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Der chinesische Künstler Ai Weiwei
© imago/ZUMA press
Update

Ai Weiwei hat seinen Pass wieder: Als erstes will Ai Weiwei nach Berlin kommen

Chinas prominentester Künstler Ai Weiwei war 2011 inhaftiert und unter strengen Auflagen wieder entlassen worden. Jetzt hat der chinesische Künstler seinen Pass zurückerhalten - ein Zeichen für politische Entspannung ist das aber leider nicht.

Als erstes will er nach Berlin kommen, um seinen sechsjährigen Sohn und seine Lebensgefährtin zu sehen, die hier zur Zeit hier leben. Sein Sohn geht hier zur Schule. Ai Weiwei, China bekanntester Gegengewartskünstler und Regimekritiker, hat seinen Pass wieder.

Noch am Mittwochmorgen stellte er auf seinem Instagram-Fotoblog ein Bild vom frischen Blumenstrauß im Fahrradkorb vor dem Tor seines Ateliers ein, der symbolisch für den immer neu verweigerten Pass steht. „Der 600. Tag“, postete der 57-Jährige zum 600. Tag der kleinen, feinen Open-Air-Installation. Kurz darauf folgte ein neues Instagram-Bild, auf dem Ai Weiwei seinen Reisepass hochhält: „Heute habe ich meinen Pass bekommen.“

Im April 2011 war Ai Weiwei am Pekinger Flughafen festgenommen worden, er saß 81 Tage in Haft. Auch seine Mitarbeiter und Anwälte waren Repressalien ausgesetzt, sein Reisepass wurde eingezogen. Diejetzige neue Politik gegenüber dem Konzeptkünstler und Menschenrechtsaktivisten, der auch als Architekt arbeitet und das „Bird’s Nest“ für die Olympischen Spiele entwarf, hatte sich bereits angedeutet: Im Frühjahr war es Ai Weiwei erstmals wieder erlaubt worden, seine Werke offiziell in China auszustellen.

„Wir freuen uns sehr für den Künstler, aber auch darüber, dass der Antritt seiner Gastprofessur in greifbare Nähe rückt“, sagte Bjoern Wilck als Sprecher der Berliner Universität der Künste, die Ai Weiwei 2011 zu einer dreijährigen Gastprofessur einlud und seitdem darauf wartet, dass er nach Berlin reisen kann. Die Finanzierungszusage seitens der Einstein-Stiftung steht nach wie vor. Universitäts-Präsident Martin Rennert hat für Oktober einen Besuch bei Ai Weiwei in Peking vereinbart, nun wird die Berlin-Connection womöglich beschleunigt – Ai Weiwei verfügt auch über ein Atelier am Pfefferberg. Außerdem hat der Künstler angekündigt, er wolle sich in Deutschland einer Nachuntersuchung seiner Kopfoperation unterziehen. 2009 war er in München operiert worden, um die Folgen eines brutalen Übergriffs chinesischer Beamter auf ihn zu behandeln.

Gereon Sievernich, Direktor des Berliner Martin-Gropius-Baus, freut sich ebenfalls über die Nachricht von der Rückgabe des Reisepasses und hofft, „dass Ai Weiwei künftig nicht nur aus seinem Land ausreisen, sondern auch wieder einreisen kann“. Der Gropius-Bau hatte Ai Weiwei 2014 eine große Einzel-Schau gewidmet. Seine Werke wurden verschifft, mit offizieller Genehmigung, nur der Künstler konnte nicht kommen. Auch nicht 2013 zur Biennale Venedig, die erstmals Arbeiten zeigte, in denen Ai Weiwei seine Haftzeit reflektiert.

Keine Entspannung der Menschenrechtslage in China

Sievernich hofft außerdem, dass die Anwälte des Künstlers freikommen, die vor knapp zwei Wochen festgenommen wurden. Die gute Nachricht in Bezug auf Ai Weiwei fällt in eine Zeit, in der sich die Menschenrechtslage in China nicht entspannt, sondern eher verschärft.

Laut Amnesty International waren in einer landesweiten Aktion vor knapp zwei Wochen über 200 Bürgerrechtsanwälte, deren Mitarbeiter und Menschenrechtsaktivisten festgenommen worden – die bislang größte Verhaftungswelle seit dem Amtsantritt von Parteichef Xi Jinping. Die meisten wurden wieder freigelassen, aber einige sind seitdem verschollen oder sitzen nach wie vor fest, etwa der Anwalt Zhou Shifeng, der die neun Monate lange inhaftierte „Zeit“-Mitarbeiterin Zhang Miao vertrat.
Ein Zeichen der politischen Öffnung bedeutet die Passrückgabe also leider nicht, wie auch Sophie Richardson von der New Yorker Organisation Human Rights Watch feststellt. Die chinesischen Behörden missbrauchten zunehmend das Recht auf Bewegungsfreiheit, um Druck auf kritische Stimmen auszuüben. Einige bekämen keinen Pass, andere dürften nicht zurückkommen oder würden „im Ausland gejagt“. So kann nicht als sicher gelten, dass Ai Weiwei tatsächlich Ausreisevisa bekommt – etwa für geplante Ausstellungen in London, Paris, Helsinki und Melbourne.

Die Lage, sagt der Berliner Galerist Alexander Ochs, ist ambivalent

Der Berliner Galerist Alexander Ochs, Freund des Künstlers und Initiator der Kampagne „Freiheit für Ai Weiwei“, ist trotzdem optimistisch und hofft, dass sich die Situation wenigstens für Künstler in China entspannt. Aber auch Ochs macht auf die Ambivalenz der Lage aufmerksam. Hier eine Verhaftungswelle, dort eine Lockerung von Zensur und Repressalien – man darf gespannt sein, was Ai Weiwei künftig morgens um 9 Uhr im Fahrradkorb deponiert. Dort, vor seinem Studio im Pekinger Stadtteil Chaoyang, unter den Augen der Überwachungskameras. (mit dpa)

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