Abschied von Wieland Speck: Auf Wiedersehen, Daddy cool!
Der Generationenwechsel bei der Berlinale beginnt: Nach 24 Jahren gibt Wieland Speck die Leitung der Panorama-Sektion ab. Regisseure und Festivalmacher erinnern sich.
Der Wieland Speck ist nicht weg, das reimt sich, und ja, das soll es auch, den feiern wir noch, den Wieland. Er berät das Festival weiter und bereitet die große Retrospektive für 2019 vor, zum 40. Jubiläum des Panoramas. Ich könnte tausend Geschichten erzählen, die ich mit ihm erlebt habe. Unsere erste gemeinsame Reise ging nach New York, wir wohnten in einem Hotel am Central Park West, das es heute nicht mehr gibt, in einer Art Appartement im 14. Stock, mit einer Kitchenette. Plötzlich hörte ich aus dem Nebenzimmer ein intensives Stöhnen, Schreie, Schmerzensschreie, ich fing an, mir Sorgen zu machen. Oh je, dachte ich, was geschieht ihm? Ich bollerte an seine Tür, irgendwann öffnete er, gutgelaunt, wie es seine Art ist. Inmitten von turmhohen Stapeln mit DVDs stand ein Riesenbildschirm, auf dem war ein Mann zu sehen, der kopfüber an der Decke hing, gefesselt und mit kleinen Messern im Körper. „Wieland, was ist das denn?“ – „Na, Filmauswahl.“ Es war mir peinlich: Das gute alte Panorama, sexual diversity, wie konnte ich das jemals wieder vergessen.
Dieter Kosslick, Berlinale-Direktor
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Der schöne scheue junge Mann hinter dem umtriebigen, bis heute unvergessenen Manfred Salzgeber, das war meine erste Wahrnehmung von Wieland Speck. Das muss Anfang der achtziger Jahre während der Berlinale gewesen sein. Kurz bevor es die Panorama-Sektion gab. Beim Max-Ophüls-Festival 1986 entpuppte sich der scheue junge Mann als wahrhaft magischer Geschichtenerzähler. Sein Film „Westler“ hatte Premiere und bezauberte das Publikum und uns. Elfi Mikesch und ich zeigten dort „Verführung: die grausame Frau“, einen ungleich spröderen Film, der erst über die Jahre sein Publikum fand. Wieland tauchte mit seiner Schauspielerin, der zauberhaften Zazie de Paris, dort auf und sie beide gaben dem saarländischen Festival großstädtischen Glanz.
Über die Jahre habe ich versucht, auf dem schmalen Grad einer professionellen Distanz und kollegialen Freundschaft mit Wieland zu wandern, denn als Filmemacherin war ich ja in einer gewissen Abhängigkeit von der Akzeptanz meiner Filme auf der Berlinale. Der ewig warme Punkt zu Wieland ist seinem Engagement für den queeren Filmpreis, dem Teddy, geschuldet. Ich kann mir vorstellen, wie viel Arbeit und Hartnäckigkeit dahintergesteckt hat, diesen Preis zu erkämpfen in einer Zeit, als es noch gar nicht schick war, sondern argwöhnisch beäugt wurde. Dafür ist Wieland großer Dank der internationalen queer film community gewiss. Die Wieland auch sehr liebt. Vor allem die Amis haben da ja weniger Zurückhaltung, als wir gedämpften Deutschen. Und Wieland hat ein großes Opfer gebracht: Er hat weitgehend auf eigene kreative Filmarbeit verzichtet. Das hat ihn bisweilen frustriert. Ich wünsche Wieland jetzt, da er – trotz einiger weiterer Berlinale-Verpflichtungen – in die freie Wildbahn entlassen ist, dass er seiner eigenen filmischen Kreativität wieder mehr Energie geben kann.
