Volksbühne nach Dercon: Am Rosa-Luxemburg-Platz gibt es wieder ein Ensemble
Intendant Klaus Dörr stellt die Berliner Volksbühne neu auf. Zur festen Schauspielerinnenriege gehört zukünftig auch Jella Haase.
Gute Nachrichten vom Rosa-Luxemburg-Platz, das gab’s länger nicht. Aber nun: Klaus Dörr, der die Volksbühne in finanziell angeschlagenem und weitgehend leergespielten Zustand von Chris Dercon übernommen hat, stellt langsam wieder Zustände her wie in einem richtigen Theater. Weder ist das Haus bankrottbedroht (trotz Defizit von 1 Million Euro bei Amtsantritt), noch muss es sich weiterhin mit einem Gastspielbetrieb durch die Saison retten. Obwohl das zuletzt passabel funktioniert hat, die Auslastung im zweiten Halbjahr 2018 betrug 80 Prozent.
Dörr, der sich bis Sommer 2021 nun offiziell Intendant nennen darf, stellt die Volksbühne jetzt neu auf: Der Isländer Thorleifur Örn Arnarsson wird Schauspieldirektor. Der Regisseur war zuletzt in leitender Funktion am Staatstheater Wiesbaden engagiert, außerdem hat er mit einer wilden, phantasmagorischen „Edda“ in Hannover für Furore gesorgt und auch den „Faust“-Preis gewonnen. Passend dazu will er in Berlin vor allem weiter erforschen, was uns Mythen über die gegenwärtige Welt erzählen können.
Man ist auf der Pressekonferenz im Roten Salon der Volksbühne nur kurz irritiert, weil Arnarsson das Wort wie „Mieten“ ausspricht – und es wäre ja nicht undenkbar, dass ein Theatermacher sich mit dem Wohnungsmarkt auseinandersetzen möchte. Aber nein, seine Eröffnungsinszenierung wird „Eine Odyssee“ nach Homer sein, neu erzählt. Was zum Spielzeitmotto 2019/20 passt, das Dörr und sein künstlerisches Team ersonnen haben: „Geschichtsmaschine“.
Hausregisseurin mit feministischer Perspektive
Und weil Geschichte generell immer noch unter einer Übermacht männlicher Erzählungen ächzt, wird Lucia Bihler, zweite Neuerung, als Hausregisseur eine dezidiert feministische Perspektive einnehmen. Bihlers (mit ihrer Inszenierung „Die Hauptstadt“ vom Schauspiel Wien 2019 zum Festival „Radikal Jung“ eingeladen) inszeniert zum Auftakt im 3. Stock das Projekt „Final Fantasy“ über weibliche Lust („unterrepräsentiert im öffentlichen Diskurs“) und später (in der Spielzeit 20/21) im Großen Haus eine „Iphigenie“-Überschreibung mit dem schönen Titel „Traurig und geil im Taurerland“.
Apropos große Bühne. Dort werden in der kommenden Saison unter anderem auch Kay Voges („Right Here – Right Now“), die gerade zum Theatertreffen eingeladene Claudia Bauer („Germania“ nach Heiner Müller), David Marton („Howl“ nach Allen Ginsberg), Stefan Pucher („Legende“ nach Ronald M. Schernikau) sowie – hocherfreulich! – Hans-Werner Kroesinger inszenieren („Die Ermittlung 2020“ von Peter Weiss). Ein Programm ohne Wow-Effekte, aber vielversprechend allemal.
Last but not least, dritte Neuerung: Das Haus wird wieder ein Ensemble haben, mit 17 festen Spielerinnen und Spielern. Das war ja bekanntlich einer der Hauptstreitpunkte im Dercon-Kulturkampf. Neben zwei alten Bekannten – Sir Henry und Silvia Rieger – zählen beispielsweise dazu die eher aus dem Kino bekannte Jella Haase („Fack ju Göhte“, „25km/h“), der in Berlin durchaus vertraute Robert Kuchenbuch und hoffnungsvolle Nachwuchskräfte wie die Ernst-Busch-Absolventen Sarah Maria Sander und Theo Trebs.
Für alle weiteren Fragen, zum Beispiel nach der Zukunft ab 2021, verweist Klaus Dörr an die Brunnenstraße 188-190, also an den geschätzten Kultursenator. Patrick Wildermann