Von Kim Kardashian bis Friedrich Merz: Wenn Reiche so tun, als seien sie ganz normal
Als Millionär ein Mittelschicht-Angehöriger, als Promi-Ikone Corona-Sorgen wie alle? Wer Reichtum zur persönlichen Ermessensfrage erklärt, behindert soziale Politik. Eine Kolumne.
Feste feiert man, wie sie fallen. Und Kim Kardashian, die millionenschwere Hohepriesterin des Influencertum und Ehefrau von Fast-Präsident Kayne West, hatte ihren 40. Geburtstag inmitten der Pandemie, da kann sie nichts für, und sie hat ihn mit pompöser Dekadenz gefeiert. Im „engsten“, aber wahrlich nicht kleinen, Kreis auf einer privaten Tropeninsel. Hier, so Kardashian, konnten sie und ihre Gäste, die sich vorab zwei Wochen in Quarantäne begaben, „für kurze Zeit so tun, als sei alles normal“. Immerhin merkte sie noch an,
dass sie wisse, dass ein solcher Luxus für die meisten Menschen derzeit nicht möglich sei. Ganz so, als sei Luxus eher eine Frage des Timings als des Kontostands.
Es verwundert kaum, dass sie dafür reichlich Kritik und Spott in den sozialen Medien erhielt. Während die meisten Menschen im Supermarkt den endzeitlichen Kampf um die letzte Packung Klopapier antreten und verzweifelt versuchen, dem Lagerkoller zu trotzen, erwartet eine hedonistische Multimillionärin Applaus für ihren Eskapismus? Unverschämt, aber nicht ungewöhnlich. Und ist sie nicht auch durch Zurschaustellung ihres weltfremden Geltungskonsums zur Ikone geworden?
Trotzdem: Musste das gerade jetzt sein? Hieß es nicht, Corona sei der große gesellschaftliche Gleichmacher? Das Virus unterscheidet natürlich nicht zwischen stinkreich und bettelarm, aber mittlerweile dürfte klar sein, dass die globale Schicksalsgemeinschaft mit dieser Feststellung bereits an ihre Grenzen stößt. Das Erleben dieser Krise, das zeigt etwa das Beispiel Kardashian, ist zutiefst ungleich und hierarchisch und wirkt wie ein Brennglas für soziale Ungerechtigkeit. In Isolation mögen derzeit viele leben, die einen allerdings mit Familie auf engem Raum, die anderen in einer Wohlstandsblase, die höchstens durch das Knirschen der Autoreifen auf der gekiesten Hauseinfahrt gestört wird.
Trotzdem geben sich Superreiche wie Kardashian Mühe, Anteilnahme und vor allem Demut zu signalisieren, als gehörten auch sie noch einer Mehrheitsgesellschaft an. Es ist Teil ihres Selbstverständnisses, dass sie trotz aller Privilegien und Reichtümer die Sorgen der anderen nicht nur nachvollziehen können, sondern sie sogar teilen. Diese Auffassung eint etwa eine Kim Kardashian mit einem Friedrich Merz, der glaubt, er gehöre als Millionär zur „gehobenen Mittelschicht“. Das sind aber keine Understatements, es sind Beleidigungen. Sie bagatellisieren die Sorgen und Mühen eines gewöhnlichen Lebens.
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Corona verdeutlicht diese krassen sozialen Unterschiede nicht nur, sondern verstärkt sie noch. Studien belegen, dass das Vermögen der Superreichen in diesem Jahr außergewöhnlich stark anstieg. Gerade jetzt könnte man glauben, wäre es an der Zeit, diesen Missstand mithilfe finanzpolitischer Instrumente wie einer Vermögensteuer zu korrigieren. Dass die aber heftig umstritten ist, liegt, wie die Journalistin Anna Mayr in der „Zeit“ konstatiert, auch daran, dass mehr Menschen glauben, Vermögen zu besitzen, als das tatsächlich tun. Und dass darum viel mehr Menschen als die Vermögenden allein Angst haben, ihnen würde vom Staat etwas weggenommen.
Kleinsparer, die um ihr Vermögen bangen und Großkapitalisten, die aller Opulenz zum Trotz als bodenständig gelten wollen – es ist, als hätten beide Seiten die Rollen getauscht. Wenn aber Reichtum mehr persönliches Ermessen als berechenbarer Fakt wird, verschwindet auch ein Stück weit die Dringlichkeit eines Korrektivs. Doch um es mit den Worten der US-Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez zu sagen: „Jede*r Milliardär*in ist ein Versagen der Politik.“ Nicht erst durch Anmieten einer Privatinsel.
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