Regener-Verfilmung „Magical Mystery Tour“: All die Rave-Dödel
Eine kongeniale Romanverfilmung: Arne Feldhusen hat Sven Regeners „Magical Mystery Tour“ auf die Leinwand gebracht. Mit Charly Hübner und Detlev Buck als Raver.
Als Sven Regener vor vier Jahren durch die Lande zog, um seinen Roman „Magical Mystery Tour oder Die Rückkehr des Karl Schmidt“ zu bewerben, betonte er stets: „Das ist kein Roman über Techno. Kein Roman über die Rave-Zeit, auch kein Rock-’n’-Roll-Roman! Sondern ein Abenteuerroman.“
Das war insofern nötig, als dass es da wegen bestimmter Oberflächen leicht zu Missverständnissen kommen konnte: Der Roman ist zeitlich Mitte der neunziger Jahre angesiedelt, also zur hohen Zeit von Techno und Rave, handelt von einem Techno-Label und ein paar seiner Acts, die auf eine – freilich obskure – Club-Tour gehen, und endet bei dem neben der Love Parade größten Rave jener Zeit, dem Mayday, hier von Dortmund nach Essen verlegt. Und mitten drin: eben jener Karl Schmidt. Der hatte schon in Regeners Debüt- und Kreuzbergroman „Herr Lehmann“ eine Rolle, war dann lange in psychiatrischer Behandlung, und hat deshalb nun entscheidende Veränderungen in der Popkultur und die Anfänge von Techno nicht mitbekommen.
„Wie bei den Beatles, nur auf Rave“
Was Regener damals über seinen Roman gesagt hat, lässt sich nun auch problemlos über Arne Feldhusens „Magical Mystery Tour“- Film sagen, für den Regener höchstselbst das Drehbuch geschrieben hat: Dies ist kein Film über Techno und die Rave-Jahre, über die Clubkultur jener Zeit und überhaupt, so wie beispielsweise „Berlin Calling“ mit Paul Kalkbrenner in der Hauptrolle. Trotz mancher Musik zur Zeit in den jeweiligen Clubs, die meist wie Rockschuppen aussehen (was ja tatsächlich der Fall war), trotz eines Westbam-Tracks und „From Disco To Disco“ am Ende, trotz Cameo-Auftritten von einschlägigen, insbesondere Kölner DJ- und Techno-Größen wie Hans Nieswandt, Justus Köhnke oder den Voigt-Brüdern.
Nur: Was ist dieser Film dann? Sicher kein Abenteuerfilm. Zunächst ist man unangenehm überrascht. Nicht weil der Film sich sehr getreu an die Romanvorlage hält, sondern weil es den Anschein hat, als werde das hier jetzt eine ordentliche Führung durch die Tiefen des schrecklichen deutschen Filmkomödienhumors. Charly Hübner, wie er als Karl „Charly“ Schmidt in Berlin auf seine alten Kumpels und Labelbetreiber Raimund und Ferdi trifft, gespielt von Marc Hosemann und Detlev Buck, und von diesen als Fahrer, Aufpasser und später auch Vortänzer und Bierzapfer engagiert wird: für die Magical Mystery Tour , „wie bei den Beatles, nur auf Rave“, von wegen Liebe und so, „wir brauchen was für die Seele“.
Und weiter, wie er auf einem Feldbett im BummBumm-Büro schläft, alle immer „schön“ essen gehen, zu „Lala“, Asia-Nudeln, immer „schön“ im Gänsemarsch hin und zurück, mindestens dreimal, file under „Trainspotting“. Wie Ferdi die neue Zeit erklärt, die Hits, dass sie mit Geld „zugeschissen“ würden. Wie all die anderen nach und nach vorgestellt werden, die Musiker und DJs, Anja und Dubi, Holger und Basti, sie alle mehr oder weniger DJ-Karikaturen, Dödels oder Maucken, als die sie Regener bezeichnen würde – all das ist hart an der Humorgrenze. All das warnt jedoch zugleich und von Beginn an: Vorsicht, wir nehmen den ganzen Techno-Kram nicht wirklich ernst. Wir liefern hier kein filmisches Erklärmodell für die Club- und Techno-Bewegtheit jener Zeit, und auf der Suche nach der verlorenen Zeit sind wir schon lange nicht.
Erstaunlich ist: Als der BummBumm-Tross sich einmal und endlich mit dem Zapf-Kleintransporter aus der Köpenicker Straße (na, klar, die Firma heißt hier anders) in Bewegung gesetzt hat Richtung Bremen und weiter über Köln und Hamburg nach München, Schrankenhusen-Borstel, haha, und ins Ruhrgebiet, gewinnt der Film von Minute zu Minute, er ist ja jetzt auch ein Roadmovie. Der Humor wird erträglicher, gar feinsinniger, und Detlev Buck als Britpop-blondbeschopfter Ferdi wird immer besser, ja, so gut, wie es der großartige Charly Hübner sowieso die ganze Zeit ist, aber auch Marc Hosemann als Raimund und Annika Meier als Rosa. Und obwohl es weiterhin klamaukig zugeht, gerät Schmidt zunehmend in den Fokus: mit den zarten Banden, die er zu Rosa knüpft (oder besser: sie zu ihm), mit seiner Psychose, seiner Drogenzwangsabstinenz, seiner ewigen Raucherei (Prince Denmark, Schachteln noch ohne Warnhinweise und Horrorbildern, sehen super aus!, will man sofort wieder rauchen). Arne Feldhusens Film bekommt durch den angeschlagen-stoischen Schmidt seine eigene Poesie, auch eine ganz eigene Geschichte.
Es geht um Zusammengehörigkeit, Mitmenschlichkeit
Eine der wirklich hinreißendsten Szenen ist die Beerdigungszeremonie vor einem Abfalleimer für eines der beiden mit auf Tour gegangenen Meerschweinchen. Charly hält hier die Trauerrede. Diese pendelt zwischen Wehmut, Zuversicht und Zartheit, zwischen Komik und Trauer. Und erzählt wie nebenher, ähnlich wie jene, als Charly, Rosa und Basti (oder ist es Holgi?) einen kleinen ausgelassenen Zugspitzenausflug machen, doch etwas von der Come-Together- und Friede-Freiheit-Freude-Eierkuchen-Gestimmtheit der Rave-Zeit. Da geht es um Zusammengehörigkeit, um Mitmenschlichkeit und dass das Leben schön und hart sein kann.
Natürlich beantwortet auch diese Szene nicht, was der Film „Magical Mystery Tour“ nun genau ist. Eine kongeniale Romanverfilmung, ganz sicher. Regener kann das, das Drehbuchschreiben, seine Romane sind ja die besten Blaupausen dafür. Ein lustiger Wohlfühlfilm? Eine Zeitreise mit melancholischen Anwandlungen? Vielleicht, ganz einfach: eine Art Techno-Film, der durch die schunkelig-treibenden Analog- und Surfsounds des Easy-Listening-Komponisten Erobique seine wirklich adäquate Titelmusik bekommen hat.
In elf Berliner Kinos
Gerrit Bartels
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