Asien sind Hou Hsiao-Hsien (Taiwan), Jia Zhang-ke (China) und Hirokazu Kore-eda (Japan) dabei. Der Australier Justin Kurzel präsentiert seine Vision von „Macbeth“, mit Marion Cotillard und Michael Fassbender in den Hauptrollen. Der Frankokanadier Denis Villeneuve schickt in „Sicario“ Emily Blunt als Polizistin ins mexikanische Drogenkartell, und der Ungar László Nemes landet mit seinem Debüt „Son of Saul“ gleich im Wettbewerb. Und Deutschland? Ob Regisseurin oder Regisseur: Fehlanzeige, wie so oft in Cannes.

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