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Der Brüsseler Stadtteil Molenbeek hat spätestens seit den Terroranschlägen in Belgien einen schlechten Ruf.
© imago/Winfried Rothermel

Die Sparkolumne: Wie ich mich in Molenbeek jung fühlte und dabei sparte

Ein Zwei-Bett-Zimmer mit Bad, Frühstück und Parkplatz für 50 Euro? Das gibt's in Brüssel nur in einer Jugendherberge.

In eine Jugendherberge, ich? Warum nicht, sagte meine Frau, denn das Problem war klar umrissen: Unsere Tochter würde nach einem Jahr aus Brüssel zurückkehren, Zeit genug, unheimlich viel Kram anzuhäufen, der jetzt preiswert nach Berlin sollte.

Mein Vorschlag, das Zeug der Post zu überantworten, wurde abgelehnt. „Wir holen das selbst, ist viel billiger“, behauptete meine Frau, die wahrscheinlich nur mal nach Brüssel wollte und genau weiß, wie man mich ködert.

Die Wohnung unserer Tochter war viel zu winzig, um uns auch noch aufnehmen zu können. Deshalb der Tipp mit der Jugendherberge in Molenbeek-Saint-Jean, das ist dieser Stadtteil von Brüssel, von dem hier öfter berichtet wird, meist im Zusammenhang mit Terroranschlägen.

Aber daran dachte ich in diesem Moment gar nicht, ich war viel zu beschäftigt mit dem Wort Jugendherberge. „Äh“, sagte ich also, „hast du meine grauen Strähnen bemerkt?“ In Wirklichkeit sind es nicht nur Strähnen. „Macht nichts“, sagte unsere Tochter leichthin, „wirst sehen“.

Ach, diese Franzosen, immer charmant

Ich rief an. „Auberge de Jeunesse Génération Europe“, überraschte mich eine Stimme auf Französisch. Ich weiß auch nicht, was ich erwartet hatte. „Je crois que je suis vieux“, stammelte ich, was hoffentlich klar machte, dass ich mich für zu alt hielt. „Ah non, Monsieur“, verneinte die Stimme am anderen Ende. Ach, diese Franzosen, dachte ich, immer charmant. Wahrscheinlich war es ein Belgier, jedenfalls vermietete er mir ein Zwei-Bett-Zimmer mit Bad, Frühstück und Parkplatz auf dem ummauerten Hof für 50 Euro, so viel kostet in Brüssel normalerweise schon allein der Parkplatz. Den wollte ich unbedingt, immerhin würde sonst der gesamte Hausrat unserer Tochter unbewacht bleiben, wenn wir ihn erst einmal eingepackt hatten.

Es war irgendwie schön

Das Zimmer war dann einer Zelle nicht unähnlich, vor allem wegen der in Plastik eingeschlagenen, abwaschbaren Matratzen. Die Dusche lieferte nur kochend heißes Wasser. „Pas de problème“, versicherte der Rezeptionist daraufhin, und so viel ich verstand, würde sich am Montag, dem Tag unserer Abreise, ein Handwerker dieser Sache annehmen. Solange sei ich gern eingeladen, die Sammeldusche im Keller zu benutzen.

Das haben wir dann doch nicht gemacht, uns stattdessen morgens kurz überbrüht und beim Frühstück nach Jeunesse gefühlt, gewissermaßen als gleichberechtigter Teil der Génération Europe. War irgendwie schön.

Molenbeek ist übrigens auch ganz nett, sieht ein bisschen so aus wie der Nord-Neuköllner Kiez vor der Gentrifizierung durch die Jeunesse du Monde.

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