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Reife Stars: Meryl Streep, Jodie Foster, Julianne Moore, Juliette Binoche (vl.n.r.)
© Reuters/Mike Blake, dpa/Paul Buck, Getty/Michael Loccisano, Getty/Dimitrios Kambouris

Schauspielerinnen über 40: Wie verhext

Starke Frauen sind ein Thema der Berlinale, die diese Woche beginnt. Doch welche Rollen bekommen Schauspielerinnen über 40? Was Juliette Binoche, Meryl Streep und sogar Russell Crowe dazu sagen. Eine Bestandsaufnahme.

Sie windet sich, presst die Worte heraus, zieht hektisch an der Zigarette. Bei den Proben für ihre neue Rolle kann Maria ihren Unwillen nicht verbergen. Diese Dialoge sind ihr zuwider. Das alles ist nicht sie. In „Die Wolken von Sils Maria“, der im Dezember in die Kinos kam, verkörpert Juliette Binoche, 50 Jahre alt, die Schauspielerin Maria, 50 Jahre alt. Maria wurde durch die Rolle einer jungen Verführerin berühmt. Jahrzehnte später soll sie in einer Neuverfilmung den Gegenpart übernehmen, die Rolle der älteren Verführten – und identifiziert sich doch mit der Figur des Mädchens.

Hollywoodstar Russell Crowe hatte kurz vor Weihnachten in einem Interview behauptet, in der Filmindustrie gebe es Rollen für Menschen in jedem Stadium des Lebens. Er selbst, nun 50 Jahre alt, könne schließlich auch nicht ewig den Gladiator spielen, der ihn berühmt machte. Dann kam der Satz, der für Empörung sorgte: „Ich denke, die Frauen, die behaupten, keine Rollen mehr zu bekommen, sind jene Frauen, die mit 40, 45, 48 Jahren immer noch die Unschuld spielen wollen und sich wundern, warum sie niemand für die Rolle der 21-Jährigen castet.“ Rumms. Das saß. Ein Schlag ins Gesicht für Figuren wie Maria, die Juliette Binoche verkörpert hat.

Hat Crowe recht? Gibt es tatsächlich genug Rollen für Frauen ab 40? Juliette Binoche scheint immun gegen den Altersfluch. Sie ist im Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale, „Nobody Wants the Night“, in der Hauptrolle zu sehen – als starke, mutige Frau, fernab der weinerlichen Rolle aus „Die Wolken von Sils Maria“. Auch unter den aktuellen Oscar-Nominierungen für weibliche Rollen finden sich viele Frauen jenseits der 40: die bezaubernde Julianne Moore (54), Patricia Arquette (46) und, zum 19. Mal nominiert, Meryl Streep (65).

Letztere führte Russell Crowe neben Helen Mirren als leuchtendes Beispiel für das Erfolgspotenzial reifer Frauen an. Mirren selbst prangerte vor einigen Jahren in einer Rede an, dass begabte Kolleginnen in ihren Fünfzigern ums Überleben kämpfen müssten, während mittelmäßige männliche Schauspieler schnell an die Spitze kämen. Meryl Streep sagte in einem Interview mit der „Zeit“: „Es wird besonders schlimm, wenn man als Schauspielerin die Grenze der 40 erreicht.“ Nach ihrem 41. Geburtstag habe sie drei verschiedene Angebote für drei Filme bekommen. Die Rolle war drei Mal die gleiche: Sie sollte eine Hexe spielen.

Regina Ziegler, Deutschlands erfolgreichste Filmproduzentin („Weißensee“), bestätigt die Einschränkung. „Im Hollywood-Blockbuster-Kino gibt es keine Rollen für ältere Frauen“, sagt sie auf Anfrage, „sondern nur für junge Stars, die oft bloß als hübsche Dekoration dienen. Ältere Frauen finden bestenfalls im Independent-Kino einen Unterschlupf.“ Der Druck, jung und schön zu bleiben, sei in Hollywood extrem groß, gelte aber auch für Männer, die sich ebenfalls Schönheitsoperationen unterziehen.

Im letzten Jahr wurde erstmals eine Studie zur Diskriminierung von Frauen in der Filmindustrie veröffentlicht, entwickelt von UN Women, der Rockefeller Stiftung und dem Geena Davis Institute. Ja genau, Geena Davis. Der Star aus „Thelma & Louise“ hat von der Baseballspielerin über die Piratin bis zur amerikanischen Präsidentin Frauen gespielt, die Männern das Fürchten lehren. Solche Rollen sind selten, dementsprechend ist die 59-Jährige weniger im Kino zu sehen. Die Studie zeigte: 30,9 Prozent aller Charaktere sind weiblich, in amerikanisch- britischen Produktionen sogar nur 23,6 Prozent. Frauen werden mehr als doppelt so oft nackt gezeigt, dafür so gut wie nie für Führungspositionen besetzt.

Bei der diesjährigen Berlinale stammen 116 von insgesamt 441 Filmen von Frauen. Das inoffizielle Thema des Festivals, sagt Dieter Kosslick, sei „Starke Frauen in extremen Situationen“. Wenn Frauen Geschichten erzählen, kommen sie eben auch darin vor.

