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Hat Bristol gegen Berlin eingetauscht. Anika.
© Shinya Kato

Musikerin Anika im Porträt: Bewegung an der Grenze

Zum Auftakt des Berliner Pop-Kultur-Festivals: Die englische Musikerin Anika steht Israels Politik kritisch gegenüber - am Boykott des Events nimmt sie trotzdem nicht teil. Eine Begegnung.

Das Pop-Kultur-Festival ist eine ambitionierte Veranstaltung. Drei Tage lang treten hier nicht nur Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt auf und geben Konzerte, sondern es soll auch diskutiert werden. Sogar über Politik. In Gesprächsrunden über die Frage „Wie popkulturell waren die Achtundsechziger?“ Oder, aus aktuellem Anlass selbstreferentiell: Was bringen Boykotte? Denn schon zum zweiten Mal hat sich die israelkritische Lobbyorganisation BDS – die Abkürzung steht für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ – das Berliner Festival als Zielscheibe ausgesucht.

Erneut haben kurzfristig Musiker ihre Auftritte abgesagt, darunter mit John Maus aus den USA auch einer der erhofften Headliner. Begründet werden die Selbstausladungen durch Reisekostenzuschläge, die die israelische Botschaft den wenigen israelischen Künstlern einräumt, die beim Berliner Festival auftreten. Für den BDS und ihm nahestehende Musiker ergibt das eine Nähe zur israelischen Politik, die nicht hinnehmbar sei.

Wie absurd, lächerlich und traurig das ist, zeigt schon eine Veranstaltung mit der in Berlin lebenden britischen Musikerin Anika. Sie wird Border Movement präsentieren, ein Austauschprogramm für Musiker, an dem sie vor drei Jahren selbst teilgenommen hat. Es habe, erklärt sie, ihr „Leben verändert“. Border Movement wird unterstützt vom Goethe Institut und dem Berliner Musicboard, das auch das Pop-Kultur-Festival ausrichtet.

Eine sperrige Künstlerin

Es bringt Musiker aus Deutschland nach Indien oder Pakistan und demnächst sogar nach Afghanistan. Umgekehrt können Musiker von dort nach Deutschland kommen. Anika selbst landete damals in Teheran, bei Israels iranischem Erzfeind. Was zeigt, dass die Nähe des Musicboard zu Israel, die ihm seitens des BDS vorgeworfen wird, ziemlich begrenzt ist.

Anika ist eine sperrige Künstlerin. Eigentlich heißt sie Annika Henderson und lässt in ihrem Künstlernamen das zweite N ihres Vornamens einfach weg. Als es vor acht Jahren losging mit der Musik, arbeitete die 31-Jährige noch als politische Journalistin. Und obwohl ihr erstes Album gleich Geoff Barrow von Portishead produzierte, suchte sie danach das Abenteuer und zog nach Berlin. Sie spielte Musik zusammen mit dem Technomusiker T. Raumschmiere ein und wurde zur Stimme bei einem Album-Projekt des Dubstep-Produzenten Shackleton.

Für eine Popmusikerin, die zuvor eher im psychedelischen Indiefolk daheim war und die auch schon mal Stücke von Bob Dylan coverte, waren das bemerkenswerte Ausflüge ins Experimentelle. Und dann gründete sie nebenbei noch eine eigene Band mit dem Namen Exploded View und nahm lieber mit dieser ein Album auf, als erneut unter eigenem Namen zu veröffentlichen. „Ich will immer etwas Neues lernen. Darum gibt es auch bislang keine zweite Anika-Platte“, sagt sie dazu. Ihre Stimme drückt allem, woran sie beteiligt ist, einen persönlichen Stempel auf. Eine Gesangsstimme, die sich gar nicht so sehr von ihrer Sprechstimme unterscheidet. Mit Nico und deren unterkühltem Sprechgesang wurde Anika deshalb öfter verglichen. Auch im Hang zu düsteren Stimmungslagen sind sich die beiden ähnlich.

Ihr Auftritt beim Pop-Kultur-Festival soll kein reguläres Konzert werden, sondern irgendetwas zwischen Performance, Platten auflegen und reden. Es geht ihr hauptsächlich darum, die Arbeit von Border Movement zu unterstützen. In Großbritannien ist BDS längst eine viel größere Sache als in Deutschland. Sie wird unterstützt von Roger Waters von Pink Floyd oder Brian Eno. Die Frage, ob man als Musiker in Israel auftritt oder nicht, ist dort Teil eines regelrechten Kulturkampfes geworden.

„Auch ich werde oft gefragt, warum ich nach Israel fliege, um ein Konzert zu geben“, berichtet Anika. Sie mache das, um eben den Grundgedanken von Border Movement, die Idee der Grenzüberwindung, zu verfolgen. „Gebe ich in Israel ein Konzert, handle ich vorher gleichzeitig aus, dass ich irgendwo in Israel ein Interview geben kann. Dort erzähle ich dann auch beispielsweise von meinen Freunden in Teheran. Das bringt mehr als zu sagen, ich gehe lieber gar nicht nach Israel.“

Man hört bei Anika heraus, dass sie durchaus kritisch gegenüber Israels Politik ist. Doch den Dialog verhindern – damit kann sie nichts anfangen. Alle Details zum Boykottaufruf seitens des BDS seien ihr gerade nicht geläufig, sagt sie. Doch „Pop Kultur versucht, viele verschiedene Kulturen zusammenzubringen. Deshalb trete ich hier gerne auf.“

Anika spielt am 16.8., 21.10 Uhr, im Club 23 in der Kulturbrauerei

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