Isolation Berlin beim Pop-Kultur-Festival: Auf dem Bahnhof Zoo im Damenklo
Poetisch, laut und düster: Isolation Berlin ist die spannendste Indierock-Gruppe der Stadt. Jetzt spielt sie beim Festival Pop-Kultur im Berghain.
Vier Jungs sitzen auf Bierbänken vor einem Kiosk in Prenzlauer Berg. Sie spielen in der Band Isolation Berlin, die – wie der Name schon sagt – aus der Hauptstadt kommt. Sie sind alle Mitte 20, zugezogen, und noch erkennt sie niemand hier im Kiez. Doch es wäre arg verwunderlich, wenn sich das nicht schon sehr bald ändern würde. Denn Isolation Berlin sind mehr als nur eine talentierte Indierockband aus Berlin, sie sind eine sensationelle deutsche Band, deren Großartigkeit sich seit gut einem Jahr herumspricht und das, obwohl ihr Debütalbum noch nicht einmal erschienen ist.
Man muss sich nur die Videoclips zu den Songs ihrer bislang erhältlichen zwei EPs ansehen, um eine Ahnung davon zu bekommen, was Isolation Berlin so besonders macht. Wie Sänger Tobias Bamborschke im zuckrig-schönen Song „Aquarium“ in „Oh Boy“-Manier verloren durch die Stadt streift, Currywurst isst und raucht. Wie er in „Grau“, in dem er klingt wie Rio Reiser, singt: „Alles grau, alles kalt“, und sich dazu tanzend in schwarz- weiß-grauem Bildergeflacker auflöst.
Das Berliner Lebensgefühl, das Isolation Berlin hier transportieren, wirkt befremdlich. Ist Berlin nicht die Stadt des Easy-Jetset? Die Stadt, in der junge Leute durch die Clubs ziehen und um jeden Preis grenzenlosen Spaß haben wollen? Eine bunte, weltoffene Stadt, die die Mauerzeittristesse längst überwunden hat? Und da singen Isolation Berlin nun: „Ich muss raus aus meinem Körper“. Sie singen über Schmerz, Liebeskummer, Verlustangst, Depression, Selbsthass, Suizid, und das nicht irgendwie verklausuliert, sondern ziemlich direkt.
„Ich glaub, ich nehm die nächste U-Bahn zum Bahnhof Zoo und häng mich auf im Damenklo“, so klingt es in dem Song, der wie die Band selbst „Isolation Berlin“ heißt. Wenn solch eine Textzeile mit einer existenziellen Inbrunst vorgetragen wird wie bei Tobias Bamborschke, der in seiner lakonisch-schnodderigen Art mal an den Sänger von Ton, Steine, Scherben und mal an Jonathan Richman erinnert, aber auch urplötzlich schreien kann wie der Frontmann einer New Yorker Hardcore-Band und gelegentlich das R rollt wie Till Lindemann von Rammstein, dann gefriert einem wirklich das Herz.
Inspiration "Christiane F."
Wären Isolation Berlin ein Berlinfilm, dann wären sie „Christiane F.“ Aus dem hat Tobias Bamborschke auch die Zeile, die gleich zu Beginn von „Der Bus der stillen Hoffnung“ zu hören ist: „Schlafen kann ich auch noch, wenn ich tot bin.“ Ist das aber nicht ein längst zu Tode zitierter Satz von Rainer Werner Fassbinder? Tobias Bamborschke, der mit 13 aus Köln nach Berlin kam, sagt, das habe er nun schon häufiger gehört, beim Schreiben seines Songs wusste er jedoch nichts darüber, er habe ihn eben einfach bei „Christiane F.“ aufgeschnappt.
So geht das andauernd, wenn man sich mit den Musikern von Isolation Berlin unterhält. Man glaubt, auf einer Spur zu sein, irgendeine Referenz entdeckt zu haben und wird fast immer von der Band auf ein Abstellgleis gestellt. Nimmt der Bandname Bezug auf den berühmten Song „Isolation“ von Joy Division, auch große Verkünder des Weltschmerzes? Nein, überhaupt nicht, heißt es dann. „Zu dem Namen kam es eher intuitiv. Ich hatte mich gerade von meiner Freundin getrennt, war alleine in meiner Kammer und daraus entstand dieses Gefühl: Isolation Berlin“, erklärt Tobias Bamborschke. Und was ist mit Ton, Steine, Scherben? „Die kannten wir gar nicht, als wir angefangen haben, Musik zu machen.“
Man kann die Band wirklich nur schwer einzäunen. Live klingt sie zudem ungleich aggressiver als auf Platte, beinahe punkig, ansonsten hört man ganz gut den Funk von Franz Ferdinand durch, wenn sich das Stück „Isolation Berlin“ dem Ende nähert und sich seine Songstrukturen auflösen, klingt das dagegen fast schon so lärmig wie bei Sonic Youth.
Isolation Berlin finden die meisten anderen Bands der Stadt schlecht
In Berlin stehen sie mit dieser Art von poetisch-düsterem Indierock alleine da, isoliert in Berlin sozusagen. Gitarrist Max Bauer, Schlagzeuger Simeon Cöster und Tobias Bamborschke äußern sich zum dem Thema Indierock aus Berlin auch ziemlich eindeutig. „Fast alle Bands in der Stadt sind scheiße“, sagt Max Bauer. Und Simeon Cöster ergänzt: „Es gibt auch keine Szene, der wir uns zugehörig fühlen würden.“ Die einzigen Berliner Bands, die man ertragen könne, seien die auf dem Label, auf dem man nun selbst sei, Bands des Labels Staatsakt wie Ja, Panik und Chuckamuck.
Das klingt ziemlich arrogant, aber Größenwahn und Arroganz haben der Entstehung guter Popmusik ja noch nie geschadet. Hätten die Sex Pistols alles super gefunden, hätten sie wohl nie genügend Wut verspürt, um „Anarchy in the UK“ zu schreiben. Isolation Berlin wollen nicht sein wie andere, nur wie sie selbst und genau deswegen sind sie auch so spannend. Deutschsprachige Popmusik muss sonst eigentlich immer gleich Zitat- und Diskurspop sein und irre politisch obendrein. Tobias Bamborschke aber sagt: „Wir versuchen eigentlich gar nichts.“ Er scheint in seinen jungen Jahren bereits zu wissen: Man kann sich auch zu wichtig nehmen als Popmusiker. Seine Band nennt ihre Musik „Proto Pop“, sagt dazu aber selbst, sie wisse eigentlich gar nicht, was das sein soll.
Isolation gibt es in der total vernetzten Welt ja eigentlich gar nicht mehr, die Band behauptet aber einfach das Gegenteil und zieht sich mit ihren Ängsten zurück in die totale Innerlichkeit. Man kann Tobias Bamborschke und seinen Mitstreitern vorwerfen, sie seien Eskapisten. Doch andererseits drücken sie mit ihrem diffusen Unwohlsein auch etwas aus, was immer mehr Menschen in Berlin, und nicht nur hier, berührt. Sie beschwören das Bild einer Stadt, in der man immer noch durch unbeleuchtete Gassen streifen und in zerfallenen Gebäuden aus kaputten Fenstern blicken kann. Diese Stadt verschwindet bekanntlich langsam, bald ist das allerletzte Haus im Prenzlauer Berg luxussaniert.
Diese Stadt wollen Isolation Berlin aber nicht. Das macht sie am Ende dann doch zu einer politischen Band in Scherben-Tradition, auch wenn ihr das ziemlich gleichgültig ist.
Konzert: 26.8., 22 Uhr Berghain, Panoramabar
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität