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Neu im Amt und schon NS-Ärger: Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, die Berlinale-Chefs.
© Odd Andersen/AFP

Alfred Bauer und die Berlinale: „Wir wussten nichts davon“: Berlinale-Chefs und Grütters zu NS-Vorwürfen

Die Berlinale-Chefs Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian äußern sich nach den NS-Enthüllungen zu Alfred Bauer. Monika Grütters stellt sich hinter sie.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich nach NS-Vorwürfen gegen den ersten Leiter der Berlinale, Alfred Bauer, klar hinter die jetzige Festivaldirektion gestellt. Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian hätten „sehr angemessen und konsequent“ deutlich gemacht, dass man die notwendigen Konsequenzen ziehe, wenn die glaubwürdige Darstellung in der „Zeit“ sich erhärtet.

Es sei dann selbstverständlich, dass es keinen nach dem Gründungsdirektor benannten Preis mehr geben werde. „Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit ist Teil unseres nationalen Selbstverständnisses“, so Grütters. Der Vorgang zeige, „dass uns unsere Vergangenheit immer wieder einholt. Darauf müsse man eindeutig reagieren, „das hat die Berlinale-Leitung getan“.

Ein Spezialpreis der Jury ist im Gespräch

Der Alfred-Bauer-Preis für neue Perspektiven der Filmkunst wird 2020 ausgesetzt. „Bevor wir weiteres entscheiden, wird es eine unabhängige Historiker-Expertise geben“, sagte Geschäftsführerin Rissenbeek am Freitag dem Tagesspiegel. Auch sie hält es für unwahrscheinlich, dass je wieder ein Preis unter dem Namen Bauer vergeben wird.

Man denke darüber nach, diesmal einen Spezialpreis zum 70. Berlinale-Jubiläum zu vergeben. Und künftig? „Die Auszeichnung entspricht etwa dem Spezialpreis der Jury auf den anderen großen Festivals,“ so Chatrian als künstlerischer Leiter. „Vielleicht wird es bei uns ein ähnliches Label geben.“ Bei der Frage nach einer Veranstaltung zur Causa Bauer während der 70. Berlinale bittet Rissenbeek um Geduld: „Wir brauchen noch ein paar Tage“.

Die Kinemathek hat die Information nicht absichtlich vorenthalten

Hat die Berlinale-Leitung sich darüber geärgert, dass die Kinemathek als Herausgeber der für Februar annoncierten Alfred-Bauer-Publikation ihres Mitarbeiters Rolf Aurich sie nicht über die Erkenntnisse zu Bauers NS-Verstrickung informiert hat? „Die Kinemathek hat uns das nicht mit Absicht vorenthalten,“ so Chatrian. „Wir sind in Kontakt mit Rainer Rother, dem Direktor der Kinemathek. Wir kooperieren ja ohnehin bei der Retrospektive und der Berlinale-Hommage, es sind gute Beziehungen.“ Laut Rissenbeek hat der „Zeit“-Artikel über Bauers Tätigkeit in der Reichsfilmintendanz sie überrascht. „Wir wussten nichts davon.“

Zwei Tage nach der Veröffentlichung sei es zu früh für abschließende Bewertungen und Entscheidungen über die Zukunft des Alfred-Bauer-Preises, so Chatrian. Natürlich hätten die Erkenntnisse „Auswirkungen auf das Festival, auf die Stadt, auf uns alle. Die Geschichte der Berlinale ist auch die Geschichte Berlins.“ Chatrian macht sich auch Gedanken über die bisherigen Gewinner des nach einem SA-Mann benannten Preises. (mit dpa)

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