Im Kino: "Die Tribute von Panem - Mockingjay 2": Auf zum Tyrannensturz
Finaler Aufstand: „Die Tribute von Panem“ gehen in die letzte Runde.
Der zeitgenössische Medienkonsument ist eigentlich an Erzählformate gewöhnt, die über die Länge eines durchschnittlichen Kinofilms hinausgehen. Jüngere, meist aus den USA kommende Fernsehserien fesseln ihre Fans mit über mehrere Staffeln reichenden Handlungsbögen, von denen jede bis zu 15 Stunden dauern kann. Von daher sollten die insgesamt zehn Stunden der Verfilmung von Suzanne Collins’ „Hunger Games“-Jugendbuchtrilogie keine unüberwindbare Herausforderung darstellen. Dennoch hatten auch wohlmeinende Kinogänger den Eindruck, dass hier – wie auch bei früheren Adaptionen literarischer Welterfolge wie „Harry Potter“ und „Twilight“ – der Bogen überspannt wurde: Besonders die Praxis, den jeweiligen Abschlussband nochmals in zwei Filmteile zu splitten, roch nach Abzocke und stieß auf Kritik.
So kommt es nun nach dem vor allem im dritten Teil zähen Vorgeplänkel mit „Die Tribute von Panem: Mockingjay Teil 2“ endlich zum großen Finale. Die zwölf unterdrückten Distrikte des Zukunftsstaates Panem haben sich gegen die faschistoid-dekadente Diktatur von Präsident Snow (Donald Sutherland) erhoben. Doch der Tyrann ist nicht willens abzutreten. Um ihn zu stürzen, ist die Eroberung der Hauptstadt Capitol unabdingbar. Die Endphase des Konflikts ist ein erbitterter Häuserkampf, in dem die Rebellenarmee durch sadistische Todesfallen und mörderische Mutanten dezimiert wird.
Die Realität übertrifft längst die Fiktion
Selbstredend ist auch die Heldin der „Hunger Games“, Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence), samt ihrer traumatisierten Entourage mit von der Partie, darunter die um ihre Zuneigung konkurrierenden Peeta (Josh Hutcherson) und Gale (Liam Hemsworth). Doch Katniss’ Elan – all ihr Leiden hat den Kampf gegen Präsident Snow zum persönlichen Rachefeldzug gemacht – wird gebremst, weil sie auf Befehl der Gegenpräsidentin Coin (Julianne Moore) hinter der Front bleiben soll, um Propagandavideos zu drehen.
Ein Tyrann, der lieber eine ganze Nation in den Abgrund zieht, als zurückzutreten, eine Rebellion, die sich so sehr radikalisiert, dass sie sich in der Wahl ihrer Mittel kaum noch vom Gegner unterscheidet – Assoziationen zu aktuellen Ereignissen der Weltpolitik drängen sich im Verlauf der 137 Filmminuten auf. Paradoxerweise hat jedoch die Wirklichkeit den Science-Fiction-Film längst überholt: Gegen den realen Bürgerkriegshorror von Aleppo oder Homs, gegen auf die eigene Bevölkerung abgeworfene Fassbomben, gegen Selbstmordattentäter und Giftgasangriffe wirken Hightech-Gimmicks und pittoresk zerschossene Häuserzeilen wie eine lahme Metapher.
Damit verliert die Erzählung einen Teil ihrer Kraft. Denn das Tolle an den ersten „Tribute“-Teilen war ja gerade, dass nicht nur ein in sich schlüssiges Bild einer Zukunftsgesellschaft entworfen wurde, sondern, dass Gegenwartsphänomene wie die zahllosen auf Wettbewerb und Auslese angelegten Castingshows glaubhaft zum mörderischen Gladiatorenspektakel zugespitzt wurden. Doch so überzeugend die „Hunger Games“ als Medien- und Gesellschaftsdystopie waren, so austauschbar sind sie als Kriegsfilm, zumal man sich damit eines Großteils des visuellen Potenzials beraubt.
Ein letzter Auftritt von Philip Seymour Hoffman
Abgesehen davon bringt Francis Lawrence, der bei drei der vier „Tribute“- Filme Regie geführt hat, das Franchise routiniert über die Ziellinie. Die deprimierende Düsternis des dritten Teils lichtet sich etwas, die lähmende Handlungsarmut weicht einem flotteren Tempo, auch wenn immer noch Szenen mit pathetischen Durchhaltedialogen zu überstehen sind. Jennifer Lawrence macht ihre Sache ordentlich und bekommt wieder ausgiebig Gelegenheit, ihr breites Spektrum an unfrohen Gesichtsausdrücken zu präsentieren. Julianne Moore und vor allem Donald Sutherland verleihen ihren Rollen eine wohltuende Souveränität. Dazu gibt es anrührende letzte Leinwandmomente des vor 22 Monaten verstorbenen Philip Seymour Hoffman.
Schöner Hingucker-Bonus für Berlinkenner: Das Flughafengebäude von Tempelhof und die aus den Siebzigern stammende U-Bahn-Unterführung am Kaiserdamm tauchen als Kulissen des Zukunftsstaats Panem auf – ebenso wie postmoderne Pariser Sozialsiedlungen. So kann man doch noch versöhnt mit dem Finale eines Kinomarathons sein, an dessen glücklichen Ausgang man nicht mehr wirklich glauben mochte.
In 19 Berliner Kinos.
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