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Alvis Hermanis.
© Kai-Uwe Heinrich

Alvis Hermanis streitet mit Thalia Theater: Auf Distanz zu Flüchtlingen

Regisseur Alvis Hermanis hatte seine Zusammenarbeit mit dem Hamburger Thalia Theater aufgekündigt, weil er für dieses „refugee welcome center“ nicht zur Verfügung stehen wolle. Jetzt hat sich der Konflikt weiter zugespitzt.

Das Zerwürfnis des Theater- und Opernregisseurs Alvis Hermanis mit dem Hamburger Thalia Theater hat sich in den letzten Tagen verschärft. Hermanis hatte seine Zusammenarbeit mit der Hamburger Bühne aufgekündigt, weil er für dieses „refugee welcome center“, wie er es nennt, nicht zur Verfügung stehen wolle. Eigentlich sollte er im April 2016 dort „Russland.Endspiele“ inszenieren, ein aus Texten von Dostojewskij, Tolstoi, Gorki und anderen collagiertes Stück. Die Absage war in einem E-Mail-Wechsel zwischen Theater und Regisseur erfolgt.

Hermanis warf dem Thalia daraufhin vor, einen privaten Austausch zur Grundlage einer Pressemitteilung gemacht zu haben, in der er unter anderem mit dem Satz zitiert wird, nicht alle Flüchtlinge seien Terroristen, „aber alle Terroristen sind Flüchtlinge oder deren Kinder“. In jedem „Krieg“ müsse man sich für eine Seite entscheiden, er und das Theater stünden auf entgegengesetzten Seiten. Das Thalia hingegen betonte die politische Natur von Hermanis Absage. „Ein bestehendes Vertragsverhältnis mit einer Institution zu kündigen“ und dies massiv politisch zu begründen, so der Intendant Joachim Lux, sei „von öffentlichem Belang und Interesse“.

In einer weiteren Stellungnahme auf „nachtkritik.de“ erläuterte der 50-jährige lettische Regisseur nun die „persönlichen Gründe“ für seine Absage: Er wohne in Paris, in jenem Viertel, in dem die Anschläge am 13. November stattgefunden haben. Der Alltag dort fühle sich jetzt an wie in Israel, „permanente Paranoia“. Als siebenfacher Vater wolle er nicht in eine potenziell ähnlich gefährliche Stadt wie Hamburg ziehen, aus der einige der Attentäter von 9/11 stammten. Die deutsche Regierung habe ihre Flüchtlingspolitik nach den Pariser Anschlägen geändert – Hermanis sieht darin einen Beweis, dass erst „132 junge Menschen in Paris sterben mussten“, bevor man „die Verbindung zwischen Migrationspolitik und Terrorismus zugibt“. Ein Tabu, das er brechen möchte, in Ausübung seines demokratischen Rechts auf freie Meinungsäußerung.

Das Thalia behält Hermanis’ Inszenierung „Späte Nachbarn“ auf dem Spielplan

Wieso nutzt Hermanis die Meinungsfreiheit nicht, um seinen Dissens mit dem Theater inszenatorisch zu verarbeiten? Der Regisseur schafft Fronten, wo keine sein müssen, konstruiert in seinen Stellungnahmen ein Schwarz-Weiß, wo Differenzierung spannender wäre. Das Thalia wird Hermanis’ Inszenierung „Späte Nachbarn“ dennoch im Spielplan behalten: ein Stück von Isaac B. Singer über polnisch-jüdische Immigranten in Amerika – „die beste Antwort auf die gegenwärtigen Verwerfungen“, so Lux. Auch will man weiterhin Geld für Flüchtlingsprojekte sammeln, etwa für das Begegnungscafé Embassy Of Hope. An der Berliner Schaubühne, wo Hermanis zuletzt 2012 „Sommergäste“ herausgebracht hatte, gibt es keine Pläne für weitere gemeinsame Projekte. An der Staatsoper läuft seine „Tosca“.

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