zum Hauptinhalt
Die Anzahl der Menschen, die wegen psychischen Leiden krankgeschrieben wurden, hat zugenommen.
© dpa

DAK-Gesundheitsreport: Burn-out ist kein Massenphänomen

Konkurrenzdruck, lange Arbeitszeiten, Stress: Laut DAK-Gesundheitsreport hat sich die Anzahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden stark erhöht. Das liegt aber auch an einem veränderten Problembewusstsein von Betroffenen und Ärzten.

Die Fehltage wegen Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden haben sich zwischen 1997 und 2012 um 165 Prozent erhöht. Die Gründe sind offenbar vielschichtig: Einerseits sprechen Patienten öfter als früher über psychische Probleme mit dem Arzt. Andererseits sehen Mediziner durch Arbeitsverdichtung, Konkurrenzdruck und langen Arbeitszeiten eine Ursache für mehr Krankschreibungen mit psychischen Diagnosen. Dennoch sind deutsche Arbeitnehmer nicht auf dem Weg, sich zu einem „Volk von psychisch Kranken“ zu entwickeln.

„Das Bewusstsein und die Sensibilität von Ärzten und Patienten diesen Krankheiten gegenüber haben sich deutlich verändert“, begründete Herbert Rebscher, Chef der DAK-Gesundheit am Dienstag bei der Vorstellung des DAK-Gesundheitsreports den Anstieg. Entgegen dem verbreiteten Eindruck sei „Burn-out“, also die totale Erschöpfung durch zu viel Stress im Beruf, aber „kein Massenphänomen“, sagte Rebscher.

Im vergangenen Jahr hatten laut DAK-Report die Ärzte nur bei jedem 500. Mann und jeder 330. Frau ein Burn-out auf der Krankschreibung vermerkt. Für den Report wertete das IGES-Institut im Auftrag der DAK die Krankschreibungen von 2,7 Millionen erwerbstätigen Versicherten aus und befragte 3000 Arbeitnehmer und Ärzte.

Burn-out wird häufig wie eine eigenständige psychische Krankheit vermerkt. Allerdings diagnostizieren Ärzte diese Krankheit oft ergänzend bei Depressionen und Anpassungsstörungen. Die Depression verursacht demnach mit 85 Fehltagen pro 100 Arbeitnehmer mehr als acht Mal so viele Ausfalltage wie Burn-out. Sprechen heutzutage Patienten offener über psychische Probleme mit ihrem Hausarzt, bleiben psychische Probleme im Betrieb stark stigmatisiert. Das zeigt in der Studie ein Vergleich zwischen 2004 und 2012.

Das Verständnis von Mitarbeitern für psychische Probleme wird 2012, im Unterschied zu 2004, eher pessimistisch eingeschätzt. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf für Betriebe und betroffene Mitarbeiter, das Thema mehr als bisher aus der Tabuzone herauszuholen“, sagte Rebscher.

Ständige Erreichbarkeit erhöht die Gefahr von Depressionen

Berufliche Telefonate außerhalb der Arbeitszeit führen häufig zu Depressionen. Bei Arbeitnehmern, die ständig erreichbar sind, steigt das Gesundheitsrisiko erheblich: Fast jeder Vierte von ihnen leidet unter einer Depression. Das sind rund zwei Prozent der Arbeitnehmer. „Für diese kleine Gruppe hat der Wegfall der Grenze zwischen Beruf und Privatleben einen hohen Preis“, sagte Rebscher.

Fast jeder sechste Arbeitnehmer wird laut Report einmal pro Woche oder öfter außerhalb der Arbeitszeit angerufen. Neun von zehn Arbeitnehmern haben ihre Telefonnummer beruflich hinterlegt. Im Vergleich zur telefonischen Erreichbarkeit stuften die 3000 Befragten (Arbeitnehmer und Ärzte) die Belastung durch Emails deutlich geringer ein. Neun Prozent checken ihre Mail mehrmals die Woche abends oder am Wochenende.

Belegt sei aber, dass psychische Störungen „seit Jahrzehnten“ in der Bevölkerung nahezu gleich verbreitet seien. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass heute mehr Menschen psychische Störungen haben als vor 20 Jahren“, sagte Frank Jacobi, Professor an der Psychologischen Hochschule Berlin.

Beschäftigte werden heute mit einem psychischen Leiden krankgeschrieben, früher dagegen mit Diagnosen wie chronische Rückenschmerzen oder Magenbeschwerden.

Im Vorjahr sank der allgemeine Krankenstand leicht um 0,1 Prozentpunkte auf 3,8 Prozent. Von 1000 Erwerbstätigen pro Tag waren im Durchschnitt 38 krankgeschrieben. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten legten keine Krankschreibung vor.

An der Spitze der Krankheitsarten lagen die Muskel-Skelett-Erkrankungen (23,2 Prozent), darunter vor allem Rückenerkrankungen, gefolgt von psychischen Erkrankungen (14,5 Prozent), Atemwegsleiden (14,5 Prozent) und Verletzungen (12,5 Prozent).

Sabine Beikler

Zur Startseite