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Der Berliner Autor Necati Öziri bei seiner Bachmannpreis-Lesung.
© Bachmann-Wettbewerb

Ingeborg-Bachmannpreis 2021: Dann beginnt das Leben

In puncto Textqualität ein leider müder Auftakt: Der erste Tag beim 45. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Einzige Ausnahme: Necati Öziri.

Es ist dieser ja nicht nur in Klagenfurt sehr heiße Donnerstag der Tag, an dem in Wien auf dem Zentralfriedhof die vergangene Woche verstorbene Dichterin Friederike Mayröcker beerdigt wird. Anlass also für die Verantwortlichen des Bachmann-Wettbewerbs, zwischen den Lesungen in der Mittagspause mit einem Feature ihrer zu gedenken. Aber auch im ORF-Studio, da der Juror Klaus Kastberger vor Beginn der vierten Lesung und Diskussion ein Gedicht von Mayröcker vorträgt.

Das ist eine schöne Geste außer der Reihe. Ansonsten kann man fast von business as usual in Klagenfurt sprechen, zumindest was die Hakeleien der Jury untereinander und die Qualität der bisherigen Texte betrifft. Die sind leider fast alle nicht so weltmeisterlich oder wenigstens ansprechend, sondern konventionell und bieder wie der von Magda Woitzuck über eine Krankenschwester in der Provinz oder der aus vielen Miniaturen bestehende Traumtext von Katharina J. Ferner.

Auch Julia Webers verstaubt-öde Erzählung über eine seltsame Bekanntschaft von zwei Frauen, in der es primär um Sex und Geld geht, und der Text von Heike Geißler weisen daraufhin, dass dieser Jahrgang ein womöglich nicht so starker ist, obwohl die Jury gerade den Geißler-Text mitunter zu einem recht gelungenen hochdiskutierte.

Wieviel Adorno, wieviel Kreuzberg

Einzige Ausnahme an diesem Donnerstag ist Necati Öziris präzise, klar durchkomponierte Kafka-Variation, eine Ansprache des im Krankenhaus auf eine neue Leber wartenden Erzählers an seinen Vater, "Morgen wache ich auf und dann beginnt das Leben". Bei Öziri zeigt sich einmal mehr, dass die Videoporträts tief blicken lassen und auf die womögliche Güte eines Textes verweisen. So wie der 1988 geborene und in Berlin lebende Autor und Theatermacher durch die Kreuzberger Oranienstraße läuft und vor sich hin sprüchelt, konnte das nur etwas werden.

"Wieviel Adorno, wieviel Kreuzberg gibt man den Leuten?", fragt Öziri in seinem Video, was schon einmal der ultimative Spruch dieses 45. Wettbewerbs werden könnte. Er selbst hat die Frage anders beantwortet: Viel gute Literatur, da braucht es weder Adorno noch Kreuzberg.

Und die Jury? Muss sich mit den Neulingen Mara Delius und Vea Kaiser noch finden. Delius dürfte und sollte sich ruhig mehr zu Wort melden, Kaiser dagegen das Literarische Quartett, wo sie öfter zu Gast ist, besser hinter sich lassen und auf das Diskursniveau von Klaus Kastberger und Insa Wilke begeben. Sie beide geben letztendlich den Ton an - und liefern sich mit dem Dritten in diesem Bunde, dem überraschend vielseitigen, manchmal aber erratischen, etwa die Biederkeit des Woitzuck-Textes gar "transzendental" findenden Philipp Tingler hübsche Wortgefechte.

Schön und ein bisschen böse, wie Kastberger nach der Lesung von Katharina J. Ferner seine Kolleginnen und Kollegen daran erinnert, dass sie nicht nur schon einmal etwas von der Mikroprosa gehört haben sollten, sondern es ihre Aufgabe sei, die Texte zu erklären. Gleich drei Mitglieder der Jury hatten sich außerstande gesehen, zu Ferners Vortrag entscheidend was sagen zu können.

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