Interview zur Berliner Fashion Week: Wolfgang Joop: "Ich gebe so schnell nicht auf!"
Mit seiner Kollektion für Van Laack zeigte Wolfgang Joop zum ersten Mal eine Modenschau während der Berliner Fashion Week. Ein Interview mit dem Designer.
Wolfgang Joop nimmt als Letzter den Aufzug in die sechste Etage des KadeWe. Jeder möchte mit ihm ein Selfie machen. Er möchte das auch unbedingt, lacht, küsst, umarmt, als ob die Feinkostabteilung so etwas wie eine verlorene Heimat sei. Sofort wird er von der Menge verschluckt, es dauert, bis er am schwarzen Podest angekommen ist, wo gleich die Entwürfe gezeigt werden, die er sich für Van Laack ausgedacht hat. Die Erwartungshaltung ist nicht allzu hoch. Und dann gibt es eine Kollektion für Frauen und Männer zu sehen, die ziemlich weit vom Businesshemd entfernt ist, und in der unverkennbar Wunderkind durchschimmert.
Es ist erstaunlich, dass es Ihnen mit Ihrem Status noch gelingt zu überraschen.
Ich zitiere mal Karl Lagerfeld: Die Leute, die ihren Stil gefunden haben, bedrohen einen wie der Bolero von Ravel. In der Mode ist es wie in der Malerei. Der Käufer erwartet eine Identität, die er wiedererkennen kann. Die heutige Logomanie kann eine eigene Handschrift völlig verdrängen wie zum Beispiel bei Gucci. Es geht dann ganz schnell, dass die Leute das gar nicht mehr als etwas Besonderes erkennen. Ich wollte vor allen Dingen Männer und Frauen in gleicher Balance zeigen – was sehr selten ist. Diesmal bin ich überrascht, dass wir es wirklich gleichwertig hingekriegt haben, dass die Jungs genauso spannend oder lustig aussahen wie die Mädchen. Was auch typisch für meine Handschrift ist: Dass sie nicht zu prätentiös rüberkommen.
Trotzdem sahen sie aus wie vom Himmel gefallene Götter.
Oh, schön! Sowas kann man ja von sich selber nicht sagen. Das ist die Haltung. Wenn du nur den kommerziellen Aspekt im Blick hast und nur zählt, was man hinterher anziehen kann, bist du im Feld Mode vielleicht auch falsch. Es ist etwas Seltsames eigentreten: Wir wollen nichts mehr. Und in dem Moment, in dem keiner mehr was will, musst du verführen.
Gab es viel Vorlauf für die Kollektion?
Van Laack hat uns Referenzen gegeben, mit denen wir arbeiten konnten. Mit ein paar Leuten, die schon bei Wunderkind bei uns gearbeitet haben, habe ich ein paar Drucke ausprobiert, darauf konnten wir zurückgreifen.
Und das in Kombination mit typischen Van-Laack-Stoffen.
Das Erste, was Van-Laack-Geschäftsführer Daniels sagte, war: Kannst du das Bürohemd neu erfinden? Ich war überrascht, weil es sofort in meinem Kopf war. Jetzt gibt es das Hemd mit den elastischen Einsätzen, das von vorne schlicht aussieht, aber in der Bewegung fantastisch ist. Ich trage nicht gerne Hemden, weil über die Hose oder in die Hose, das ist schwierig. Aber die riesigen Stückzahlen bei Boss und Van Laack werden für Berufe gemacht, wo man sich noch einer Kleiderordnung unterziehen muss. Ein klassisches Berufsteil zu erneuern, hat mir Spaß gemacht.
Was ist Ihr Plan?
Wir wollen den Umsatz steigern, da bin ich dabei. Ich habe meine Lektionen gelernt und gerade ich wurde ja auch immer am ökonomischen Erfolg gemessen. Das ist auch vor allem in Deutschland so, sehr protestantisch. Nicht erst mal gucken, ob es schön ist. Das Anschauen hat ja auch einen Mehrwert. Eine Redakteurin hat mal zu mir gesagt: Das mit der Kreativität, das gibt sich auch noch.
Scheint bei Ihnen nicht so zu sein.
Ich bin dankbar, dass wir jetzt diese Chance haben. Van Laack ist nicht aus dem High-Fashion-Bereich, da fragt keiner, wann die Stylistin kommt.
Sie haben gesagt, dass eine Zeit des Mangels kommt. Selbst gewollter Mangel?
Der selbst gewollte Mangel ist noch nicht begriffen worden in seiner Chance. Die Leute denken, wir konsumieren und es ist alles gut. Aber es ist nicht begriffen, dass nichts mehr da ist. Für einige Leute gibt es eine unverschämte Menge an Luxus, aber auf Kosten anderer. Und die machen jetzt den Mund auf. Es gibt die Schülerstreiks, es gibt den Youtuber Rezo. Da mischt sich jemand in die Politik ein, der sagt in seiner Sprache: Die machen alles kaputt und belügen uns. Ich finde es großartig, dass junge Leute sagen: Für uns bleibt nichts übrig.
Wir leben ja auch im Überfluss.
Wenn Freunde im Restaurant sitzen, bekomme ich Fotos von dem, was auf dem Tisch steht. Die Trendforscherin Lee Edelkoort sagt: Das Überangebot nimmt einem den Appetit. So geht es mir auch. Deshalb greife ich auf Musterteile aus meinem eigenen Kleiderschrank zurück, die ich aufgehoben habe. Ich muss gar nicht alles neu machen. Es sieht schön aus, wie es war.
Ist die Zeit der großen Designer tatsächlich vorbei? Die waren auch Vorbilder.
Den Couturier wie Yves Saint Laurent gibt es nicht mehr. Der allein im weißen Kittel in seinem Zimmer saß und zeichnete, so wie ich es auch mache. Ich komme mir ganz altmodisch vor, weil keiner meiner Praktikanten zeichnen kann. Alles hängt am Computer, und wenn ich abends gucken will, was die eigentlich gemacht haben, habe ich das Passwort nicht. Ich sehe auch nicht mehr Menschen, die für die Mode gelitten haben wie Alexander McQueen, der seine dunklen Gedanken und Geister einbrachte. Aber wenn du mit Schockeffekten arbeitest, musst du dir den nächsten Schock genau überlegen. Ich glaube, jetzt geht es mehr um Dinge, die man besitzen und pflegen will. Darum geht es mir.
Ihre Fans waren ja auch sehr glücklich.
Ich habe so eine Euphorie noch nie erlebt, normalerweise kommen ein paar Leute Backstage und dann bekomme ich eine Depression, das war's.
Sie machen also weiter?
Ich wollte noch mal ein Statement machen, was mein Handwerk ist, genau wie ich gerade meine Biografie geschrieben habe. Ich gebe so schnell nicht auf!
(Wolfgang Joops Biografie erscheint im September.)