Hermann Rudolph zum 80.: Aus seiner Zeit
Hermann Rudolph wird 80. Viele Jahre war er Herausgeber des Tagesspiegels. Der verdankt ihm viel. Und vor allem viele tiefe Gedanken.
Wenn es ein bürgerliches Berlin gibt, das noch dazu intellektuell daherkommt – dann kennt es Hermann Rudolph. Und Hermann Rudolph kennt sie alle. Im Kaiser-Friedrich-Museumsverein oder der James-Simon-Stiftung, bei der Villa Grisebach oder in Oper und Theater, an ihm, dem hochgebildeten Zeitgenossen, scheitert kein Gespräch. Ja, er spricht sehr leise, aber sehr präzise; und er schöpft aus einem staunenswerten Fundus an historischem Wissen, geradezu zeitlos, bis in die jüngsten Tage auch für den Tagesspiegel. Von seinen geisteswissenschaftlichen Reichtümern nicht zu schweigen.
Heute wird Hermann Rudolph 80.
Seine Präsenz im neu erstehenden Bürgertum Berlins nach der Wiedervereinigung ist im Grunde eine logische Konsequenz. Denn der Sohn Sachsens, geboren in Oschatz, verwoben mit Karl-Marx- Stadt, das inzwischen wieder Chemnitz heißt, konnte durch seinen Lebensweg Brücken bauen, von Ost nach West und von West nach Ost. Bis 1959 lebte und arbeitete Hermann Rudolph in der DDR, bei Zeitungen der Ost-CDU hat er angefangen. Dann der Weg nach Westen, zum Studium der Literatur- und Sozialwissenschaften in Freiburg, München und Tübingen, wo er auf den großen Theodor Eschenburg traf, den ersten Inhaber eines Lehrstuhls für Politikwissenschaft in Deutschland. Der lehrte, Politik auf Begriffe zu bringen, damit die Menschen sie verstehen – das Wissen darum hat Rudolph nie verlassen. Das Können auch nicht.
Er promovierte über Hugo von Hofmannsthal
1969 wurde er in Tübingen auch noch mit einer Arbeit über das kulturell-politische Denken Hugo von Hofmannsthals promoviert. Das Thema war Kulturkritik und konservative Revolution. Im Grunde genommen rundet sich hier vieles. Kulturvolles kommt zum wohlverstandenen Konservativismus in seiner liberalsten Prägung – man könnte sagen: Rudolph als Theodor Heuss des Journalismus.
Die Jahre im Anschluss an die Promotion waren die gelungene Rückkehr zum Journalismus, immer bei ersten Adressen. Zunächst bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dann bei der „Zeit“, im Deutschlandfunk als Leiter der Abteilung Politik und Zeitgeschehen, als Innenpolitikchef der „Süddeutschen Zeitung“ – und dann, der Höhepunkt, von 1991 an beim Tagesspiegel als Chefredakteur und viele, viele Jahre als Herausgeber.
Zum Tagesspiegel brachte er seinen weiten Horizont mit – und seine Kenntnis kluger Köpfe. Die gewann er für die Zeitung, als Redakteure und Autoren, aus West und aus Ost. Klangvolle Namen, die heute noch zu hören und zu lesen sind. Ihre Liste füllt ein Buch. Bücher hat er übrigens auch einige geschrieben, das jüngste: „Berlin – Wiedergeburt einer Stadt“.
Dass Rudolph mit dem Theodor-Wolff-Preis, dem renommiertesten Journalistenpreis, ausgezeichnet wurde, nimmt da wenig Wunder. Auch dass er den Karl-Hermann-Flach-Preis erhielt, also den nach einem wirklich großen Liberalen benannten, fügt sich. Wie die Mitgliedschaft im Beirat der Friedrich-Naumann-Stiftung: Naumann hatte mit Hugo von Hofmannsthal publiziert. Lebenslinien schneiden sich zuweilen bei großen Geistern.
Bleiben wir noch einen Augenblick dabei. Wie programmatisch für Rudolphs Leben klingt ein Titel von Hofmannsthal, „Der Dichter und diese Zeit“. Den Vortrag hielt Hofmannsthal in München, Berlin und Frankfurt am Main – Stationen des Lebens auch unseres Jubilars. Die Rede war dazu die erste ausdrücklich zeitkritische Stellungnahme; und die Buchausgabe erschien im S. Fischer Verlag – womit wir bei der Familie von Holtzbrinck wären.
Dem zeitkritisch Einzelnen ist vieles möglich
Ohne Hermann Rudolph und seine weitreichenden Verbindungen gäbe es den Tagesspiegel in seiner heutigen Verfasstheit nicht, als Leitmedium, als Lektüre der Entscheider, als intellektuelle Stimme der Hauptstadt. Und verbunden mit den Holtzbrincks, von denen Monika Schoeller – die den S. Fischer Verlag lange operativ geleitet hat – eine ist. Sie ist die Schwester von Dieter und Stefan von Holtzbrinck. Und lange im Ehrenrat der Hofmannsthal-Gesellschaft. Wie passend. Rudolph gewann die Holtzbrincks für diese Zeitung.
Über Hofmannsthal schrieb er dem Sinne nach, dass dem zeitkritischen Einzelnen vieles möglich sei, auch paradoxe Lagen umzudeuten. Auf seinen Fall angewendet heißt das: 80 Jahre ist Hermann Rudolph – aber das ist doch nicht wirklich so. Wer Politik in seinem Geist betrachtet, bleibt jung.
Zum Geburtstag ein Gedicht – ja, von Hugo von Hofmannsthal: „Kleine Blumen, kleine Lieder,/Heller Klang und bunte Pracht,/ Blumen, die ich nicht gezogen,/ Lieder, die ich nicht erdacht: – / Und ich selber hätte nichts,/ Dir zu bringen, Dir zu danken,/Sollte heute, heute schweigen?/Ach, was mein war, die Gedanken,/Sind ja längst, schon längst Dein Eigen.“
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