Beziehungsprobe Schwangerschaft: Warum bist Du so anstrengend?
So mancher Mann ist überrascht von der Verwandlung seiner schwangeren Frau, so manche Schwangere wünscht sich von ihrem Mann mehr Verständnis. Ein Briefwechsel
Mein lieber Mann!
Es ist ungerecht, wahnsinnig unfair. Doch es ist nun mal so: Die Frau kriegt die Kinder, und du, der Mann, stehst daneben und wunderst dich.
Du findest mich in letzter Zeit etwas überspannt? Kann schon sein. »Wir sind eben schwanger«, sagst du dann und seufzt. Nee, biste nicht. Oder rennst du jede Nacht etwa 15 Mal ins Bad? Steigst vorzeitig am Spittelmarkt aus der U2, um dich in einen Mülleimer zu übergeben? Verzichtest einen ganzen Sommer lang auf das Glas Sauvignon Blanc zur abendlichen Gelegenheitszigarette? Und schmerzen deine Brüste vielleicht so, dass du sie beim treppab laufen mit den Händen stützen musst? Musst du tagein, tagaus die immer gleichen Sprüche Wildfremder parieren? Lebst du in der Gewissheit, dass du bereits in wenigen Wochen auf dem Rücksitz eines Taxis Wehen veratmen wirst, die dich brüllen lassen werden wie ein angeschossenes Tier?
Obwohl mit deinem Körper nichts weiter Auffälliges passiert, könntest du doch einiges tun, wenn möglich ungefragt.
Halte dich zum Beispiel unbedingt massagebereit. Immer.
Das ist nicht schwierig. (Doch wenn du es wirklich nicht drauf hast, verspannte Schultern zu kneten, verschenke ein Zehner-Abo für die Schwangerenmassage. Ja, das ist teuer. Verzichte halt eine Saison aufs Bezahlfernsehen, dann wird’s schon gehen.)
Horte stets genügend Lebensmittel. In Berlin haben viele Supermärkte bis 24 Uhr geöffnet, es gibt also keine Ausrede. Du denkst, du weißt, was Hunger ist und glaubst, die Erde drehe sich auch dann weiter, wenn nicht sofort Spaghettei mit Pesto Calabrese auf dem Tisch stehen? Mache dir bitte keine Illusionen.
Schlafe niemals vor mir ein. Dein seliges, leises Schnarchen ist nichts weiter als ein Affront. Ich wuchte meinen Bauch seit Stunden hellwach von einer Seite auf die andere, also lade die neue Staffel »Girls« runter und unterhalte mich!
Ein Ultraschall-Termin beim Gynäkologen steht an. Du kommst selbstverständlich mit und zeigst angemessene Rührung. Und bitte blamiere mich nicht mit unqualifizierten Kommentaren. (Merke: Der Schwangerschafts-Countdown beginnt bereits mit dem ersten Tag der ausgebliebenen Periode. Google das, bist du es verstehst!)
Du möchtest Liebe, Sex und Zärtlichkeit?
Im 1. Trimester wegen Dauerübelkeit und Bauchschmerzen undenkbar. Im 2. Trimester in Ausnahmefällen möglich. Im 3. Trimester gegen die Natur. Mache aus dem Elefanten eine Mücke. Also lobe meine »weibliche« Silhouette auch dann noch, wenn ich aussehe wie aus dem Serengeti-Park entlaufen. Toleriere, wenn ich die Haushaltskasse plündere, um bei »Sexy Mama« einen französischen Umstands-Bademantel für den Klinikkoffer zu kaufen. Hey, der passt auch später noch!
Sei gewiss: Auch mich wird der Nestbautrieb irre werden lassen. Probiere erst gar nicht, Einfluss zu nehmen. Wir können gerne darüber reden, aber letztlich bestimme ich, welche Farbe die Kinderzimmerwand haben und wo der Wickeltisch aufgebaut wird (von dir natürlich).
Sei in den richtigen Augenblicken sentimental. Ich bin nicht mehr das zynische Biest, das ich einmal war. In meinem Bauch wächst ein neues Leben heran! Sprich mit ihm! Und bitte mehr als nur: „Hallo, äh, ich bin dein Vater ...“
Massiere mich lang und ausdauernd. Auch die Füße. Ach so, entschuldige, das hatte ich schon. Schwangerenvergesslichkeit ist nur eine ganz milde Verlaufsform der Stilldemenz. Apropos Füße: Ja, ich muss wirklich so oft zur Pediküre. Das liegt daran, dass ich meine Zehen weder sehen noch berühren kann. Kannst du dir vorstellen, wie das ist? Kannst du nicht.
Mache dich mit dem Ablauf einer spontanen Geburt vertraut, falls du dabei sein wirst.
Informiere dich über solche Dinge wie das CTG, die PDA, die Vakuum-Extraktion, die Sectio sowie die Episiotomie – und rede mit mir darüber. Wichtig, damit du nicht im Kreißsaal aus allen Wolken fällst, wenn plötzlich Hektik entsteht und an mir herumgeschnippelt wird.
Sei aber bitte auch kein Klugscheißer. Wir haben besprochen, es ohne PDA zu probieren – und jetzt schreie ich nach der Anästhesistin? Akzeptiere den Richtungswechsel und sieh zu, dass die Narkose gelegt wird. Sofort.
