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Zerstörte Altstadt von Beirut (1995).
© imago/photothek/Ute Grabowsky

Roman über den Libanon: Beiruter Wirren

Iman Humaidans Roman „50 Gramm Paradies“ erzählt von den Verstrickungen des libanesischen Bürgerkriegs und der Zeit danach

Eine Frau wird auf offener Straße von einem syrischen Geheimdienstoffizier erschossen. Ein Mord mit Ansage. Nura war aus Syrien geflohen und wusste zu viel, sie wollte über den Terror in den syrischen Gefängnissen schreiben, und auch die Wahrheit über den Suizid ihrer Schwester Hana und noch vieles andere mehr. Der Mord bleibt unbemerkt. In den Zeitungen wird später stehen, dass eine Autobombe explodiert sei und man auf dem Rücksitz eine Frauenleiche gefunden habe. Beirut 1978. Der libanesische Bürgerkrieg tobt, Mord und Totschlag gehören zum Alltag. „Angst und Schweigen regierten Beirut. Eine Stadt, gedemütigt von einem syrischen Geheimdienstoffizier, so wie sie zuvor israelische Soldaten gedemütigt hatten und noch demütigen würden, so wie sie später die Milizen demütigen, wieder und wieder", schreibt Iman Humaidan in ihrem Roman „50 Gramm Paradies“. Humaidan, 1956 in der Nähe von Beirut geboren, hat Soziologie an der Amerikanischen Universität Beirut studiert, vier Romane veröffentlicht und Drehbücher geschrieben. Sie lebt in Paris und Beirut.

Iman Humaidan: Fünfzig Gramm Paradies. Roman aus dem Libanon.
Iman Humaidan: Fünfzig Gramm Paradies. Roman aus dem Libanon.
© Lenos Lerlag

Zeitsprung. Im Juni 1994 kehrt die Schriftstellerin Maja aus ihrem Pariser Exil nach Beirut zurück. Sie will ein Drehbuch schreiben über Menschen, die den Bürgerkrieg erlebt haben. Maja dokumentiert die Abbrucharbeiten im Zentrum Beiruts, kaputte Häuser sollen hier Apartmentblocks weichen. Die Habseligkeiten der geflüchteten Bewohner liegen noch in den Häusern oder auf der Straße. Zufällig findet Maja in einem der Häuser einen Koffer mit Papieren, Briefen, Fotos. Nach und nach erkennt sie: Es sind die Hinterlassenschaften der ermordeten Nura. Darunter auch Briefe des türkischen Journalisten und Nuras Geliebten Kemal Firat. Und dann ist da noch Sabah, die Kurdin, der Nura ihr Kind anvertraut hatte.

Humaidan erzählt ihre Geschichte komplex, auf verschiedenen zeitlichen Ebenen. Maja rekonstruiert anhand der Briefe die Biografien von Nura und Kemal – und erinnert sich überdies selbst an ihre libanesische Kindheit, ihre Pariser Jahre. Iman Humaidan ist ein bewegender Roman über die Verstrickungen von Menschen in den libanesischen Bürgerkrieg gelungen. Dessen Geschichte ist längst nicht aufgearbeitet. Wer verstehen will, warum die Lage im Libanon immer so fragil war und noch ist, muss „Fünfzig Gramm Paradies“ lesen.
Iman Humaidan: Fünfzig Gramm Paradies. Roman aus dem Libanon. Aus dem Arabischen von Regina Karachouli. Lenos Verlag, Basel 2018. 267 Seiten, 14,50 €.

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