Protest gegen Entscheidung des Bürgermeisters: Berliner Staatsballett lehnt Ko-Intendantin Sasha Waltz ab
Eigentlich wolle Michael Müller punkten, als er kurz vor der Berlin-Wahl Sasha Waltz und Johannes Öhman zu künftigen Staatsballett-Intendanten ernannte. Aber nun gibt es Widerstand.
Berlins Regierender Bürgermeister hatte gehofft, mit der Kultur-Personalie noch kurz vor der Wahl des neuen Abgeordnetenhauses am 18. September in der Kulturszene der Hauptstadt punkten zu können. Nun droht sein letzter gewichtiger Amtsakt als Kultursenator zum Bumerang zu werden: Die Tänzerinnen und Tänzer der Berliner Staatsballetts protestieren gegen die Ernennung von Sasha Waltz und Johannes Öhman als Doppelspitze für das Staatsballett ab der Spielzeit 2019/20 und fordern die unverzügliche Zurücknahme der Entscheidung von vergangener Woche.
"Rettet das Staatsballett Berlin!": Es ist ein geschlossener Protest gegen Michael Müller und Kulturstaatssekretär Tim Renner. Nach Angaben von Staatsballett-Sprecherin Corinna Erlenbach ist er von der gesamten Compagnie getragen. Die Ernennung, heißt es in der auf www.change.org veröffentlichten Petition der Tänzer, sei "mit der Ernennung eines Tennis-Trainers zu einem Fußball-Trainer oder eines Kunstmuseumsdirektors zu einem Chefdirigenten" zu vergleichen.
Die Entscheidung von Müller und Renner zeige "die völlige Unkenntnis beider über die Traditionen und Entwicklungslinien von Tanz und insbesondere Ballett". Die Compagnie sei "tief verstört und beleidigt". Die Ankündigung mitten im Wahlkampf lasse den Schluss zu, dass die Personalie weniger künstlerisch als politisch motiviert sei.
Compagnie hält Sasha Waltz für nicht geeignet
Einzelne Tänzer hatten am Sonntagabend bei der Eröffnung der Saison mit dem Stück "Vielfältigkeit" ein Banner mit Verweis auf die Petition auf change.org entrollt. Laut Erlenbach waren die Ballettsprecher sich im Protest einig: Der Fall, so die Petition, zeuge "abermals von einem tiefgreifenden Mangel an Respekt für unsere Compagnie, unsere Tradition, unsere Kunstform und unser Publikum". Weitere Aktionen sind Erlenbach zufolge angedacht.
Die Petition ist unversöhnlich und scharf im Ton. Die Idee einer Doppelspitze lehne man rigoros ab, heißt es weiter. Zwar respektiere man die Arbeit von Sacha Waltz, als Tanztheater-Choreografin sei sie für den Job jedoch völlig ungeeignet, da diese Form des Bühnentanzes anderes Qualitäten erfordere als die des klassischen Balletts. Allein ihre Ernennung würde den Ruf des Staatsballetts als weltweit anerkannte klassische Ballettcompagnie beschädigen. Die Tatsache, dass ihr designierter Co-Intendant Öhman als derzeitiger Ballettchef am Königlichen Opernhaus Stockholm aus der klassischen Sparte kommt, genügt dem Ensemble offenbar nicht.
Tim Renners Senatskulturverwaltung zeigte sich trotz des harschen Protests unbeirrt. Pressesprecher Lars Bahners erklärte dazu gestern auf Tagesspiegel-Nachfrage, das Staatsballett müsse "wieder zur nationalen und internationalen Spitze aufsteigen“. Das sei ein Aufbruch für die Compagnie. "Jeder Aufbruch birgt Risiken und ist daher auch mit Ängsten verbunden. Diese nehmen wir ernst." Mit der Doppelintendanz würden der Kompanie sowohl im Hinblick auf den zeitgenössischen Tanz wie auch auf den Bereich der Klassik bis zur Neoklassik „zwei international anerkannte Künstler“ zur Seite gestellt. Daher sei man in der Senatskulturverwaltung davon überzeugt, „dass dieser Aufstieg gelingen wird“.
Das Ensemble schlägt eine Generalintendanz vor
Das Ensemble hält einen Generalintendanten für geeigneter. Dem Stiftungsrat der Stiftung Oper in Berlin empfiehlt es, die Entscheidung auf keinen Fall zu ratifizieren. Auch solle umgehend eine Findungskommission eingesetzt werden, um für die Nachfolge des in Berlin glücklosen Nacho Duato ab 2019/20 einen Generalintendanten zu finden. Dieser Kommission, so das Ensemble, sollten neben Tanzexperten und Vertretern aus Politik und Verwaltung auch Mitglieder des Staatsballetts angehören. Von der Entscheidung für Waltz und Öhman hatte das Staatsballett nach Angaben der Sprecherin aus den Medien erfahren.
Es ist nicht die erste Kulturpersonalie, bei der Michael Müller und Tim Renner scharfer Wind entgegenweht: Über die Ernennung des Museumsmanns Chris Dercon als künftiger Intendant der Volksbühne in der Nachfolge von Frank Castorf ist in der Stadt ein leidenschaftlicher Theaterstreit entbrannt.
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