Die Kommunen und die Kunst: Abgang einer Dame
Die Versteigerung von Jacksons Pollocks „Elegant Lady No. 5“ könnte ein Menetekel sein. Nachdem das Düsseldorfer Museum Kunstpalast sein wichtigstes Bild verloren hat, wachsen die Sorgen um das Essener Folkwang Museum.
Die Pointe ist bitter. Der Verkauf seines Gemäldes „Elegant Lady No. 5“ brachte Jackson Pollock kein Glück. Er tauschte das Bild 1954 mit seiner New Yorker Galeristin gegen jenes Oldsmobile 88 Cabriolet ein, mit dem er zwei Jahre später auf Long Island tödlich verunglückte. Die Versteigerung des 98 mal 50 Zentimeter großen Werks aus der Spätphase des Künstlers, als er mit schwarzer Emailfarbe für seine Drip Paintings neue Möglichkeiten zu erproben begann, hat 60 Jahre später mittelbar erneut einen Crash zur Folge. Diesmal nicht mit tödlichem Ausgang, aber das Vertrauen in das Modell Public-Private-Partnership hat mit der Verauktionierung des Pollock-Bildes gründlich Schaden genommen.
Weniger als zehn Millionen Euro brachte das Schwarz-Weiß-Gemälde mit einer weiblichen Kontur am rechten Rand bei der Post-War- und Contemporary-Versteigerung von Christie’s in New York in der vergangenen Woche ein. Damit blieb der Pollock hinter seinen Erwartungen zurück, das Werk sollte eigentlich bis zu 20 Millionen Dollar erzielen. Für seinen Besitzer ist es trotzdem ein Geschäft, denn der damalige Direktor des Düsseldorfer Energieunternehmens Eon hatte das Werk 1980 für eine Million Mark erworben. Wirklich erfreuen werden sich seine Nachfolger an der Rendite trotzdem nicht, denn der Deal hat allzu unangenehm öffentlich gemacht, wie schnell die zuvor hehre Kunst zur Rettung der Bilanzen herhalten muss, wie fragil das Kultursponsoring von Unternehmen ist, die in wirtschaftliche Turbulenzen geraten.
Düsseldorfs Public-Private-Partnership ist mit Pollock so ziemlich an die Wand gefahren, auch wenn die eingespielte Summe dem laufenden Betrieb des Museums Kunstpalast zumindest bis 2017 mit 750 000 Euro jährlich noch zugute kommen soll. Seit 2001 hatte sich das nun an einen anonymen Bieter vermutlich nach Übersee versteigerte Bild als bedeutendstes Werk in dem Düsseldorfer Museum befunden, das von Eon wesentlich mitgetragen wird.
Eon brachte seine Firmensammlung damals zur Museumsgründung in den Ungers-Bau ein und durfte dafür auf dem benachbarten Grundstück direkt am Rhein seine neue Betriebszentrale prominent bauen. Immer wieder war in der Vergangenheit von Spannungen die Rede, Einmischungen in Museumsbelange seitens des Unternehmens. Durch den Verkauf des Pollock dürften sich die Gewichte nochmals deutlich zugunsten von Firmeninteressen und Ökonomie, genauer: von public zu private hin verschoben haben.
Die miese Haushaltslage in Essen bringt den Kämmerer in Versuchung
Mit Pollock ist der Unfall in Düsseldorf nun passiert, ein ungleich größeres Drama zeichnet sich wenige Kilometer weiter in Essen mit dem renommierten Folkwang-Museum ab. Dort stehen Cézanne, van Gogh, Gauguin zwar nicht zum Verkauf, wie vonseiten der Lokalpolitiker schon eiligst versichert wird, aber ein erster Schritt in die Richtung könnte die geplante Umwidmung des Museumsvereins in eine GmbH sein. Die damit einhergehende Höherbewertung der zuletzt mit knapp 246 Millionen Euro veranschlagten Sammlung in der Vermögensbilanz der Stadt soll die desaströse Haushaltslage der mit 3,3 Milliarden verschuldeten Stadt aufbessern. Auch hier ist es wieder die angeschlagene Wirtschaftslage eines Energieunternehmens, das der Kunst zur Bedrohung wird – ganz ohne die Friktionen einer Public-Private-Partnership. Die niedrigere Dividende von RWE hat zur Folge, dass der Kommune als Anteilseignerin Einkünfte in Millionenhöhe verloren gehen. Prompt kam den Haushältern die städtische Sammlung, die erst 2010 einen Anbau von David Chipperfield erhielt, in den Sinn.
Die Ausgründung des Museums in eine neue Rechtsträgerschaft würde die stillen Reserven in dreistelliger Millionenhöhe heben, als Polster für die dünne Eigenkapitaldecke der Stadt, wie die „WAZ“ bereits frohlockt. Der Deutsche Kulturrat dagegen zeigt sich entsetzt vom „tiefen Fall der Stadt Essen“. Im Grunde handelt es sich nur um ein Zahlenspiel. Die Stadt benötigt positives Eigenkapital, das für den Kämmerer im Museum schlummert, denn das städtische Vermögen muss höher als die Schulden veranschlagt sein. Die Umwandlung in eine GmbH mit der Stadt als einzigem Gesellschafter bietet sich als Lösung an. Bislang war von Achim Middelschulte, dem Vorsitzenden des Museumsvereins, dem die Sammlung zu gleichen Teil mit der Stadt gehört, kein Entsetzensschrei zu hören, nur die Versicherung, dass die seit über 90 Jahren gelten Vertragsbedingungen Gültigkeit behalten werden.
Und doch kommen jetzt schon Zweifel auf. Der Markt hat eine dynamische Kraft, die Zahlen besitzen eine eigene Macht des Faktischen. Der aktuelle Boom im Auktionsgeschäft, der ausgerechnet beim Düsseldorfer Pollock nicht zum Tragen kam, könnte sich als verführerisch für künftige Kämmerer erweisen, wenn die Stadt unter ihren Schulden weiter in die Knie geht. Zwar spricht heute noch niemand von Versilbern, doch lassen sich die Neutaxierungen schon jetzt wie Preisschilder lesen.
Wie so ein Ausverkauf vor sich geht, ist gegenwärtig in Detroit zu beobachten. Dort wurde Christie’s vom städtischen Insolvenzverwalter beauftragt, die mit öffentlichen Geldern erworbenen Werke des Detroit Institut of Arts zu bewerten. Ein lukrativer Auftrag. Die Auktionshäuser profitieren nur davon, wenn Museumsware in den Verwertungskreislauf des Marktes kommt. Die Beulen holen sich die anderen.
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