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Zwicken im Rücken. Kreuzschmerzen haben meist keine schwerwiegende körperliche Ursache.
© dapd

Kreuzschmerzen: Was können Sie dagegen tun?

Bei Kreuzschmerzen empfehlen Experten mehr Bewegung. Was aufgeklärte Orthopäden noch raten.

Wird bei Kreuzschmerzen zu oft operiert? Ein großes Ja und ein kleines Nein. Nehmen wir die drei wichtigsten Formen von Kreuzschmerzen. Alle haben ihr Zentrum im Kreuz, also in der Lendenwirbelsäule. Die größte Gruppe bilden, mit mindestens 85 Prozent all derer, die das sprichwörtliche Kreuz mit dem Kreuz haben, Patienten mit nichtspezifischen Rückenschmerzen.

„Nichtspezifisch“ soll heißen, dass sich die Rückenschmerzen nicht auf bestimmte körperliche Veränderungen zurückführen lassen. Daher stellt sich bei diesen Kreuzschmerzen die Frage eines chirurgischen Eingriffs gar nicht. Und viele der früher und auch teilweise noch heute üblichen nichtoperativen Behandlungen gegen Rückenschmerzen haben sich als unwirksam oder sogar schädlich erwiesen.

Keine OP nötig: Kreuzschmerzen bei Bandscheibenvorfall

Auch bei der zweiten Kategorie – Kreuzschmerzen bei Bandscheibenvorfall – ist eine Operation meist nicht angebracht. Dagegen wird die kleinste, aber wachsende Gruppe von Rückenleidenden – Patienten mit Kreuzschmerzen durch Wirbelkanalenge – noch zu selten operiert. Dies ist das Fazit aus der nationalen Kreuzschmerz-Leitlinie sowie aus mehreren Vortragsreihen und Gesprächen beim Deutschen Chirurgenkongress in Berlin.

Nichtspezifische Rückenschmerzen

Der Umgang mit den nichtspezifischen Rückenschmerzen hat sich grundlegend geändert. Das Prinzip: Keine aufwendige Apparatemedizin, nur so viel Schonung wie anfangs vielleicht nötig, so viel Aktivierung wie – mit ein paar Schmerztabletten – irgend möglich.

Das gilt auch für Kreuzschmerzen, die in die Beine ausstrahlen, nicht aber für Taubheitsgefühl, Schwäche und Kribbeln in Gesäß und Beinen. Vor allem verbunden mit plötzlichen Blasen- und Mastdarmstörungen können dies Zeichen für das gefürchtete Kaudasyndrom sein, bei dem das Absterben wichtiger Nerven droht.

Solche Risiken lassen sich durch Befragung und körperliche Untersuchung erkennen. Laut Leitlinie soll der Patient mit akuten Kreuzschmerzen aber keinesfalls gleich geröntgt oder einem anderen aufwendigeren bildgebenden Verfahren unterzogen werden. Das ist nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich. Denn der von Kreuzschmerzen Geplagte fühlt sich gleich kränker, wenn er eindrucksvolle Knochenzacken an seiner Wirbelsäule sieht. Die müssen aber überhaupt nichts mit seinen Kreuzschmerzen zu tun haben.

Wahrscheinlich weichen Röntgenbild und persönliches Befinden nirgends so oft und so weit voneinander ab wie bei der Wirbelsäule. Früher behandelte man tatsächlich (Röntgen-)Bilder. Je mehr Untersuchungen die Patienten mit Rückenschmerzen hinter sich hatten, desto elender fühlten sie sich, zumal Kreuzschmerz eine psychische Komponente hat.

Bei Rückenschmerzen: Nicht schonen, sondern bewegen!

Eine negative Wirkung bei Rückenschmerzen hatte auch das veraltete Verordnen von strikter Schonung, womöglich Bettruhe, und das lange Krankschreiben. Durch eine passive, muskelschwächende Therapie können Rückenschmerzen leicht chronisch werden, wird in der Leitlinie gewarnt. Empfohlen wird von Experten, die akuten Rückenschmerzen mit schmerz- und entzündungshemmenden Tabletten und vielleicht auch Wärme so weit zu lindern, dass die Betroffenen ihre täglichen Aktivitäten rasch wieder aufnehmen können. Es gibt keinen Nachweis dafür, dass Spritzen oder Infusionen die Kreuzschmerzen besser lindern als Tabletten.

Ausdrücklich nicht zu empfehlen sind nach dieser wissenschaftlichen Leitlinie beim akuten Kreuzschmerz: Akupunktur, Bettruhe, Ergotherapie, Interferenztherapie, elektrische Nervenstimulation, Kurzwellendiathermie, Lasertherapie, Magnetfeldtherapie, Massage, Orthesen, Kältetherapie, Traktionsbehandlung und therapeutischer Ultraschall.