Und noch eine Begebenheit der schrägen Art: Wir trafen uns bei einem internationalen Festival, in Toronto 2001. Ich war dort mit meiner Protagonistin, einer heißblütigen heterosexuellen Brasilianerin. Da war Wieland mal wieder Opfer seines guten Aussehens. Meine brasilianische Freundin stürzte sich auf Wieland, himmelte ihn an, bis ich sie beiseite nahm und ihr behutsam mitteilte, dass er kein Interesse an einem Festival-Flirt mit ihr habe. Sie war sehr enttäuscht und sagte: „What a waste!“ Wielands Engagement für den Independent-Film ist sicherlich kein „waste“, sondern das Gegenteil. Und ich bin jetzt erleichtert, denn endlich kann ich mit dem wunderbaren Wieland wirklich befreundet sein.
Monika Treut, Filmemacherin aus Hamburg, Teddy-Gewinnerin 1999 und Special Teddy-Preisträgerin 2017
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Wieland Speck kenne ich aus den späten siebziger Jahren und habe ihn damals für einen Film gecastet. Wir machten sogar Probeaufnahmen in New York. Der Film kam nicht zustande, aber unsere Freundschaft hält bis heute. Wieland arbeitete im Kino, im Verleih und schließlich in der Sektion Panorama der Berliner Filmfestspiele, die er nun seit vielen Jahren leitet. Wieland ist attraktiv, klug, charmant und schwulenpolitisch sehr aktiv. Er lädt immer wieder Filmschaffende aus Ländern ein, in denen Homosexualität unterdrückt wird bzw. immer noch kriminalisiert wird. Auch ich habe ihm viel zu verdanken, sehr viel. Auch wenn ich in viele Kontroversen geriet, Wieland stand zu mir und zeigte meine Filme, war an meiner Seite bei heftigen Diskussionen. Wieland ist ein Sir, seine Höflichkeit furchterregend, und er flippt nie aus, obwohl ihn viele Regisseure hassen, wenn ihre Filme vom Panorama abgelehnt werden. Ich wünsche Wieland, dass er jetzt mehr Zeit hat, wieder selber Filme zu machen, denn sein filmisches Jugendwerk ist beeindruckend.
Hier ein Gedicht für Dich, es soll Dir Mut für die Zukunft machen:
Obwohl die Umwelt weint obwohl die Rechte lacht das Glück wird immer siegen auch in den schlimmsten Kriegen das Glück besiegt das Leid wir alle sind Glückskinder und bleiben es jeden Tag wir sind Glückskinder
Dein Verehrer Rosa
Rosa von Praunheim, Regisseur und Autor aus Berlin, Special Teddy-Preisträger 2014
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Es war immer großartig, Wieland Speck an glamourösen, internationalen Orten über den Weg zu laufen. Er hat eine beruhigende Präsenz und ist jemand, der queere Filmemacher stets unterstützt hat. Beim Hong Kong Gay and Lesbian Film Festival gab es 2005 eine Retrospektive meiner Filme. Der wunderbare, vier Jahre später verstorbene Wouter Barendrecht hatte eine schicke Party für mich in einer Gay Bar organisiert – mit großen Abzügen meiner Fotos an den Wänden. Als ich hereinkam, war Wieland das erste bekannte Gesicht, das ich sah. Locker saß er an der Bar. Auf seinem Weg von Tokio nach Seoul war er zufällig in der Stadt, weshalb er einfach vorbeikam, um mir zu gratulieren und mich zu unterstützen. Wir haben die ganze Nacht Party gemacht. So ein lässiger Typ ist Wieland immer gewesen!
Bruce LaBruce, kanadischer Regisseur. Zuletzt lief 2017 „The Misandrists“ im Panorama (Aus dem Englischen von Nadine Lange).
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Noch in der Filmschule hatten Lily Besilly und ich den Kurzfilm „Heldinnen der Liebe“ auf Super 8 gedreht und auf 16 Millimeter übertragen. Wir wollten einen historischen Slapstick- Look, denn unsere Idee war, von den fehlenden Heldinnen in der Geschichte zu erzählen. Nicht dass es keine Heldinnen gegeben hätte, aber wir leben weiterhin in dieser Heldenwelt, in der noch davon ausgegangen wird, dass der Mann das Feuer erfunden hat und alles andere danach, wie Afrika, Amerika, Indien usw. Als Heldinnen war uns klar, dass der richtige Ort für unsere Uraufführung das Panorama war. Unser Film wurde glücklicherweise eingeladen, und so trafen wir bald Wieland Speck mit seinen so schönen Augen, seiner Freundlichkeit und seinen sagenhaft gut sitzenden Anzügen, an seiner Seite Margret von Schiller, Kuratorin der Kurzfilme. Spannend am Panorama sind nicht nur die schön ausgefallenen queeren Filme, sondern auch der Teddy Award mit seiner Jury. Festivalleiter*innen aus allen möglichen Ländern, die so freundlich waren, uns mit dem Preis zu ehren.
Dadurch, dass aus queeren Zusammenhängen „alle“ Festivalleiter*innen, Verleiher*innen kommen, werden die Filme in der Folge überall gezeigt. Das erleichtert natürlich die Arbeit ungemein und ermöglicht eine gute Vernetzung. Und Wielands Projekt einer Datenbank, in der nachgelesen werden kann, wo überall die Filme laufen, welche Zuschauerzahlen erreicht werden, ist enorm wichtig, stößt man doch immer wieder auf die Bedenken von Redakteur*innen und Produzent*innen, Lesbenfilme seien nicht allgemeinverständlich und nur für ein Nischenpublikum. Viele wissen nicht, dass die Filme weltweit laufen – und das auch sehr lange („Heldinnen der Liebe“ wird heute noch angefragt). Wieland wurde auch immer wieder gefragt, ob es heute noch queere Filme braucht. Mehr denn je! würde er heute vermutlich antworten. Und wir Heldinnen würden hinzufügen: Filme von Heldinnen, die fehlen immer noch!
Nathalie Percillier, französische Filmemacherin und Teddygewinnerin von 1997. Mehr Info: www.innere-lieder.de
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Zum ersten Mal habe ich Wieland Speck 1996 in Berlin getroffen. Ich hatte mich mit meinem ersten Spielfilm „The Delta“ beim Panorama beworben und war abgelehnt worden. Ich war ein junger, ehrgeiziger Filmemacher, und als ich Wieland in einem Kinofoyer sah, hatte ich tatsächlich den Nerv, mich ihm vorzustellen und ihn zu fragen, warum er meinen Film nicht für das Festival ausgewählt hatte. Wieland dachte einen Moment nach, sah mir direkt in die Augen und sagte dann: „Weil ich ihn nicht mochte.“ Das ist eine Wieland-Quintessenz für mich. Seine Ehrlichkeit, genauso wie seine Bereitschaft, transparent mit seinen Meinungen und seinem Geschmack umzugehen – selbst wenn sie zu Konflikten führen – haben ihn zu einem der besten Festival-Programmierer und einer kulturellen Führungsfigur in unserer Community gemacht. Überdies bin ich ihm dankbar für seine Tiefe, seine Originalität und seine Freundschaft, nicht nur weil er einige meiner späteren Filme dann doch gemocht zu haben scheint.
Ira Sachs, US-amerikanischer Filmregisseur. Zuletzt 2016 im Panorama mit „Little Men“ (Aus dem Englischen von Nadine Lange)
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Wieland Speck war mit Manfred Salzgeber dafür verantwortlich, dass mein erster Film auf einem Festival lief. „Mala Noche“ wurde 1986 für das Panorama ausgewählt, wofür ich immer extrem dankbar war. Ich habe einige meiner besten Freunde in dieser Zeit kennengelernt.
Gus van Sant, US-amerikanischer Regisseur, dieses Jahr mit „Don’t Worry, He Won’t Get Far on Foot“ im Wettbewerb (Aus dem Englischen von Nadine Lange)