Halte mir im Wochenbett den Besuch vom Leib. Deine Großtante will kommen? Sie kann gerne eine Sahnetorte vor der Wohnungstür abstellen. So. Das war‘s ganz grob. Vergiss bitte nicht, dass ich bald schon wieder ich selbst sein werde. Nach dem Abstillen, wenn unser Baby sechs oder acht Monate sein wird.
Deine Frau.
Meine liebe Frau,
ich werde langsam wahnsinnig. Du denkst, ich halte dich für »ein bisschen überspannt«? Falsch. Die Wahrheit ist: Ich erkenne dich nicht wieder. Und das liegt nicht an Äußerlichkeiten wie dem dicken Bauch und – entschuldige bitte vielmals! – der unfassbaren Oberweite, sondern an deiner massiven Persönlichkeitsveränderung.
Früher warst du doch auch nicht so verkniffen. Es war dir egal, ob sich im Bad die Wäscheberge türmen. Wir haben sie halt bekämpft, wenn es gar nicht mehr anders ging. Heute wirst du zur heulenden Furie, wenn du eine meiner schwarzen Socken zwischen den weißen Mini-Bio-Spannbettlaken findest, die du schon fürs Baby angeschafft hast und nun „wegen der Schadstoffe“ mit Extra-Sensitiv-Waschmittel vorwäschst. Sie könnten sich verfärben!
Seit du nicht mehr ins Büro fährst und im Mutterschutz bist, ist der Haushalt deine neue Wirkungsstätte geworden. Du hast sogar meinen Teil des Kleiderschranks neu organisiert – und jetzt regst du dich auf, wenn ich dich ständig frage, wo meine Sachen sind. Hör‘ bitte einfach auf, dich als Hausfrau profilieren zu wollen. Dem Baby wird es herzlich egal sein, ob meine Unterhosen auf Kante gefaltet sind.
Weißt du, manchmal komme ich nach einem blöden Tag von der Arbeit nach Hause. Mein Rücken tut weh – und alles, was ich will, ist ein Bier und eine DVD. Aber mein dezentes Jammern quittierst du mit einem genervten Augenrollen. Ja, ich weiß: Du hast es viel, viel schlimmer. Wenn ein Rücken weh tut, dann ist es selbstverständlich deiner! Bin schon unterwegs zur 24-Stunden-Apotheke, neues Rosen-Massage-Öl holen! Bin schließlich kein 50er-Jahre-Ehemann! Entschuldige, entschuldige…
Verstehst du? Egal, was bei mir so los ist, dir geht es immer schlechter.
Du bist das Totschlagargument im superteuren rosa Umstands-Bademantel. Dein vorwurfsvoller Blick sagt: „Du hast mir das angetan, nun tu alles dafür, dass es mir besser geht.“ Vielleicht sollte ich mal erwähnen, dass ich mich zutiefst freue auf unseren Nachwuchs. Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir ein Baby wollen. Wir teilen uns die Elternzeit. Nur ist es so, dass du die Tritte des Kleinen spüren magst – ich spüre selbst nach minutenlangem Handauflegen nichts. Es fällt mir ernsthaft schwer, mit deinem Bauch zu sprechen. Warum redest du eigentlich nicht mehr richtig mit mir? Unsere Gespräche drehen sich inzwischen ausschließlich um die mögliche Einlagerung von Nabelschnurblut, und unser letztes Date hatten wir beim Informationsabend für werdende Eltern im Virchow-Klinikum. Dabei sagen doch alle: Nutzt die letzte Zeit zu zweit aus, unternehmt etwas, so lange es geht!
Du weißt einfach alles besser. Will ich einmal Kompetenz beweisen, so wie neulich, als ich mit dem Verkäufer im Babymarkt darüber diskutiert habe, ob der Kinderwagen in den Kofferraum passt, fährst du mir über den Mund. Mir ist schon klar, dass du lieber ein Tragetuch willst, um unser Kleines möglichst nah an deinem Körper halten zu können. Aber ich werde mir ganz sicher nicht so ein geblümtes Teil umschlingen, auf dem »Fräulein Hübsch« steht. Ich will einen schwarzen Kinderwagen mit Profilbereifung und Cappuccino-Halter.
Ich sehe dem großen Finale ehrlich gesagt mit einer Mischung aus Vorfreude und nackter Panik entgegen.
Hilflos werde ich zusehen müssen, wie du die schlimmsten Schmerzen aushalten musst. Alles, was ich angeblich für dich tun kann, ist dir das Kreuzbein zu massieren. Du weißt, ich bin neulich beinahe umgekippt, als ich beim Ausräumen der Spülmaschine ein (mein, ja, ja …) Weinglas kaputt gemacht und mich an den Scherben geschnitten habe. So viel Blut!
Darf ich noch was sagen? Bitte höre damit auf, nachts Schwangeren-Foren im Netz zu lesen. Dein Gynäkologe hat nun mehrfach versichert, dass alles soweit in Ordnung ist. Das Baby liegt startbereit mit dem Kopf nach unten! Es gibt keinen Grund, sich mit Horror-Szenarien zu quälen. Vor dir haben bereits andere Frauen Babys geboren – zum Beispiel deine Mutter, sogar mehrere hintereinander. Du könntest sie übrigens auch mal wieder anrufen, kann es sein, dass ihr seit zwei Stunden nicht miteinander telefoniert habt?
Du bist so lässig, mir diesen Brief zu verzeihen. Und wenn nicht, schau mal ins Gefrierfach. Ich hab’ die Cornettos aufgefüllt.
Dein Mann.
Die Verfasser des Briefwechsels wollen anonym bleiben. Die Namen sind der Redaktion bekannt.