Fast dieselben Warnungen vor Nutzlosem gelten auch beim chronisch gewordenen nicht spezifischen Kreuzschmerz. Empfohlen wird gegen Rückenschmerzen hingegen ein mehrere Methoden kombinierendes Behandlungskonzept. An oberster Stelle steht dabei eine Bewegungstherapie (Rückenschmerzen sind oft eine Folge von Bewegungsmangel), also Aktivierung, eine entsprechende Schulung und Beratung, auch wegen psychosozialer Risikofaktoren, Entspannungsverfahren, Verhaltenstherapie und Arzneimittel.

Warum eine Bandscheiben-OP oft gar nicht lohnt

Erst nach zwölf Wochen unzureichender Behandlung ist ein apparatives Bild der Wirbelsäule, etwa eine CT-Aufnahme, vorgesehen. Was ist, wenn es einen Bandscheibenvorfall zeigt? Ist dann eine Operation zwingend? Keineswegs – mit einer schon erwähnten wichtigen Ausnahme: Bei deutlichen Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen sowie gestörter Blasen- und Darmfunktion.

In allen anderen Fällen wird geraten, es erst mit Schmerzmitteln und Physiotherapie zu versuchen. Denn Bandscheibenoperationen sind nicht gerade nachhaltig: Nach ein paar Jahren haben Patienten mit und ohne Eingriff das gleiche Maß an Rückenschmerzen, sagte Bernd Kladny, Orthopäde an der Fachklinik Herzogenaurach, auf dem Chirurgenkongress. Ist der Leidensdruck sehr groß und hofft jemand auf momentane Erleichterung, wird er sich trotzdem operieren lassen. Im Zweifelsfall sollte man eine zweite Meinung einholen.

Für Schäden nach einer Bandscheibenoperation gibt es sogar eine eigene Krankheitsbezeichnung: „Postdiskektomiesyndrom.“ Die hohe Zahl solcher Eingriffe wird seit langem beklagt; trotzdem steigt sie noch immer, in Deutschland binnen fünf Jahren um 43 Prozent. Aus medizinischen Gründen? Dagegen sprechen die erstaunlichen regionalen Schwankungen innerhalb Deutschlands. Nach Kladny werden in einer Region sechsmal so viele Bandscheiben operiert wie in einer anderen. Er fragte, wie oft dieser Eingriff „angebotsinduziert“ ist, denn „den Krankenhäusern bringen Wirbelsäulenoperationen Geld“; wie überhaupt alles Apparative besser bezahlt wird als ein Aufklärungsgespräch mit dem Patienten über Sinn oder Unsinn eines Eingriffs.

Einig sind sich die Experten darin, dass eine ganz bestimmte Rückenoperation zu selten stattfindet: die der „lumbalen Spinalkanalstenose“, das heißt, der Wirbelkanalenge in der Lendengegend. Eingeengt wird dabei der Rückenmarkkanal durch angeschwollene Bänder oder neugebildete Knochenmasse. Auch können die Nerven bedrängt werden, die seitlich aus dem Wirbelkanal durch die Zwischenwirbelöffnungen austreten.

Spinalstenose: Physiotherapie sinnvoll, aber nicht zu lang

Es gibt verschiedene Spielarten dieser Verschleißkrankheit. Mit zunehmender Lebenserwartung ist sie häufiger geworden, wird aber noch immer verkannt. Ein verengter Wirbelkanal werde als Ursache für Gehbeschwerden älterer Menschen häufig übersehen, sagt der Leipziger Neurochirurg Meixensberger. Das schränke Beweglichkeit und Lebensqualität ein.

Die Betroffenen können nicht mehr lange aufrecht gehen und stehen, ohne dass ihnen Schmerzen und Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheit zu schaffen machen. Die Schmerzen lassen nach, wenn sie vorgebeugt stehen und gehen wie ein halb zusammengeklapptes Taschenmesser. Ein Merkmal der Spinalstenose ist auch die Zunahme der Beschwerden beim Abwärtsgehen und die Besserung beim Bergauf- oder Treppaufsteigen. Die dabei nötige etwas vorgebeugte Haltung entlastet das bedrängte Nervengewebe.

Diese Entlastung ist zum Teil auch durch Krankengymnastik und andere Maßnahmen möglich. Aber „häufig wird zu lange mit Physiotherapie behandelt und eine Operation hinausgezögert“, warnte Meixensberger. Durch die moderne, sehr schonende Technik der gezielten Entfernung von sehr wenig Knochen- oder Bandmaterial können die Nerven so vom Druck befreit werden, dass die Operierten meist beschwerdefrei werden.

Rosemarie Stein

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