Rijksmuseum: Foto-Ausstellung „Modern Times“: Aus Alt wird Neu
Das Amsterdamer Rijksmuseum wagt den Sprung nach vorne: Die Foto-Ausstellung "Modern Times" zeigt eine großartige Auswahl an 400 Fotografien.
„Das 20. Jahrhundert ist das Zeitalter der Fotografie“, verkündete Wim Pijbes, Direktor des Amsterdamer Rijksmuseums, zur Vorbesichtigung des neu-alten „Philips-Flügels“ seines Hauses. Als letzte Phase der zehn Jahre lang dauernden Grundsanierung des Hauses, die im April vergangenen Jahres abgeschlossen wurde, ist nun auch das Ausweichquartier neben dem Hauptgebäude von dem Sevillaner Architekturbüro Cruz y Ortiz in gleich mustergültiger Weise aufgewertet worden.
Dabei galt es, historische Fassaden, die das Rijksmuseum Ende des 19. Jahrhundert gesammelt hatte, nach Jahrzehnten hinter vorgesetzten Wänden sichtbar zu machen und in die nun um einen glasgedeckten Innenhof angeordneten, zuvor disparaten Bauteile zu integrieren. Man darf vermuten, dass der Zustrom von inzwischen fast drei Millionen Besuchern seit Wiedereröffnung des Museums im Jahr 2013 eher noch zunehmen wird, nachdem nun der Philips-Flügel zugänglich geworden ist. Dafür sprechen jedenfalls Warteschlangen an einem verregneten Spätherbsttag von mehreren hundert Metern Länge.
Rijksmuseum wagt den Sprung nach vorn
Aus Alt wird Neu, und auch das Rijksmuseum als Institution wagt den Sprung nach vorne. Eigentlich ist das 20. Jahrhundert das Sammelgebiet des benachbarten Stedelijk Museum, aber im Bereich der Fotografie betätigt sich das Rijksmuseum seit zehn Jahren als überaus engagierter Sammler. Nur zehn Jahre hat es gedauert, eine Sammlung von 50 000 Fotografien teils ganz neu anzulegen, teils aus dem vorhandenen Bestand an Papierarbeiten gewissermaßen herauszuschälen. Davon wird nun eine Auswahl an 400 Fotografien gezeigt, geordnet nach sieben Themen.
Keine Chronologie wird also vorgeführt, sondern die Erweiterung eines Mediums im Laufe seines Gebrauchs gezeigt. Zunächst dokumentarisch verwendet, kommen mit der technischen Entwicklung der Kameras Reportagen hinzu, dann Experimente, die das zuvor dienende Medium zu einer eigenständigen künstlerischen Gattung erheben. Neben der stark vertretenen amerikanischen Fotografie liegt ein Akzent auf der heimischen, der der Niederlande; viele wenig bekannte Namen sind zu lesen, deren Arbeiten doch jedem Vergleich mit denen der ungleich berühmteren Kollegen standhalten.
"Modern Times": Von Germaine Krull bis Karl Bloßfeldt
Immer wieder werden Serien gezeigt, etwa von Germaine Krull die bahnbrechenden Aufnahmen unter dem Titel „Metall“, die die Fotografin 1927 im Rotterdamer Hafen begonnen hatte. Oder von Karl Bloßfeldt die berühmten Makroaufnahmen von Pflanzen, die er 1928 unter dem Titel „Urformen der Kunst“ in Buchform veröffentlichte. Stolz wird die Porträtserie „Niederländische Nachbarn“ an der Stirnwand eines der tageslichterhellten Säle gezeigt, die Stephan Vanfieteren im Jahr 2000 erarbeitet hat.
Zu den Fotografien, die, wie Kuratorin Mattie Boom betont, „alles Originalabzüge“ sind, gesellen sich Fotobücher und Magazine, eben jene Medien, in denen die Fotografie Verbreitung gefunden hat. Parallel zur Sammlung existiert im Haus auch eine spezielle Bibliothek zur Fotografie. Ohne zahlungskräftige Sponsoren und Mäzene wäre der Aufbau der Sammlung, die von László Moholy-Nagy bis Walker Evans, von Jacques-Henri Lartigue bis Gary Winogrand viele, wenn auch nicht alle großen Namen der Fotografie des 20. Jahrhunderts vereint, nicht möglich gewesen. Zugleich aber zeigt sie, was möglich ist – wenn nur der entschiedene Wille dahintersteht.
Welchen Rang man im Rijksmuseum dem Medium Fotografie beimisst, zeigt vielleicht am besten der Umstand, dass für die folgende Ausstellung in den neuen Räumen kein Geringerer als Rembrandt ausersehen ist.
Amsterdam, Rijksmuseum. Bis 11. Januar. Katalog Kleinformat 15 €, Großformat 40 €. – www.rijksmuseum.nl
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