Zumindest die Liebesfilme werden ohne Frauen nicht auskommen. Doch hier gibt es ein weiteres Problem. Was schon in „Casablanca“ praktiziert wird, gilt bis heute: Bei der Besetzung von Liebespaaren ist ein Altersunterschied von rund 20 Jahren keine Seltenheit. Als der Film 1942 gedreht wurde, war Humphrey Bogart 42 Jahre alt, Ingrid Bergman erst 26. Während der Dreharbeiten zu „Pretty Woman“ (1989) war Richard Gere 40 Jahre alt, Julia Roberts 22. In Woody Allens letztem Film „Magic In The Moonlight“ spielen Colin Firth (53) und Emma Stone (25) ein Liebespaar.

Kristin Scott Thomas, die 2009 mit fast 50 Jahren in „Die Affäre“ eine Ehefrau mit jüngerem Liebhaber spielte, beschwerte sich damals im „Spiegel“: „Frauen im mittleren Alter haben auch ein Leben und verlieben sich. Es ist doch kein Zufall, dass so viele Ehen gerade zu diesem Zeitpunkt zu Ende gehen. Doch von der Leinwand verschwinden die Frauen in den Dreißigern plötzlich und tauchen erst als Großmütter wieder auf.“ Oder haben zwischendurch einen Auftritt als Hexe. Ab Februar ist Meryl Streep in der Verfilmung des Broadway-Musicals „Into the Woods“ zu sehen – mit 65 lässt sie sich doch noch auf die Rolle der Hexe ein. Auch Julia Roberts ist der Prinzessin entwachsen und mimte in „Spieglein, Spieglein“ die böse Fee. Genau wie Angelina Jolie, die bald 40 wird, und gerade als „Maleficent“ auftrat.

Wo Robin Wright, Jodie Foster und Glenn Close eine neue Chance haben

Doch es gibt Anlass zur Hoffnung. Nach einer Studie der Filmförderungsanstalt waren im Jahr 2013 ganze 42 Prozent der deutschen Kinobesucher über 40 Jahre alt. Auch ist nach wie vor ein leichter Frauenüberschuss unter den Besuchern zu verzeichnen (53 Prozent). Dieses Publikum will sich in Film und Fernsehen wiederfinden. Im US-Fernsehen scheint diese Einsicht vorhanden. Serien übertreffen dort das Kino inzwischen nicht nur an erzählerischer Kraft. Auch auf dem Sektor der Gleichberechtigung sind die Qualitätsserien dem internationalen Film um einiges voraus. Stars wie Glenn Close, Sally Field oder Robin Wright haben dort eine Heimat gefunden und Preise erhalten. Courteney Cox erhielt 2010 den Golden Globe für ihre Hauptrolle in der Komödienserie „Cougar Town – 40 ist das neue 20“.

Regina Ziegler sieht in den Serien eine Chance. „Eine Geschichte, die nicht in 90 Minuten zusammengefasst werden muss, kann nuancierter umgesetzt werden“, sagt die 70-Jährige. „Die Figuren sind oft lebensechter, das Personal einer Serie ist umfangreicher. Daraus ergeben sich zwangsläufig mehr Rollen für jedes Alterssegment.“

Grund zur Freude liefert zudem die sich verbreitende Erkenntnis, dass Schönheits-OPs nicht nur förderlich sind. Meg Ryan hat sich aus der eigenen Karriere herausoperiert, Nicole Kidman hat sich durch ihre Vorliebe für Botox nicht nur das Gesicht, sondern kurzzeitig auch die Karriere verhunzt.

Die größten Chancen auf den Oscar haben schließlich oft Frauen mit Mut zum Unperfekten. Charlize Theron wurde für ihre angefutterten Pfunde in „Monster“ gekürt, Hilary Swank für ihre Rolle als Transsexueller in „Boys Don’t Cry“. Jennifer Aniston erhielt eine Golden- Globe-Nominierung für die Rolle einer Tablettensüchtigen („Cake“). Vielleicht schafft sie damit den Sprung von mittelmäßigen Komödien ins Charakterfach.

Was rät Regina Ziegler Frauen über 40? „Nutze dein Plus an Lebens- und Berufserfahrung, setz dich hin und mach daraus ein Drehbuch, in dem die Rolle vorkommt, die du spielen möchtest“, sagt sie. „Sicher ist es ein langer Weg, bis Frauen im Film angemessen repräsentiert sind, aber jammern nützt nichts. Wir müssen anpacken.“

Tatsächlich – viele Schauspielerinnen fahren mehrgleisig, stoßen vor in andere Bereiche des Filmgeschäfts. Angelina Jolies dritte Regiearbeit „Unbroken“ läuft derzeit in den Kinos, sie ist zudem als Produzentin und Drehbuchautorin tätig. Reese Witherspoon, 39, betätigt sich zunehmend als Produzentin wie zuletzt beim Oscar-Kandidaten „Der große Trip – Wild“, in dem sie die Hauptrolle spielt. Jodie Foster ist bei den diesjährigen Director’s Guild Awards gleich zwei Mal als Regisseurin nominiert – für eine Folge der Serie „House of Cards“.

Es tut sich etwas, aber die Frauen sind noch lange nicht am Ziel. Haben Sie sich mal gefragt, was Michelle Pfeiffer, 56, so treibt? Die bildschöne Michelle Pfeiffer, die im Meisterwerk „Gefährliche Liebschaften“ einen gefühlskalten Herzensbrecher in den Suizid treibt? Eine ihrer größten Rollen der letzten Jahre war im Fantasyfilm „Der Sternwanderer“. Sie spielte eine Hexe.

Lydia Brakebusch

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