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Der damalige Berlinale-Festspielleiter Alfred Bauer 1971 auf dem Flughafen Tempelhof.
© Konrad Giehr/dpa

Interview zum Fall des Berlinale-Gründers: „Bauers Mitgliedschaft in der SA war lange bekannt“

Für Filmhistoriker Wolfgang Jacobsen ist eine Problematisierung der Verstrickungen von Alfred Bauer schon lange überfällig.

Der Filmhistoriker Wolfgang Jacobsen arbeitete von 1991 bis 2018 in der Deutschen Kinemathek. Von ihm erscheint demnächst das Buch „Nazis können nicht lieben“ im Verbrecher Verlag. Das Gespräch führte Andreas Busche.

Herr Jacobsen, haben Sie die jüngsten Enthüllungen der „Zeit“ über die NS-Vergangenheit des Berlinale-Gründungsdirektors Alfred Bauer überrascht?
Es gab schon einen Moment der Überraschung. Andererseits muss ich auch relativieren, dass man die Entdeckung bei einem ernsthaftem Interesse viel früher hätte leisten können. Es ist überfällig, die Verstrickung Alfred Bauers zu problematisieren. Über die Form dieser Darstellung sollte man aber noch einmal nachdenken, nachdem sich der erste Furor gelegt hat.

Die Aufregung entstand, weil eine geplante Publikation der Deutschen Kinemathek mit neuen Quellen selektiv verfahren soll.
Ich kenne meinen Kollegen Rolf Aurich, der für die Publikation verantwortlich ist, als seriösen, akribischen Historiker, der schwierige Sachverhalte sehr begabt zu veranschaulichen versteht. Da ich die Darstellung selbst aber nicht kenne, möchte ich über diese Arbeit nicht urteilen. Ich unterstelle jedoch dem Direktor der Kinemathek Rainer Rother, dass er die Entstehung des Manuskripts eng begleitet hat. Während der Berlinale war ja eine Veranstaltung geplant, in der die neuen Erkenntnisse präsentiert werden sollten.

Sie haben zwei Jubiläumsbände der Berlinale herausgegeben. Von welchem Interesse war Bauer für Sie?
Meine Aufgabe bestand darin, die Geschichte der Filmfestspiele zu schreiben, bei deren Gründung Bauer eine wichtige Rolle spielte. Seine Biografie während des Krieges war bei meinen Recherchen ohne Belang. Zum Zeitpunkt meines Berlinale-Buchs zum 40. Jubiläum wusste ich lediglich, dass Bauer eine niedere Stelle in der NS-Filmbürokratie bekleidet hatte.

Welche Quellen hatten Sie?
Das interne Archiv der Berlinale. Man darf nicht vergessen, dass sich die Quellenlage im wiedervereinten Deutschland ständig veränderte. 1989 sah das anders aus als etwa zehn Jahre später. Das muss man berücksichtigen, wenn man heute etwaige Versäumnisse kritisiert. Ich habe meine Kenntnisse, dass Bauer in der SA war, in Interviews zum 60. Jubiläum mit einigen Journalisten geteilt. Das hätte schon damals Wirbel verursachen können.

Hatten Sie kein Interesse, die sich verändernde Quellenlage weiter zu erforschen?
Es gab Überlegungen dazu, die sich in meiner aktiven Zeit nicht realisieren ließen. Bei personenbezogenen Akten gibt es Schutzfristen von bis zu 30 Jahren nach dem Tod des Menschen. Man kann diese aufheben lassen, dafür braucht es aber einen offiziellen Antrag. Aktenbestände waren archivarisch lange auch nicht aufgearbeitet, zum Beispiel jene, aus dem „Berlin Document Center“, wo die Akten der Reichsfilmkammer lagerten, und nur bedingt zugänglich waren, weil diese sich in der Obhut der Alliierten befanden.

Wie aussagekräftig ist der Satz aus dem Schreiben einer Gau-Behörde, Bauer sei ein „eifriger SA-Mann“ gewesen?
Die Formulierung ist zweifellos zitierfähig, aber sie fügt sich in den Sprachduktus jener Zeit. Das sollte man bei der Bewertung von Dokumenten im Blick halten, auch wenn Bauer sicher aus Überzeugung in der SA war. Seine Mitgliedschaft ist ein Fakt. Aber auch Akten sind nur bis zu einem gewissen Grad objektiv. Niemand weiß, welche Beweggründe den Autor des besagten Schreibens veranlassten, Bauer einen „eifrigen SA-Mann“ zu nennen.

Wie sollte die Berlinale mit den neuen Funden umgehen?
Man sollte sich davor hüten, die Biografie Bauers die Geschichte der Berlinale überwölben zu lassen. Es wichtig, sich die Biografie genauer anzusehen und den Vorwurf zu prüfen, dass das Festival durch personelle Kontinuitäten eine „braune“ Vergangenheit haben könnte. Dafür ist sehr viel mehr Differenzierung notwendig.

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