Bachmannpreis 2021: Alles wird gut
Supersamstag beim Ingeborg-Bachmann-Preis: Am dritten und letzten Lesetag des Wettbewerbs überzeugen vor allem Dana Vowinckel und Nava Ebrahimi.
In Klagenfurt beim Bachmann-Wettbewerb ist es manchmal wie beim Fußball: Ein Spiel hat neunzig Minuten, in der Regel inzwischen mindestens drei, vier Minuten mehr – und auch der Wettbewerb geht bis zum frühen Samstagnachmittag, bis zur 14. Lesung eines Autors, einer Autorin.
Das muss dehalb in dieser Plattheit einmal so verglichen werden, weil man nach zwei Dritteln des Wettbewerbs den Eindruck hatte, es 2021 mit einem eher schwächeren Jahrgang zu tun zu haben.
Doch der Samstag bringt tatsächlich eine Wendung zum Besseren, viel Besseren. Schlag auf Schlag geht es, von Beginn an, bis zu Nadine Schneiders durchaus gelungener, allerdings von der Jury sehr kontrovers diskutierter Dorfgeschichte „Quarz“.
Die Welt eines jüdischen Mädchens
Zu Necati Öziri haben sich jedenfalls an diesem heißen Samstag noch einige potentielle Preisgewinnerinnen und - gewinner gesellt, allen voran die 1996 in Berlin geborene Autorin Dana Vowinckel. Sie liest einen Auszug aus einem geplanten Roman, einen multiperspektivischen Text über ein jüdisches Mädchen, das in Chicago bei seiner Großmutter die Ferien verbringt, und ihren Vater, der in Berlin-Prenzlauer Berg Kantor der jüdischen Gemeinde ist.
Gekonnt wandert Vowinckel zwischen den Welten, der religiösen, der zwischen den Kontinenten, zwischen Berlin, Chicago und Jerusalem, und der eines pubertierenden Mädchens, das noch nicht weiß, wie es sich zum Judentum verhalten soll, das überhaupt noch ganz profane Teenagersorgen hat. Ein stimmiger, dichter Text mit starken Figuren.
Alles andere als dicht und voller starker Figuren ist danach Timo Karl Kalyetas Highsmith-Ripley-Variation „Mein Freund am See“, dafür stimmig auf der scheinbar profanen Pop-Erzähloberfläche.
Eine Tom-Ripley-Variation
Und in sich geschlossen ist die Geschichte über die vermeintliche Freundschaft von zwei jungen Männern. Der eine ist reich, ungebunden. Und der andere überlegt, wie es wäre, wenn er ihn wie einst Ripley seinen Freund Philippe Greenleaf umbringen würde - nur hat man nie den Eindruck, dass dieser schwache, sich selbst unsichere Ich-Erzähler dafür die Energie und den Mut hat.
Man könnte bei Kalyeta von gehobenem Mittelmaß sprechen. Doch ist seine Erzählung viel konsequenter, viel hintergründiger als die in ihrer konventionellen Erzählanlage vergleichbaren, leider vor allem banalen Texte von Leander Steinkopf und Lukas Maisel.
Ganz anders das dann wieder internationale Setting bei der 1978 in Teheran geborenen, in Köln aufgewachsenen und in Graz lebenden Schriftstellerin Nava Ebrahimi.
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In ihrer Erzählung „Der Cousin“ besucht eine Schriftstellerin ihren in New York lebenden Cousin, der Tänzer ist. Beide erinnern sich an die Flucht aus ihrem Heimatland, dem Iran, an den unerzählten Teil dieser Geschichte. Wie sie sich diesem Teil nähern und ihn erzählen – „Weißt du noch, wann du davon erfahren hast?“, fragt er – löst Ebrahimi auf mehreren Ebenen sehr geschickt: Sie liest aus ihrem Roman vor, er tanzt – und legt schließlich ein Tonband ein, auf dem seine Stimme erklingt, und so kommt es zu einer Vorstellung der besonderen Art.
Vea Kaiser will Elke Heidenreich beerben
Die Jury hat manchmal zu viel Zeit, um diese gelungenen Darbietungen zu diskutieren, da gerät sie gerade bei den Texten von Vowinckel und Ebrahimi in die Gefahr, diese letztendlich noch zu zerreden. Irgendetwas lässt sich ja immer noch finden, und wenn es eine Stilblüte ist. Grundsätzlich bleiben die Fronten auch an diesem Tag klar: Hier Insa Wilke und Klaus Kastberger, die demonstrieren, was Literaturkritik ist und kann.
Und dort Vea Kaiser, die am liebsten in den Spuren von Elke Heidenreich wandelt („großartig“, „grandios“, „noch nie gelesen“), und Philipp Tingler, der seinen schwächsten Tag hat und keinen der Texte wirklich gut findet. Mit Ebrahimi und Vowinckel darf man am Sonntag ganz weit vorn rechnen. Im Verein mit Öziri wären damit drei Preise schon einmal vergeben.
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