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Die Experten befürchten, dass die Opfer-Zahlen noch steigen werden.
© Maurizio Gambarini/dpa

„Mit dem Schlimmsten rechnen“: Weißer Ring meldet 2020 deutlich mehr häusliche Gewalt

Viele Experten hatten gewarnt, dass es in Lockdown-Zeiten mehr Gewalt geben werde. Die Befürchtungen sind Gewissheit geworden, so die Opferhilfe Weißer Ring.

Beim Weißen Ring haben sich in den ersten zehn Monaten des Corona-Jahrs 2020 gut zehn Prozent mehr Opfer von häuslicher Gewalt, Sexualdelikten und Körperverletzung gemeldet als im Vorjahreszeitraum. „Die Zahlen waren nach dem ersten Lockdown im Frühjahr sehr verhalten und sind dann aber im Juni wieder deutlich angestiegen“, sagte der Bundesvorsitzende des Weißen Rings und frühere Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke. „Wir müssen leider mit dem Schlimmsten rechnen.“ Dies bestätigten die Zahlen aus der zweiten Jahreshälfte bis Oktober; neuere gibt es noch nicht.

„Unsere Erfahrung ist, dass sich häusliche Gewalttaten nicht sehr schnell in Zahlen niederschlagen. Das kommt erst nach und nach“, sagte Ziercke. „Wir wissen aus Studien, dass Frauen bis zu sieben Anläufe brauchen, um sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu befreien.“

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Dazu komme in Zeiten des Lockdowns die Gefahr des unentdeckten Missbrauchs von Kindern oder auch Gewalt gegen sie. Wenn Kitas, Schulen und Sportvereine schließen müssten, gebe es auch weniger Möglichkeiten hinzuschauen, wenn Jungen oder Mädchen Verhaltensauffälligkeiten zeigten.

„Der Lockdown führt dazu, dass wir in einer Phase zunehmender Gereiztheit miteinander leben“, stellte Ziercke fest. Dazu kämen bei vielen Menschen noch beengte Wohnverhältnisse, die Betreuung von Kindern oder der Verlust der Arbeit, wirtschaftlicher und damit auch psychischer Druck.

Ziercke appellierte an Opfer von häuslicher Gewalt, sich an den Weißen Ring oder andere Hilfeeinrichtungen zu wenden. Er forderte aber auch die Bürger generell auf, mit offenen Augen auf das jeweilige Umfeld zu achten. „Menschen, die Hilfe benötigen und sie sich selber nicht holen können, müssen wahrgenommen und ihnen muss von außen geholfen werden.“ (dpa)

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