Berliner Philharmoniker mit Anderszewski: Zeit für Haydn
Die Berliner Philharmoniker mit Giovanni Antonini und dem Pianisten Piotr Anderszewski.
Schönste Blüten musikalischer Verzierungskunst gedeihen im Ensemble „Il Giardino Armonico“, einem Garten des Originalklangs, der von Giovanni Antonini gehegt und gepflegt wird. Mit seiner Mailänder Truppe hat der italienische Dirigent Anfang dieses Jahres auf Einladung der Stiftung Berliner Philharmoniker eine Fangemeinde im rappelvollen Kammermusiksaal bezaubert. Jeder Musiker ein Spezialist, dem technisch scheinbar Unmögliches gelingt, allen voran Antonini selbst auf vielen Blockflöten.
Von der frühen Musik geht er auch als Haydn-Spezialist aus und hat den überwältigenden Mut, die erste komplette Gesamteinspielung aller Sinfonien von Joseph Haydn auf historischen Instrumenten zu verfertigen. Auf insgesamt knappe zwanzig Jahre ist das „Projekt Haydn 2032“ angelegt, das zum 300. Geburtstag des Komponisten vollendet sein will.
Giovanni Antonini hat es diesmal schwer mit dem Zauber seines Musizierens
Am Pult der Berliner Philharmoniker dirigiert er nun mit leidenschaftlich ausholender Gestik zwei der Londoner Haydn-Sinfonien: die Nummer 101, „Die Uhr“, und die Nummer 103, „Mit dem Paukenwirbel“. Die Beinamen stammen nicht von Haydn, wurden aber der Musik unverkennbar abgelauscht.
Im großen Raum scheint sich diesmal der Zauber von Antoninis Musizieren auf das andere Orchester nicht so einfach übertragen zu wollen. Die belasteten Philharmoniker zwischen ihrem Beethoven-Zyklus und der Alpensinfonie nächste Woche bewältigen die drei Konzerte mit Aushilfen. Der Erkältungsphase geschuldet, kann keine Spannung die Zäsuren zwischen den einzelnen Sätzen ohne Nebengeräusche überbrücken. Trotzdem gibt es Inseln, auf denen die Partituren ihren hohen Reiz ausüben.
Mathieu Dufour, der neue Soloflötist, betört mit senisbler Tönung
Dazu zählen das sehr langsame, ernste Adagio zu Beginn der D-Dur-Sinfonie, das organisch leicht ins Presto gleitet, oder die geflüsterte Fuge im Finale. Im Trio lässt sich mit sensibler Tönung Mathieu Dufour vernehmen, der neue Soloflötist aus Paris, Nachfolger von Andreas Blau.In der Es-Dur-Sinfonie ist es vor allem das Andante aus Volksmusik-Themen und atmenden Generalpausen, das Eindruck macht, nicht zuletzt wegen der Variation mit den leuchtenden Girlanden der Solovioline von Konzertmeister Noah Bendix-Balgley.
Der wunderbare Pianist Piotr Anderszewski ist Solist des Klavierkonzerts c-Moll KV 491 von Wolfgang Amadeus Mozart. Als Schumann-Interpret hat er jüngst einen Liederabend von Matthias Goerne geadelt. Jetzt bei Mozart bleibt er dem romantischen Ton nahe, der bei ihm niemals raunend, sondern immer glasklar erscheint, während er jeder Note ihr Gewicht gibt. Geht er im dritten Satz dynamisch ins Extrem, bleiben unzählige Nuancen beseelter Zurückhaltung. Das Publikum zeigt sich enthusiasmiert und wird mit einer Bartók-Zugabe belohnt. Bartók verzeichnet auch das Programm, mit dem Anderszewski am 22. Februar 2016, wiederum auf Einladung der Philharmoniker, mit einem Klavierabend gastieren wird. Da ist neben Janácek sein Bach-Bild zu erleben.