Piotr Anderszewski im Kammermusiksaal: Besuch im steinernen Garten
Eine Entvertrautmachung: Piotr Anderszewski spielt Bach, Schumann und Szymanowski im Kammermusiksaal.
Selten einen so sperrigen Klavierabend erlebt. Nicht deswegen, weil das Publikum unwillig wäre (stattdessen ist der philharmonische Kammermusiksaal ausverkauft an beseelte Zuhörerinnen und Zuhörer), das Programm spröde (stattdessen Bach, Schumann, Szymanowski) oder weil der Künstler des Abends, der polnische Pianist Piotr Anderszewski, sich in irgendeiner Weise schwertäte. Das nicht. Allerdings tut sich der 1969 Geborene doch ein bisschen schwer, nämlich damit, es so zu machen wie alle anderen. Er tritt zum Beispiel nicht groß auf, sondern kommt einfach herein und setzt sich auf den Bürostuhl vorm Klavier, darüber ein feiner Lichtkegel, weswegen Anderszewski beim Spielen auch so aussieht wie ein Student in der Übezelle oder ein junger Mann vor einem Computerspiel.
Er phrasiert Bachs Partiten e-Moll und B-Dur auch nicht hübsch fein organisch, sondern greift darauf zu mit fest gekämmten Arpeggien und manchmal robuster Phrasierung. Fast wirkt er eine Spur schlecht gelaunt, indem er das Repertoire nun testet auf seine Widerstandsfähigkeit: die klare Rhythmik von Bachs Toccata e-moll prüft (schon hier hängt man gebannt an seinem Spiel), aus der Corrente reine Rastlosigkeit macht und aus der Sarabande einen Garten aus Stein.
Wie soll das erst bei Schumanns „Papillons“ werden? Für die rechte Entvertrautmachung besinnt sich Anderszewski auf die Vortragsbezeichnungen des Komponisten, mit kalt gemeißelten Schlussoktaven in der ersten Nummer, splittrigen Presto-Abschnitten und eisern gestampften Akkorden, die dem klingenden Reigen jede falsche Duftigkeit nehmen. Zum anderen führt Anderszewski, zumal im letzten Satz der „Papillons“, die besondere Gabe vor, Textschichten zusammenzufügen und auseinanderzuziehen wie sich reibende tektonische Platten, ein manipulatives Manöver, das beim Zuhören einen Schwindel erzeugt, der umso köstlicher ist, als man sich schließlich nicht auf einer gefährlichen Wanderung, sondern bloß beim Musikhören befindet.
Unterdessen stehen Szymanowskis „Métopes“ op. 29 im Zentrum des Programms. 1915 komponiert, sind sie an diesem Abend der musikalische Steinbruch, mit dem Anderszewski alles realisieren kann, tiefe Sinnlichkeit und Maschinismus, blanke Nervosität und Poesie. Der Vorteil einer solchen Steinbrucharbeit besteht darin, dass sie viel Energie absorbiert. Tatsächlich klingt das „Geistervariationen“-Thema gleich danach so sanglich schön, so „leise, innig“, wie Schumann es wohl wollte, und noch Bachs andere Partita profitiert von dem Läuterungswerk.