Der Tagesspiegel-Fragebogen (24): 15 Fragen an - Bela Sobottke
Wir haben Comicschaffenden je 15 Fragen gestellt - zu ihrer Arbeit, zu ihren Vorbildern und zur Lage der Comic-Nation. Heute: Bela Sobottke („König Kobra“, „Knochen-Jochen“)
1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Beides gleichzeitig. Während ich die Geschichte schreibe, zeichne ich auch die ersten Skizzen, oder umgekehrt.
2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Ich höre dabei wummernde Rap-Mucke. Übrigens bei jeder Art von Arbeit, vom Comic-Zeichnen bis zur Umsatzsteuer-Voranmeldung. Gleichmäßige Rhythmen erhöhen das Konzentrationsvermögen.
3. Was essen und trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Früher habe ich mir gerne ein paar Biere beim Zeichnen genehmigt - bis ich festgestellt habe, dass die Seiten ohne besser werden. Seitdem lass' ich's.
4. Angenommen, Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Meine von Frank Miller signierte Carlsen-Ausgabe von "Die Rückkehr des dunklen Ritters" und meine Gesamtausgabe von "John Difool: Vor dem Inkal" mit einer wunderbaren Original-Zeichnung von Zoran Janjetov darin.
5. Welche Zeichner/Autoren waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Philippe Druillet, Moebius, Maurice Tillieux, James Steranko, Frank Miller, Kelley Jones. Ferner Regisseure wie George A. Romero, John Carpenter, Sam Raimi, sowie die Zeichentrick-Legende Ralph Bakshi.
6. Welches Comic-Buch/Heft/Album würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
"Watchmen" von Alan Moore und Dave Gibbons. Der Comic-Unkundige würde auf den ersten Blick denken: "Ja, klar, Superhelden-Grütze!" um nach der Lektüre überrascht und geläutert anzuerkennen, dass auch typische Comic-Genres viel Potenzial haben.
7. Glauben Sie, dass dem Comic die Aufmerksamkeit zuteil wird, die er verdient?
Das ist natürlich in den letzten Jahren besser geworden. Der Comic ist sehr viel präsenter, und das ist gut für die ganze Comic-Szene. Allerdings gibt es bei Preisverleihungen und Berichterstattung (und somit in der öffentlichen Wahrnehmung) einen Überhang zu Autobiographien, Kunst-Zeug und allgemein denjenigen Comics, die sich als "Graphic Novels" tarnen.
8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/innen verdienten mehr Aufmerksamkeit als sie sie im Moment haben?
Da gibt es viele. Ich will mal ein besonders eindeutiges Beispiel nennen: Philippe Druillet. Während seine Position im frankobelgischen Raum unbestritten ist, wurden in Deutschland gerade mal drei seiner Alben veröffentlicht, zwei vor 30 Jahren, eins vor 20 Jahren. Wenn also sogar ein derartiger Gigant bei uns nicht gebührend beachtet wird, muss man sich nicht wundern, wenn so mancher einheimische Zeichner auch unterbewertet wird.
9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Irgendwann erkennt mal ein Juror, dass Stephan Hagenow so etwas wie ein Hansrudi Wäscher für Freaks ist. Und dann bekommt er einen Preis für sein Lebenswerk. Aber bis dahin sind noch ein paar Jahrzehnte Zeit (wir wollen Stephan nicht älter machen, als er ist) während derer er in seinem konkurrenzlosen Tempo weiter Comics produzieren kann und sein Lebenswerk auf noch irrwitzigere Größe anwachsen wird.
10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Ich würde ihn auf die Couch vor den Fernseher mit Soundsystem setzen, neben ihn eine Kiste Bier stellen, ihm Fernbedienung und Flaschenöffner in die Hand geben, und einen Film von Robert Rodriguez einlegen (z.B. Planet Terror). Nachdem er diesen Film dann als dröhnendes Hörspiel erlebt hat, weiß er, wie sich referenzielle aber authentische, bodenständige aber kreative, selbstironische aber ihr Medium ernst nehmende, inhaltlich dreckige aber handwerklich saubere Genre-Geschichten anfühlen. Und mit diesem Gefühl ist er nah an dem, was man hoffentlich beim Lesen meiner Comics empfindet.
11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Gerade habe ich die Arbeit an "Ingo der integrale Ingenieur" beendet, einem Piccolo-Heft, das ausnahmsweise nicht mit der großen Pulp-Kelle angerührt wurde, sondern bei dem es sich um einen Gag-Strip handelt. Das Piccolo-Heft wird ab Januar 2011 erhältlich sein. Darüberhinaus sprechen mein Verleger Holger Bommer und ich zur Zeit viel über das Gringo-Comics-Heft zum Gratis Comic Tag, für das alle aktiven Gringo Zeichner nagelneue Seiten beisteuern werden. Mein Beitrag wird eine König-Kobra-Kurzgeschichte sein, deren heimlicher Hauptdarsteller der Berliner Funkturm ist. Außerdem schreibe ich gerade die Geschichte für meinen nächsten Comic-Band und zeichne erste Skizzen dazu. Nach Serienmörder-Krimi (Knochen-Jochen) und Endzeit (König Kobra) nehme ich mir ein weiteres Genre vor: Diesmal wird es ein bizarrer Italo-Western! Mein Verleger hat zwar noch nichts davon gesehen, aber wie ich Holger kenne, wird ihm das Material gefallen.
12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comiczeichner/-autor zu werden – und wieso würden Sie ihm davon abraten?
Wer ein abgesichertes Leben mit üppigem Gehalt und Eigenheim führen will, dem rate ich ab. Aber allen Überzeugungstätern, denen ein Plan B nie in den Sinn kommen würde, rate ich zu!
13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Das ist ein großartiger Moment. Vor ein paar Tagen zählte ich die druckfrischen "Ingo"-Piccolos ab (den Druck hatte ich betreut), soundso viele für den beteiligten Auftraggeber, soundso viele für den Verlag, da kam ich mir vor wie ein verdammter Mafioso beim Geld sortieren. Toll!
14. Welche Note hatten Sie im Kunstunterricht?
Ich war ein fauler Schüler und hatte immer Noten zwischen 2 und 3, das war in Kunst nicht anders.
15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Eine Comic-Biographie über Dirk Niebel.
Der Berliner Comicautor und Zeichner Bela Sobottke hat sich unter anderem mit dem ironischen Endzeit-Zombie-Schocker „König Kobra“ (Tagesspiegel-Rezension hier) und dem in der Neuköllner Hasenheide spielenden Massenmörder-Drama „Knochen-Jochen“ (Rezension hier) einen Namen als Autor derber, blutrünstiger und doch zeichnerisch und erzählerisch professionell gemachter Comic-Unterhaltung gemacht. Jetzt erscheint von ihm ein Sammelband, der eine andere Seite des Diplom-Designers zeigt: Das Piccolo-Büchlein „Ingo der integrale Ingenieur“ versammelt auf 32 Seiten Gagstrips, die Sobottke für die Website des Berliner Unternehmens Schaeffer AG geschaffen hat. Die Firma stellt Frontplatten und Gehäuseteile her, zu den Kunden zählen hauptsächlich Ingenieure. Das neue Werk und alle früheren sind bei Gringo Comics erschienen. Mehr von und über Bela Sobottke findet man auch auf seiner Website www.2werk.de.
Alle bisher erschienenen Folgen unserer Fragebogen-Serie finden Sie unter diesem Link.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität