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Flirt mit dem Saal. Der 28-jährige Charles Yang mit einem Violinsolo beim Finale von Young Euro Classic.
© MUTESOUVENIR / KAI BIENERT

Finale von Young Euro Classic: Amerika, mon amour

Ein Bernstein-Abend mit dem Schleswig-Holstein Festival Orchestra zum Finale vom Young Euro Classic.

Musikalische Völkerverständigung ist ein schmutziges Geschäft. Man will lieber gar nicht so genau wissen, was für einen ökologischen Fußabdruck die 19. Ausgabe des Young Euro Classic-Festivals hinterlässt. Hunderttausende Flugmeilen haben die 1200 Musikerinnen und Musiker hinter sich gebracht, um beim Jugendorchestertreffen im Konzerthaus dabei sein zu können. Denn die Ensembles reisen ja aus der ganzen Welt an, diesmal unter anderem aus Südafrika und Neuseeland, aus Kanada, Georgien, der Ukraine. Und sie haben jede Menge Gepäck dabei, Sperriges wie Kontrabässe und Perkussioninstrumente, Anspruchsvolles wie Celli, die ja stets einen eigenen Sitzplatz im Flieger haben müssen. Da liegt nicht nur Musik in der Luft, sondern auch Kerosin.

Die 378 Kilometer, die das Schleswig- Holstein Festival Orchestra von Büdelsdorf bis zum Berliner Gendarmenmarkt zurücklegen musste, erscheinen da als Katzensprung. Aber nur auf dem Papier: Denn in dem Nest bei Rendsburg verbringen die 110 Mitglieder des 1987 von Leonard Bernstein ins Leben gerufenen Nachwuchsförderprogramms nur ihre Probenphase – tatsächlich sind sie eine globale Truppe. Da es alljährlich 1500 Bewerber gibt, jetten Vertreter des Festivals zunächst für Probespiele in 30 Städte in Nord- und Südamerika, Asien, Europa sowie in den Nahen Osten, von wo aus sich die glücklichen Gewinner eines Platzes in der Orchesterakademie dann wiederum auf den oft sehr weiten Weg machen.

Leonard Bernstein, der am 25. August 100 Jahre alt geworden wäre (er starb 1990), haben die Schleswig-Holsteiner ihr Programm gewidmet, das am Montag das Finale von Young Euro Classic 2018 markiert. Ziemlich klug ist dabei die Kombination von drei Stücken ihres amerikanischen Gründervaters mit Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert. Denn die 1947 in Hollywood entstandene und von Jascha Heifetz uraufgeführte Partitur ist ein Paradebeispiel für jene Art von Musik, gegen die Bernstein Zeit seines Lebens ankomponiert hat.

Vieles wirkt mehr laut als lässig

Verführerisch entfaltet der 28-jährige Charles Yang den Solopart, mozartkugelrund ist sein Ton, geschmeidig schraubt er sich in höchste Höhen, lässt mit Stehgeiger-Leidenschaft die dekadente Atmosphäre des untergegangenen k.u.k-Österreich akustisch auferstehen, der Korngold stilistisch entstammt. Das hat Retrocharme – doch so richtig rockt Yang den Saal bei der Zugabe, wenn er sein Instrument erst zur Country-Fiddle macht, dann jazzig improvisiert, um schließlich den Ben E. King-Klassiker „Stand by me“ zu singen, wobei er sich auf seiner zur Gitarre umfunktionierten Geige begleitet.

Das hätte auch Lennie gefallen. Denn sein Ziel war es ja, der von Emigranten mitgebrachten europäischen Spätromantik etwas genuin Amerikanisches entgegen zu setzen, das fest verwurzelt ist in allen nationalen Genres vom Gospel bis zur populären Tanzmusik.

Dabei sind Bernsteins vertrackte Rhythmen äußerst schwer zu spielen. Und das hört man dem Schleswig-Holstein Festival Orchestra auch an, weil es dem Dirigenten Wayne Marshall nicht gelingt, seine Schützlinge locker zu machen. Hart, fast gewalttätig klingt die Suite aus der Filmmusik zu „On the Waterfront“, und auch bei den Hits aus der „West Side Story“ wirkt vieles mehr laut als lässig, fühlen sich die Musikerinnen und Musiker dann am wohlsten, wenn sie in den langsamen Passagen von „Somewhere“ und „Maria“ mal Luft holen, den Klang aufblühen lassen können. Vollends zur Zirkusmanegenmusik macht Wayne Marshall dann die „Candide“-Ouvertüre, wenn er ohne Not das Tempo dermaßen hochpeitscht, dass mit allen Details auch der ganze Witz dieser bissig-brillanten Musik im Klangstrudel untergeht.

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